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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 12
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stand, zeugt nochmals von dem sachlichen Urteil und
ruhigen Blick des Verfassers. Er versuchte es statt
dessen, die Kunst der Stadt, von der er ausgegangen
war, in den weiteren Zusammenhang der norddeutschen
Malerei überhaupt einzustellen, indem er zunächst in
die Nachbargebiete übergriff und die Werke nieder-
sächsischer Malerei, deren Bild durch neuere Forschung
vielfach verwirrt war, mit sicherer Hand ordnete, an-
schliessend endlich die verwandten Entwicklungslinien
der westfälischen und der kölnischen Malerei zeichnete.
Ob es dabei immer gelang, die provinzielle Sonderart
jedes Gebietes sicher zu umreissen, ist eine Frage, die
hier nicht beantwortet zu werden braucht. Alte Ge-
wohnheit der Kunstgeschichtsschreibung verpflichtet,
enge Landschaftsgebiete als Boden einer Sonderent-
wicklung zu behandeln, deren Charakter ebenso sehr
durch den Einfluss überragender Persönlichkeiten wie
durch die Eigenart der Rasse bestimmt werden mag.
Viele Faktoren wirken hier zusammen, deren Wechsel-
wirkung unmöglich mehr zu entwirren ist, und als das
übergeordnete Prinzip erscheint uns das der überall
gemeinsamen zeitlichen Entwicklung. Heise selbst
pflichtet in seiner Einleitung diesem Grundsatze bei,
der keineswegs den Wert seiner Arbeit in Frage stellt,
da die Ergebnisse methodisch einwandfreier Forschung,
wie er sie vorlegt, die notwendige Grundlage jeder
aufbauenden Zusammenfassung bilden müssen. Wie
Thodes Nürnberger Malerei, wie Aldenhovens kölnische
Malerei wird Heises Buch zu den grundlegenden Wer-
ken über deutsche Kunst zählen, und es hat vor diesen
beiden voraus, dass es über dem Interesse für das Ein-
zelne niemals doch den Blick für das grosse Ganze ver-
liert. Eine stattliche Zahl vortrefflicher Abbildungen
giebt dem Werke seinen besonderen Wert, indem es
die Kenntnis zu wenig beachteter Gebiete deutscher
Kunstübung nicht nur wissenschaftlich erschliesst, son-
dern zugleich anschaulich vermittelt. Glaser.

Die Apokalypse. Älteste Blockbuchausgabe in
Lichtdrucknachbildung. 50 Tafeln nebst 4 Tafeln aus
zwei späteren Ausgaben und $ Abbildungen im Text.
Herausgegeben von Paul Kristeller, Berlin. Verlag von
Bruno Cassirer 1616. Anzeige des Herausgebers.

Der Holzschnitt verfügt über Ausdrucksmittel und
Wirkungen, die er mit keiner anderen Technik teilt.
Die mühevolle, bedachtsame Herstellung der einzelnen
Linie', die aus dem Holzblocke erarbeitet, wie eine
plastische Form aus der Fläche herausgehoben werden
muss, kommt noch im Abdruck von der geschnittenen
Platte zur Geltung. Die Isoliertheit und die markige
Breite des Striches mit seinen festen, scharfen Begren-
zungen, das Relief des Druckes und der Glanz der
Druckerfarbe verleihen ihm eine Wucht und eine ge-
wisse Monumentalität des Eindruckes, mit der keine

andere zeichnerische oder Abdruckstechnik wetteifern
kann. In seinem engen Register hat der Holzschnitt
besondere Töne von eigenem Reiz und von über-
raschender Kraft aufzuweisen.

Diese sozusagen primären Vorzüge der Holz-
schneidetechnik wirken naturgemäss am reinsten und
am stärksten in ihren frühesten Erzeugnissen, die sich
noch auf die ursprünglichen Ausdrucksmittel beschrän-
ken und deshalb vollkommene Stilreinheit bewahren.
Die charakteristische und erfrischende Wirkung dieses
ältesten Holzschnittstils beruht eben wesentlich darauf,
dass seine Formgestaltung unmittelbar aus der ein-
fachen, kernigen Technik erwachsen ist. Später wandelt
sich das Verhältnis der Technik zur Darstellungs-
form durchaus, indem ihr nun die unmittelbare Nach-
ahmung von Formbildungen, die ihrem Charakter ganz
fremd sind (Federzeichnung oder Kupferstich und
anderes mehr), zugemutet wird. Der Urstil des Holz-
schnittes ist im wesentlichen Umrissstil, der die Flächen
für die Ausfüllung oder Schattierung durch Farben frei
läßt. Der hauptsächlichen und ursprünglichen Auf-
gabe der ältesten Holzschnitte, als an die Wand an-
geheftete Andachtsbilder oder sonst als Schmuck zu
dienen, entspricht die großfigurige und großzügige
Formengestaltung, die diese ältesten Denkmäler der
Xylographie trotz ihrer Einsilbigkeit zu den eindrucks-
vollsten Werken des Bilddruckes macht. Die Herr-
schaft der dicken Umrisslinien und die flächenhafte,
unplastische Formbehandlung verschieben das künstle-
rische Schwergewicht auf die Stilisierung, die aber, im
Gegensatze zur rein ornamentalen, der Phantasie des
Betrachtenden den Weg frei läßt, aus den Andeutun-
gen der Formen die Vorstellung der Wirklichkeit aus
der eigenen Erinnerung zu gewinnen. Sie stellen eine
naive und primitive Bildvermittelung dar, wie sie sich
nur aus einer neuen, neue Formen fordernden Technik
entwickeln kann.

Wenn daher auch der älteste Holzschnitt seinen
Stil, das heisst die Art, die Formen zu sehen, natur-
gemäß mit der gleichzeitigen monumentalen Kunst ge-
mein hat, wenn er auch oft die gleichen Darstellungs-
typen benutzt, so ist er doch in der Durchbildung der
Gegenstände und der Formen so selbständig, nur von
seiner eigenen Technik abhängig, daß man unter den
Werken der monumentalen Kunst vergeblich nach un-
mittelbaren Stilparallelen oder gar nach unmittelbaren
Vorbildern suchen wird. Im stärksten Gegensatze zur
späteren Entwicklung des Bilddruckes zu einer vor-
nehmlich reproduzierenden Kunst widerstrebt der älte-
sten, ursprünglichen Technik des Flolzschnittes, wie
der des Kupferstiches, die Nachbildung von Werken
anderer Gestaltungskreise. Künstlerisch ist der Holz-
schnitt dieser ältesten Stilphase also ganz original, weil
er alle Formen, auch die, die er nach der Gewohnheit
der Zeit und nach seiner Aufgabe älteren Typen ent-
lehnt, nach den Erfordernissen seiner Technik frei und

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