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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 12
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Glaser, Curt: Hans Purrmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0476

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das Bild übertragen und dem Beschauer vermit-
teln will.

Von Purrmann selbst stammt das Wort: „Man
kann aus einem Bilde genau so viel heraussehen,
wie hineingesehen ist." Und darum bemüht er sich,
seine Malerei so weit zu treiben, wie es ihm mög-
lich ist, und darum sind, wenn die dünner und
leichter angelegten Bilder dem modernen Auge ge-
fälliger dünken und eher schmeicheln, die volleren
doch zugleich die reicheren, die dauernder stand-
zuhalten versprechen. Es ist nicht gar so schwer,
geistreich zu sein. Es gehört nicht viel mehr dazu
als einige Übung. Es bedeutet weitaus mehr, dar-
auf verzichten zu können, sich als den Geistreichen
zu geben und statt in Aphorismen zu sprechen,
wohlgebaute Perioden zu bilden. Manche Bilder
von Purrmann, die nur in ein paar ganz lichten
Tönen angelegt sind, gehören zum Scharmantesten,
was die moderne Kunst hervorgebracht hat. Ein
anderer hätte leichthin auf solchen Werken seinen
Ruhm und sein Schaffen begründen können. Aber
Purrmann verzichtet darauf, den billigeren Reizen
seine Wirkung zu verdanken. Er strebt nach dem
vollkommenen Werk. Und merkwürdig begegnet
er sich hier mit dem alternden Renoir.

Purrmann hat Renoir studiert, wie er Matisse
studierte, aber er hat den einen so wenig nach-
geahmt wie den anderen. Und über Matisse erst
gelangte er zu Renoir. Er macht sich nicht dessen
System zu eigen, wie schwächliche Epigonen es
thun, sondern er wagt, was nur wenige heut dürfen,
die ganze Fülle und die ganze Sinnlichkeit einer
Erscheinung in sein Bild hineinzutragen. Er hat
die Freude an schönen Dingen, an kostbaren Stoffen,
an lieblichen Frauen, und seine Bilder wollen etwas
ebenso Köstliches sein wie irgendein Gegenstand
sonst, der die Sinne zum Genüsse ladet.

Wir haben in Deutschland nicht viele Maler
dieser Art, wir sind es nicht gewohnt, einen Künst-
ler nur als Maler und aus der reinen Freude am
farbigen Schein schaffen zu sehen. Der Deutsche
verlangt mehr zu denken als zu sehen. Darum
thaten ihm Feuerbach und Klinger genug, darum
liess er sich so gern durch Böcklin verführen.

Diese Neigung ist schwer zu bekämpfen, da es sich
offenbar um eine tief im Volkscharakter begründete
Begabung handelt, die mehr den literarischen als
den bildkünstlerischen Erscheinungen zugewandt ist.

Es soll keineswegs die Berechtigung anders ge-
richteten Schaffens bestritten sein, das ebenso blei-
bende Werte zu zeugen imstande ist. Aber es be-
steht die Gefahr, dass der Begriff der Moderne allzu
engherzig auf eine einseitige Formel festgelegt und
darum die Bedeutung einer Kunst, wie die Purr-
manns ist, verkannt wird. Und sie gerade ist
doppelt wertvoll für uns, weil sie in Deutschland
der seltenere Fall ist.

Es ist viel heut von einer Wiedergeburt des
bedeutungsvollen Inhaltes im Kunstwerk die Rede,
und die Wortführer des Expressionismus ergehen
sich gern in Betrachtungen über den Wandel des
Bildmotivs. Die Beobachtung ist richtig, aber auch
sie trifft nicht den Kern der Sache, nicht das Wesen
der neuen Kunst. Es bedeutet letzten Endes keinen
Unterschied, ob an mythologischen oder biblischen
Stoffen, an Erlebnissen des inneren oder des äusseren
Auges eine Sensation sich zum bildhaften Ausdruck
erhebt. Das Wesentliche bleibt immer die Form,
in der es geschieht.

So wird man leicht auch dem Einwand be-
gegnen, dass Purrmann nur Stilleben und Akte,
Landschaften und Bildnisse male. Ja, es ist wahr,
denn Purrmann ist in der That nur ein Maler, und
das scheint uns genug, da er es auch ganz ist.

Zu denken allerdings giebt es wenig bei seinen
Bildern. Aber es giebt um so mehr zu geniessen.
Ein Expressionist ist er nicht, und er hat weder
Kriegsbilder noch Madonnen gemalt. Aber wenn
einmal alle die Schlagworte verrauscht sein werden,
die jetzt die Luft mit üblem Geräusch erfüllen,
wenn die neuesten und allerneuesten Kunsttheorien
mitsamt den Bildern, die nur ihnen zum Beweise
gemalt zu sein scheinen, in der grossen Rumpel-
kammer der Zeit verschwunden sein werden, dann
werden diese Bilder Purrmanns, deren gesunde
Oberfläche nur fester zusammenwachsen kann,
noch immer in gleicher Schönheit und Farben-
pracht erstrahlen.

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