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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 9
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Scheffler, Karl: Kunstgesetze
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0342

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Genies. Könnten die üblen Erscheinungen aber
wirklich unterdrückt werden, so wäre im tieferen
Sinne nichts gebessert. Einige Millionen Steuern
können natürlich so oder so gewonnen werden, und
auch Verluste von Kunstwerken, die der Nation
wertvoll sind, Hessen sich verhindern; das Verhältnis
der Menschen zur Kunst aber lässt sich durch Ge-
setze nicht bessern. Das aber ist der Punkt, worauf
es ankommt. Es ist eine der trübsten Erfahrungen
— oder Bestätigungen — die die Kriegszeit uns
gebracht hat: dass das Verhältnis zur Kunst in
Deutschland noch sehr oberflächlich und empor-
kömmlingshaft ist. Alle spitzfindigen juristischen
Erörterungen, alle Betrachtungen kunstpolitischer
und staatsökonomischer Natur und die kunstvollsten
Gesetzentwürfe können nichts an der Thatsache
ändern, dass der Deutsche dieser Zeit die bildende
Kunst nicht eigentlich innerlich nötig hat, dass er
sie im allgemeinen selbst dann nicht leidenschaftlich
liebt, wenn er wertvolle Werke alter und neuer
Meister besitzt. Wie könnten sich sonst so viele
grosse Sammler leichten Herzens von ihrem mühevoll
zusammengebrachten Besitz trennen, um dafür tote
Millionen einzutauschen! Wie hätte sonst so schnell
eine bedenkliche Spannung entstehen können
zwischen Sammlern und Museen, als die Rede war
von einer Inventarisierung des Kunstbesitzes und
nachdem die Sammler doch lange als Verbündete
der Museen gegolten haben, die wie im Auftrage
der Nation zu sammeln schienen, nachdem wir uns
eben gewöhnt hatten in den Privatsammlungen die
natürlichen Reservoirs der Staatsgalerien zu sehen.
Wie hätten sonst Kunsthändler, die der guten mo-
dern Kunst entscheidende Hclferdienste geleistet und
damit etwas wie eine geschichtliche Mission erfüllt
haben, haltlos sich gleich dem Auktionswesen hin-
geben können, um die Konjunktur zu nützen.
Man kann die Kunst in rechter Weise lieben, wenn
man nicht ein einziges Original besitzt, man kann
sie wahrhaft lieben, wenn man mit Leidenschaft
die Werke von Meistern sammelt und eifersüchtig
den Schatz hütet, und man kann sie selbst lieben,
wenn man gute Werke geschäftsmässig ausstellt und
eifrig zu verkaufen strebt. Und in jedem Fall wird
Gutes daraus entstehen, weil eine reine Neigung,
einerlei ob sie zur Entsagung verdammt oder hohe
Gewinne wie von selbst im Gefolge hat, sich immer
fortpflanzt und wiederum das Gute hervorbringt.
Wenn diese Liebe aber auf die Probe gestellt wird,
soll sie sich des Opfers fähig zeigen — sie muss der
Konjunktur widerstehen können. Dazu sind sehr

viele, von denen man es hoffte, nicht stark genug
gewesen. Sie haben noch mehr Freude, als an der
Kunst, am Handel. Und da werden nun Gesetze
geplant, wie im Auftrage des Volksgewissens,
letzten Endes aber auch, um dem Staat einen An-
teil vom Umsatz zu sichern. Sie sollen Wandel
schaffen. Kann man durch Ausfuhrverbote, Inven-
tarisierungen und Steuern das Verhältnis zur Kunst
verändern und bessern? Wenn das aber unmög-
lich ist, so soll man doch an diese Dinge über-
haupt nicht rühren und sie sich selber überlassen,
weil sich das Übel dann am schnellsten selbst über-
windet. Je schärfer ein Steckenpferd geritten wird,
desto eher wird es zu Tode geritten. Aufhalten
können Gesetze den Ablauf der Ereignisse nicht,
sie können dem Leben der Kunst nur noch mehr
schaden. Man darf ganz allgemein sagen, dass alle
Kunstgesetze schädlich sind, weil sie die Kunst pro-
fanieren helfen, wie immer auch die Bestimmungen
formuliert werden. Gewiss sind die Zustände auf
dem Kunstmarkt heute höchst ungesund und der
widerwärtigen Erscheinungen sind viele; aber so-
lange die Gesetzgeber das Problem nicht lösen, wie
man mit juristischen Bestimmungen verändernd,
veredelnd auf die Menschen wirken kann, wird
alle Mühe verloren sein.

Dieses mag manchem eineseltsameBetrachtungs-
weise sein, verglichen mit den Ausführungen der
Fachleute, die hin und her von Inventarisierung,
Vorkaufsrecht, Sperrung der Grenzen, Auktions-
steuern, Wertzuwachs der Kunstwerke, und Be-
teiligung der Künstler an diesem Zuwachs debat-
tieren. Denkt man aber bis zum Ende, so ist es
der einzige mögliche Standpunkt. Das fühlen
dunkel auch die Gesetzgeber, denn sonst würden
sie energischer vorgehen. Wir brauchen als Volk
noch wenigstens fünfzig Jahre, um zur Kunst
wieder erzogen zu sein, um ein ganzes Geschlecht
von Sammlern zu besitzen, die sich im Notfalle
lieber harten Entbehrungen aussetzen, als dass sie
ihre geliebten Kunstwerke verkaufen, um unsere
Museen zu dem zu machen, was sie sein könnten,
um den Kunstmarkt zu vergeistigen und die
Kunst überhaupt zu einer Angelegenheit der
Nation zu machen. Bis dahin mische sich doch
der Staat mit Gesetzen nicht ein. Er nehme das
Geld aus anderen Quellen. Er lasse das Volk
ruhig einige seiner schönsten Werke an andere
Nationen verlieren. Denn ein Volk, das so hohen
Besitz nicht freiwillig zu halten weiss, ist seiner
nicht wert. Straft den Bürger, der ohne Not

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