DOI Heft:
Hefte 5-9, Februar 1862
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.2243#0018
18
cSZ Wils rin Hrulürlm niclit Alle.-, für:, Mil ilnrt,b^
oder:
Strebe lm du, üiciin du willst, wünschen wirst Meist zn haben.
Politisch-literarischer Carncvalöschwiiidcl mit Benutzung historisier Quellen, in zwei verschiedenen Jahrgängen.
Jahrgang 1848.
Ort der Handlung: Die Redner-Tribüne bei den Zellen i>»
berliner Tbiergartcn.
Temperatur: Angenehm. Klima: 14 Seidel, l Grog.
Der Deutsche,
den wir auf seinen Wunsch auch nennen könnten, besteigt
die Tribüne.
l Gedränge die Mäntel zu zerschneiden oder mit Oleum zu begießen? Für
E diesen Pöbel, der daS alte Jabr damit schließt, nächtliche Hüte anzulreibcn,
und das neue Jabr damit beginnt, die plötzlich Erblindeten in den Rinnstein
zu werscn? Darum „Wehe, wehe!" — Da habe ich ja den Anfang zu
meinem Leitartikel: „Webe, wehe über diese gottlose Zeit!"
Habahaha! Wer lacht da? Ich glaube, ich war cS selber! Johann,
holen Sie mir 'mal da drüben auS der Restauration ein Beefsteak mit Hi
und einen gewärmten Schoppen. Bringen Sie auch etwas Eaviar mit und
I lassen Sie mir 25 Holsteiner aufmachen und einen Schoppen Seet kalt stellen!
Mir ist ganz flau geworden, bei diesem „Wehe, Webe!"
Mü ler.
Kammern ibre
Sch»>k«-
Müller.
Cebolk'-
Müller.
Schalk'-
Malier,
allen nick sür
Schnitze.
Volk von Berlin! Tu hast eine Revolution gemacht! Du bast in dei-
nem Edclmuthe daS Größte übcrtroffcn, was die Geschichte aller Zeiten und
Völker unS überliefert bat! Tu hast —
Eine Stimme aus dem Volke. Ich verbitte mich daS Du! Ich
habe mit dem jcchrten Vorredner noch kccnc Brüderschaft »ich jetrunken!
Der Deutsche isäbii sei» Volk von Berlin, du bist mündig ge-
worden! Tu kannst niemals deine Freiheit wieder verlieren —
Die Volksstimme. Abwarten!
Der Deutsche. Sie ist gesichert —
Volksstimme. Nach Neune, wcnn'S Militär zu Bette ist!
Der Deutsche. Ta liegt er zu Boden gestreckt sür immer, der Pietis-
mus, der PbarisäismuS, der Jesuitismus!
Volks st im me. Wo denn? Ich seh' ihm nick>!
Der Deutsche. Aber ibr dürft deßhalb nicht die Hände in den Schoch
legen, ibr müßt bandeln, handeln —
Volksstimme. Womit?
Der Deutsche. Tenn wer sind die größten Feinde des VclkStbumS?
Wer sind sie?
Volksstimme. Wer sind Sie?
Der Deutsche. Ihr fragt mich, wer ich bin? Ein Sohn dcS
Volkes —
Volksstimme. Sprechstunde von zwee bis acht jute JroschenI
Der Deutsche. Volk von Berlin! Der Bundestag-
Allgemeine Volksstimme. 'runter mit ihm!
Der Deutsche. Nun, meine Herren! Wenn mich daS Vaterland ver-
läßt, so darf eS sich nicht wundern, wenn auch Ich eS verlasse!
ES geschieht, und 14 Jahre gehen spurlos vorüber.
Ter Deutsche kehrt zurück und ist unangenehm übcrascht, daß
der Vorhang
noch immer nicht über dieser Scene
gefallen ist.
Jahrgang 1882.
Ort der Handlung: Das Innere einer Rcaction.
Der Deutsche von I8ti2
(s>«l und ILirchl über einem Scilarlikel. Sr möchle gern einmal den nchligen r°n treffen,
der sich immer verleugnen lag, »der ihm schon srich -uSgeg-ngcn ,st>.
Saure Arbeit daS Heucheln! Und was man dabei mcbr erschwingt, geht
doch drauf, um die innere Sck-am zu ersäufen! Was mich am meisten vor
mir selbst erniedrigt, ist, daß iik schimpscn muß, und aus diesem Gebiet-
gar keine Originalität besitze. Immer und immer wieder -u diesen allen, ab-
gestandenen Gemeinheiten greisen zu müssen, ist mir so demütbizend, daß
wenn ich deS Nachts im Bette daran denke, ich mir vor Schani die Tecke
übers Gesicht ziehe!
Aber imnicrbn! Ich will mich doch lieber zehnmal von einem Sackstiesel
treten lasten, als von einem Miststicsel. Wer kann sich noch sür dieses Volk
begeistern, besten Bravour darin besteht, armen Mädchen und Frauen im
„Webe! Wehe! über diese nichtsnutzige Zeit! DaS Reick des Bösen reich,
bereits von Königsberg bis Victor Emanuel, von den Toasten des Lessingsestes
zu Berlin bis zu den Wasterslicseln Garibaldis. Wobin wir blicken, was
sehen wir" —
Ab, da ist schon das Beefsteak!
— „NicktS als Unbußsertigkcit und Ungehorsam."
Wie sckön glänzest du, o Spiegelei!
— „Tie von Gott eingesetzte Obrigkeit Italiens muß flüchtig werden" —
Wenn mir dein Auge strahlet, o Spiegelei!
„Der heilige Vater" —
Hast du denn keinen englischen Sens mitgebracht, Johann?
— „muß sich unter den Schutz der Zcuave» seines ältesten SohncS stellen,
dieses ältesten SohneS, besten Hand" —
Ack, eS ist noch ganz blutig! So liebt ick daö Beefsteak.
— „besten Hand er nur mit Widerstreben ergreifen kann." —
Famos! Wie sich das Blut von dem Filet mit der Zwicbelbutler
mischt!
„O meine Freunde! WaS soll daraus werden, wenn wir die Vorgänge
Italiens in Deutschland sich wiederholen sehen? Wo bleibt da die alle Liebe
und Treue zu den angestammten Herrscherhäusern, wo bleibt Sitte und Ehr-
furcht, wo bleibt der" —
Johann! Wo bleibt er denn mit dem Eaviar? Ab, daisterschcn!
— „alte deutsche Sinn sür Reckt »nd Ordnung? Aber die Fürsten haben es
sich selbst zuzuschreibcn, wenn sic einen National-Vercin in Deutschland dulden
und begünstigen, besten Feldgesckrei: Wiedergeburt der Völker! besten
Lesung" —
Noch einen Schoppen, Johann!
„Gleichberechtigung sür Alle ist. Immer lockerer werden die Bande, die
'Nation und Regenten zusammen halten, immer lockerer" —
— Ich habe zu rasch getrunken, dieFedcr wird zur Sckwin ge,
zur Gcldschwingc! Hahaha! das war ein Wortwitz, — der
Rothwcin wird zu Tinte! — hahaba — daö soll er ja, wenn er
gut ist, im Munde! — Da bringt schon er den zweiten Schoppen!
„Webe! Wehe! Was soll daraus noch werden, wenn selbst die sturmsesten
Pseiler der alten Wcltordnung zu wanken ansanzen? Wenn Kurhcsten, Han
nover, Mecklenburg und Anhalt Dessau nicht mcbr der allgemeinen Strömung
widerstcben können? Aber, Freunde, laßt deßbalb den Muth nicht sinken! Nock
ist nicht" —
— Aller Eaviar auSgegessen! Da schmeckt ein Trunk daraus —
— „aller Tage Abend! Haben wir nickt noch Nassau? Wiesbaden, ws
man dem Frevler Handschellen anlegt, und wo es dem biedern Bürger wie
dem srommcn Landmann gestattet ist, den Tbalcr des Scheines wie de»
Louisd'or aus den grünen Tisch des Herrn Picard zu legen? Zwar sagte
die „Presse" noch vorgestern, daß wenn die Priesterebe gestattet würde, sich >n
Italien die Zahl der Findelkinder um 80 Proccnt jährlich vermindern würde:
aber" —
— Mir dreht sich alles vor den Augen herum! WaS ist daS? Und
morgen muß doch der Artikel im Volkssreund oder dem konservativen
Volksblatt erscheinen! Mir ist ganz kannibalisch — kann — kann — »w
-Das ist der verdammte Seet! Donnerwetter, ick merke, ich bin des-
Kladderadatsch.
eines interessante
flns-ngs Tktkk
ordnete»!
ein Mandat
Ende Tncniber
Mandat sie
Milte Jannsr I
Lesterunz,
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Politisch-literarischer Carncvalöschwiiidcl mit Benutzung historisier Quellen, in zwei verschiedenen Jahrgängen.
Jahrgang 1848.
Ort der Handlung: Die Redner-Tribüne bei den Zellen i>»
berliner Tbiergartcn.
Temperatur: Angenehm. Klima: 14 Seidel, l Grog.
Der Deutsche,
den wir auf seinen Wunsch auch nennen könnten, besteigt
die Tribüne.
l Gedränge die Mäntel zu zerschneiden oder mit Oleum zu begießen? Für
E diesen Pöbel, der daS alte Jabr damit schließt, nächtliche Hüte anzulreibcn,
und das neue Jabr damit beginnt, die plötzlich Erblindeten in den Rinnstein
zu werscn? Darum „Wehe, wehe!" — Da habe ich ja den Anfang zu
meinem Leitartikel: „Webe, wehe über diese gottlose Zeit!"
Habahaha! Wer lacht da? Ich glaube, ich war cS selber! Johann,
holen Sie mir 'mal da drüben auS der Restauration ein Beefsteak mit Hi
und einen gewärmten Schoppen. Bringen Sie auch etwas Eaviar mit und
I lassen Sie mir 25 Holsteiner aufmachen und einen Schoppen Seet kalt stellen!
Mir ist ganz flau geworden, bei diesem „Wehe, Webe!"
Mü ler.
Kammern ibre
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Cebolk'-
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allen nick sür
Schnitze.
Volk von Berlin! Tu hast eine Revolution gemacht! Du bast in dei-
nem Edclmuthe daS Größte übcrtroffcn, was die Geschichte aller Zeiten und
Völker unS überliefert bat! Tu hast —
Eine Stimme aus dem Volke. Ich verbitte mich daS Du! Ich
habe mit dem jcchrten Vorredner noch kccnc Brüderschaft »ich jetrunken!
Der Deutsche isäbii sei» Volk von Berlin, du bist mündig ge-
worden! Tu kannst niemals deine Freiheit wieder verlieren —
Die Volksstimme. Abwarten!
Der Deutsche. Sie ist gesichert —
Volksstimme. Nach Neune, wcnn'S Militär zu Bette ist!
Der Deutsche. Ta liegt er zu Boden gestreckt sür immer, der Pietis-
mus, der PbarisäismuS, der Jesuitismus!
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Der Deutsche. Aber ibr dürft deßhalb nicht die Hände in den Schoch
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Volksstimme. Womit?
Der Deutsche. Tenn wer sind die größten Feinde des VclkStbumS?
Wer sind sie?
Volksstimme. Wer sind Sie?
Der Deutsche. Ihr fragt mich, wer ich bin? Ein Sohn dcS
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Volksstimme. Sprechstunde von zwee bis acht jute JroschenI
Der Deutsche. Volk von Berlin! Der Bundestag-
Allgemeine Volksstimme. 'runter mit ihm!
Der Deutsche. Nun, meine Herren! Wenn mich daS Vaterland ver-
läßt, so darf eS sich nicht wundern, wenn auch Ich eS verlasse!
ES geschieht, und 14 Jahre gehen spurlos vorüber.
Ter Deutsche kehrt zurück und ist unangenehm übcrascht, daß
der Vorhang
noch immer nicht über dieser Scene
gefallen ist.
Jahrgang 1882.
Ort der Handlung: Das Innere einer Rcaction.
Der Deutsche von I8ti2
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der sich immer verleugnen lag, »der ihm schon srich -uSgeg-ngcn ,st>.
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begeistern, besten Bravour darin besteht, armen Mädchen und Frauen im
„Webe! Wehe! über diese nichtsnutzige Zeit! DaS Reick des Bösen reich,
bereits von Königsberg bis Victor Emanuel, von den Toasten des Lessingsestes
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„Der heilige Vater" —
Hast du denn keinen englischen Sens mitgebracht, Johann?
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dieses ältesten SohneS, besten Hand" —
Ack, eS ist noch ganz blutig! So liebt ick daö Beefsteak.
— „besten Hand er nur mit Widerstreben ergreifen kann." —
Famos! Wie sich das Blut von dem Filet mit der Zwicbelbutler
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„O meine Freunde! WaS soll daraus werden, wenn wir die Vorgänge
Italiens in Deutschland sich wiederholen sehen? Wo bleibt da die alle Liebe
und Treue zu den angestammten Herrscherhäusern, wo bleibt Sitte und Ehr-
furcht, wo bleibt der" —
Johann! Wo bleibt er denn mit dem Eaviar? Ab, daisterschcn!
— „alte deutsche Sinn sür Reckt »nd Ordnung? Aber die Fürsten haben es
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Noch einen Schoppen, Johann!
„Gleichberechtigung sür Alle ist. Immer lockerer werden die Bande, die
'Nation und Regenten zusammen halten, immer lockerer" —
— Ich habe zu rasch getrunken, dieFedcr wird zur Sckwin ge,
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Rothwcin wird zu Tinte! — hahaba — daö soll er ja, wenn er
gut ist, im Munde! — Da bringt schon er den zweiten Schoppen!
„Webe! Wehe! Was soll daraus noch werden, wenn selbst die sturmsesten
Pseiler der alten Wcltordnung zu wanken ansanzen? Wenn Kurhcsten, Han
nover, Mecklenburg und Anhalt Dessau nicht mcbr der allgemeinen Strömung
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— Aller Eaviar auSgegessen! Da schmeckt ein Trunk daraus —
— „aller Tage Abend! Haben wir nickt noch Nassau? Wiesbaden, ws
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Louisd'or aus den grünen Tisch des Herrn Picard zu legen? Zwar sagte
die „Presse" noch vorgestern, daß wenn die Priesterebe gestattet würde, sich >n
Italien die Zahl der Findelkinder um 80 Proccnt jährlich vermindern würde:
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morgen muß doch der Artikel im Volkssreund oder dem konservativen
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-Das ist der verdammte Seet! Donnerwetter, ick merke, ich bin des-
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