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3ir. 31.

Berlin, den 7. Juli 18S7.

XX. Oaljrqang.

WodjcnOfaCenöer.

Montan, dcn 8. Juli.

In Rom versuchen 5000 Priester durch
angestrengtes Zuiammenbclen die Erde zum
Stillstand zu bringe». Und sie bewegt

Tienstag, den 9. Juli.

ER ist sortdauernd mit der Durch-
sübrung großer Princivien zur Vcr-
edclung der Riensebbeil bcichäjtigt. DaS
Resultat ist: Elend, Roth und Tod.

Mittwoch, dcn 10. Juli.

Der Orient nimmt zum ersten Mal die
Wunder des LccidentS in Augenschein. Die
Folge iit ein starker west östlich er —

Mocheu-Zkalender.

Donnerstag, dcn 11. Juli.

Die Panslavisien beschließen, daß die
Russen das gebildetste Bolk der Erde
seien. Die Russen werden durch diesen
Beschluß nicht kluger.

Freitag, den 12. Juli.

Die ewige Fricdens-Aera soll nun
wirklich in Europa beginne». Kanonen und
Steuern bleiben einstweilen im Wachsen.

Sonnabend, den 13. Juli.

Der Einzige, der »och aus seinem Ge-
biet eine sruchlbringende Thätigkeit ent-
saltet, ist und bleibt —

Kladderadatsch.

Hnmoristisch-satyrischeg Wochenblatt.

Tieics Blau erscheint Inglich mit Aiisnabmc der Wochentage. Man : Abonnements Breis iiir Berlin nnd die Brcustischcn Staaten 21 Sgr.
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/er Kaiser sitzt im Rittersaal,

^Zur Seite ihm sein hold Gemahl.

' Der goldne Wein im Becher glänzt;

Doch als der Alundschenk ihn eredenzt,

Ta faßt den Kaiser ein Schauder an:
„Was willst du hier, du blasser Mann?
Was zeigst du mir dein blutig Gewand
lind streckst nach mir die Todtenhand?" -
Und die Wangen der holden Kaiserin
Sich jäh vor Schreck entfärben,

Und der Becher finit zur Erde hin
Und springt in tausend Scherben.

Und einsam geht er in sein Gemach,

Doch bleiben die Augen wüst und wach;

Wohin er saßt, wohin er späht,

Der blutige Schatten vor ihm steht,

Das Haupt mit gülüner Krone geschmückt,

Das Seepter hält sein Arm gezückt:

„So schlafe, .Kaiser, schlaf doch ein!

Nimm hin die Krone, sie sei dein!" —

Der Kaiser wirst sich hin und her:

„Zum Teufel alle Kronen!

Zum Teufel — ich kann nicht schlafen mehr! —
Die verdammten Visionen!"

Der Kaiser winkt der Kaiserin zu:

„Es ist vorbei! Komm', Lieb, zur Ruh!" —

Er wandelt zum Schlafgemach empor;

Da huscht am Vorhang ein Weib hervor,

Die Augen stier, das Haar zerzaust,

Und drohend geballt die hagre Faust.

Sie zeigt eine Rose: „Herrin, sprich!

Kennst du die Rose, und kennst du mich?" —
Da zittert die Kaiserin und spricht:

„Schau dort das bleiche Gerippe!

Fort, fort! Siehst du die Rose nicht? —

Mir graut vor deiner Lippe!"

Und nächsten Tags ruft er zum Ball
Die Schranzen und Odalisten all';

Die kommen herbei, die Fiedel klingt,

Die Tänzer schweben, leichtbeschwingt.

Da plötzlich weht es durch den Saal
Wie giftiger Grabeshauch zumal;

Es tanzt voran der wilden Schaar
Ein bleiches, klapperndes Todtenpaar.

Und wo es naht, schweigt Scherz und Lust;
Doch schaut die Tänzer nur Einer,

Der seufzt und schlägt an seine Brust:

„O Hiinmel, erbarm' dich meiner!"

Äladdemdatsch.
 
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