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Damen - Kladderadatsch.
Aus dem Tageliuche einer hohen Nilreisenden.
(Fortle-ung.)
.Selig sind die Armen, denn ihrer ist da? Himmelreich." Eine
große Rcrscgarderobe aber ist die Hölle! O die Glückliche», die des Morgens
ausstehcn und in ihre Kleider von gestern schlüpfen können! Aber Ich, mit
Meinen beiden Kammerfrauen, inmitten von 17 großen Rcisckoffcrn (den
Messer mit den Orden rechne ich noch gar nicht mit), jede» Morgen
diese Oual der Wahl unter 48 Kupons cordes, 24 jnpons i plis long en
mousseline, 12 jupons nansouk ä volant, 3Gjupons refaits brodes, lSjupons
courts gamis, und 56 jupons long mousseline gamis ilo guipure! O wie
schwer ist cö doch, auf dem Gipfel der Menschheit zu stehen und über daS
LcoS von Millionen entscheiden zu können!
Die Erinnerung an meinen Aufenthalt in Athen, an meine nächtliche
Einfahrt auf dem .Aigle" in den PyräuS wird mir unvergeßlich bleiben.
Das Concert auf der Akropolis, die Illumination dcS TheseuStempelS,
der Pnyx, dcS ArcopagS und des Gefängnisses dcö SoeratcS vcr-
schien mich in klassische Stimmung und riefen das Bild der ASpasia leb-
haft vor meine Seele. Sie konnte sich rühmen, einen PericleS, einen So-
crates gefesselt zu haben! Heut muß man sich mit .den alten Herren"
in Rom und Paris begnügen!
Noch während deS FcuenverkS erhielt ich ein Telegramm von Hause.
Mein Alterchen wünscht, ich möge zur Eröffnung dcS gesetzgebenden
Körpers am 29. November wieder in Paris sein. Die Eröffnung
dieses Körper» wird wohl schon mehr der Section einer Leiche gleichen
und die Verletzung aller edleren Organe und die Enveichung dcS GchirnS
darlegen.
Welches Schauspiel bieten die Franzosen deS 26. OctoberS V! Sind das
die Nachkommen der Bastillenstürmcr, der Sänger der Marseillaise? „Rouher
ist die erste Bürgerpflicht!" scheint ihr jetziger Refrain zu sein!
Mein armer Strohwiltwer an der Seine! Ob er wohl oft an sein
liebes Jenny'chen am Nil denkt? WaS hat der Arme nicht jetzt wieder von
den Witzblättern zu leiden! Der Byzantinische Cultus unserer Höflinge schärst
die Pfeile ihrer Bosheit. So giebt die vor einigen Tagen im Tuileriengarten
ausgestellte Statue deS schlangentödtenden Hercules der Spoltsucht wieder er-
wünschte Gelegenheit, durch die unverkennbare Achnlichkeit in den Zügen mit
meinem kranken Männchen, da» allerdings jetzt nicht in der Lage ist, wie
jener riesige Kraftmensch, mit den fünfzig Töchtern dcS ThcSpioS gleich-
zeitig fünfzig Liaisons dangereuses zu unterhalten. Hon pauvro am!!
Mon pauvro amil Wer wird ihn während meiner Abwesenheit hegen
und pflegen?
.Jennychen, ich möchte waö genießen!" — sagte er noch einige Tage vor
meiner Abreise.
— ..Was denn mein Kind! — fragte ich, — du kannst ja Alles
haben, waS dein Herz begehrt.""
.Doch nicht!" meinte er.
— ..Nun, waS willst du denn? Ein Rebhühnchen? Ein
Schncpschcn? Ein Fasänchcn?"
Nichts da!
— ..Nun, was möchtest du denn genießen?"
.Achtung!"
Mon pauvro amil DaS gibtS nicht für dich.
Bei der Hoftafel deS Grohvezicr» vcntilirte Aal, Pascha die Frage,
warum in heutiger Zeit sich die Völker so sehr darüber freuten, wenn ihre
Fürsten daS Bett hüten müssen. Man gab allgemein als Grund dafür au,
daß die Gesundheit der Monarchen insosern sür Handel und Industrie nach,
thcilig sei, al» durch die fortivätzrenden Fest- und Extrazügc, Paraden,
Revuen, Jagden u. s. s. der öffentliche Verkehr große Stockungen erleide^
und daS Steuerzahlen erschwere.
Meine Adjutanten— meine Reitknechte, meine Stallmeister,
meine Kammcrherrcn sind außer sich, wüthcn und toben. Schon
lange nämlich bemerkten sämmtliche Herren meines GesolgcS, daß sie die
orientalische Bevölkerung mit höhnischen und spöttischen Blicken allerorts be-
gleite, die unanständigsten Gcberdcn und ganz unerklärliche, empörende An-
deutungen machte. Heute bat sich endlich daS Rälhsel durch einen Drazoman
aufgeklärt: Die Türken halten die, mir vom Kaiser milgegebenen Männer
für — Eiinuchcn! — Ländlich, sittlich! Oder vielmehr — unsittlich!
Oder doch — sittlich? Ich will an Offenbach schreiben, er soll mir den
Zweifel lösen.
Die erste Handlung nrcincr Regentschaft soll sein, daß ich mich —
schlagen lasse, — daS heißt mein Brustbild auf alle Münzen! Entzückender
Gedanke, in den Händen von Millionen zu sein!
Zehntausend Eugcnicd'ors werde ich alS Preis auSsihreiben lassen,
für den Forscher, der die Worte männlich und weiblich auS den modemen
Sprachen bringt.
Der erste Paragraph meiner Verfassung wird lauten: Gleichstellung
der Frauen. Die Kinder werden schmerzlos aus die Welt ge-
ES giebt schöne Frauen, die — nur schön sind. ES giebt dagegen Frauen,
deren ganze Erscheinung eine magische Gewalt auf die Männer auSübt, und
diese sind die eigentlichen Herrscherinnen der Welt, denn ihnen wird nichts
abgeschlagen. Und so habe ich mir denn einen ganz artigen Plan sür m,inen
Regierungsantritt auSgedacht. Ich nehme mir nämlich die Gesandten aller
Europäischen Höfe einzeln vcr, labe jeden allein zu einem Diuer ü deux, und
beim Dessert werden Knackmandel-Wetten gemacht, d. h. ich parire ein paar
Millionen, daß Frieden bleibt! Der sich für begünstigt haltende Diplomat
muß auf Krieg wetten, und mich auü Conrtoisic die Wette ge-
winnen lassen. So erhalte ich den Frieden und Millionen zur
Deckung meines Desicito!
Der gute Metternich! Schickt mir einen Walzer, den er mir zu meiner
ägyptischen Reise von dem Wiener Strauß hat componiren lassen:
.An dem schönen, blauen Nil." Ist aber weder schön, noch blau,
sondern schmutzig grün.
Lau du Nil bringe ich als neueste Modefarbe nach Paris mit. Grau-
grün mit Silberflor. Der Faltenwurf aller Anzüge muß lockenden Wasser-
weilen gleichen. Ich habe daher meine Toilette sür Egypten bedeutend
erweitern müssen: 24 jupes garnies de Pyramides, 36 jupcs i la Isis "
Osiris, 12 corsets la Sphinx, 24 corsages decolletes ä la Madame
Potipharo, 24 chemises de nuit entro doux brodes i la Crocodil, 18
pantalons » tuyaux d’Obelisquo. — Aber die Wascht, wcml ich „ach
Hause komme! ' _
Feuilleton,
Hen Süden.
Gen Süden zog auck, dieses Jahr bei Herbstes Nah'» der Vögel Schaar.
Der Kuluk auch ist sortgceilt. Der Kukuk weiß, wo er jetzt weilt. — Gen
Süden zog die Nachtigall, der Fink' und die Genossen all! Dompfaffen
suchen dort Asyl, zu hallen ein vergnügt' Concil. — Der Vogel fliegt gen
Süd und läßt zurück getrost sein leere» Nest: .Mach' sich'S bequem drin,
wcm'S gefällt! Ich bau mir jetzt ein neues Zell!" — Zum Kukuk ging mit
seinem Leid gen Süden auch Goldonkel Heydt, blickttrüb zum alten Neste hin
— sitzt schon ein andrer Vogel drin. — Er denkt: — (so denkt manch Vöglein
auch) — ich fliehe vor de» Winters Hauch-, doch bei der Frühlingslüste Wehn
giebt es ein freudig Wiedersehn. — Und wenn gen Nord der Vogel fliegt
und sid) auf lindrcn Lüsten wiegt, dann find' auch i ch — o Wonne — bald
mein'Nest dort im Kastanicnwald.
3 in Casino.
von Prudclwitz. Heut Abend Lall — sind eingeladen schon? —
Im Ministerium der Finanzen,
von Strudclwiy. Geh' nicht mehr hin; ist mir zu monoton,
Sieht dort nichts als Rheinländer tanzen!
Der Herzog von Genua soll durch die Spanische Nation sür mündig er-
klärt werben. Durch wen und wann die Spanische Nation endlich einmal
mündig gesprochen werde» wird, ist, nach den neuesten kindischen Streichen,
die sie gemacht hat, schwer zu sage». Im Gcgenthelle scheint die Nation
selbst zu verlangen, daß sie — unter Curatel gestellt werke.
Damen - Kladderadatsch.
Aus dem Tageliuche einer hohen Nilreisenden.
(Fortle-ung.)
.Selig sind die Armen, denn ihrer ist da? Himmelreich." Eine
große Rcrscgarderobe aber ist die Hölle! O die Glückliche», die des Morgens
ausstehcn und in ihre Kleider von gestern schlüpfen können! Aber Ich, mit
Meinen beiden Kammerfrauen, inmitten von 17 großen Rcisckoffcrn (den
Messer mit den Orden rechne ich noch gar nicht mit), jede» Morgen
diese Oual der Wahl unter 48 Kupons cordes, 24 jnpons i plis long en
mousseline, 12 jupons nansouk ä volant, 3Gjupons refaits brodes, lSjupons
courts gamis, und 56 jupons long mousseline gamis ilo guipure! O wie
schwer ist cö doch, auf dem Gipfel der Menschheit zu stehen und über daS
LcoS von Millionen entscheiden zu können!
Die Erinnerung an meinen Aufenthalt in Athen, an meine nächtliche
Einfahrt auf dem .Aigle" in den PyräuS wird mir unvergeßlich bleiben.
Das Concert auf der Akropolis, die Illumination dcS TheseuStempelS,
der Pnyx, dcS ArcopagS und des Gefängnisses dcö SoeratcS vcr-
schien mich in klassische Stimmung und riefen das Bild der ASpasia leb-
haft vor meine Seele. Sie konnte sich rühmen, einen PericleS, einen So-
crates gefesselt zu haben! Heut muß man sich mit .den alten Herren"
in Rom und Paris begnügen!
Noch während deS FcuenverkS erhielt ich ein Telegramm von Hause.
Mein Alterchen wünscht, ich möge zur Eröffnung dcS gesetzgebenden
Körpers am 29. November wieder in Paris sein. Die Eröffnung
dieses Körper» wird wohl schon mehr der Section einer Leiche gleichen
und die Verletzung aller edleren Organe und die Enveichung dcS GchirnS
darlegen.
Welches Schauspiel bieten die Franzosen deS 26. OctoberS V! Sind das
die Nachkommen der Bastillenstürmcr, der Sänger der Marseillaise? „Rouher
ist die erste Bürgerpflicht!" scheint ihr jetziger Refrain zu sein!
Mein armer Strohwiltwer an der Seine! Ob er wohl oft an sein
liebes Jenny'chen am Nil denkt? WaS hat der Arme nicht jetzt wieder von
den Witzblättern zu leiden! Der Byzantinische Cultus unserer Höflinge schärst
die Pfeile ihrer Bosheit. So giebt die vor einigen Tagen im Tuileriengarten
ausgestellte Statue deS schlangentödtenden Hercules der Spoltsucht wieder er-
wünschte Gelegenheit, durch die unverkennbare Achnlichkeit in den Zügen mit
meinem kranken Männchen, da» allerdings jetzt nicht in der Lage ist, wie
jener riesige Kraftmensch, mit den fünfzig Töchtern dcS ThcSpioS gleich-
zeitig fünfzig Liaisons dangereuses zu unterhalten. Hon pauvro am!!
Mon pauvro amil Wer wird ihn während meiner Abwesenheit hegen
und pflegen?
.Jennychen, ich möchte waö genießen!" — sagte er noch einige Tage vor
meiner Abreise.
— ..Was denn mein Kind! — fragte ich, — du kannst ja Alles
haben, waS dein Herz begehrt.""
.Doch nicht!" meinte er.
— ..Nun, waS willst du denn? Ein Rebhühnchen? Ein
Schncpschcn? Ein Fasänchcn?"
Nichts da!
— ..Nun, was möchtest du denn genießen?"
.Achtung!"
Mon pauvro amil DaS gibtS nicht für dich.
Bei der Hoftafel deS Grohvezicr» vcntilirte Aal, Pascha die Frage,
warum in heutiger Zeit sich die Völker so sehr darüber freuten, wenn ihre
Fürsten daS Bett hüten müssen. Man gab allgemein als Grund dafür au,
daß die Gesundheit der Monarchen insosern sür Handel und Industrie nach,
thcilig sei, al» durch die fortivätzrenden Fest- und Extrazügc, Paraden,
Revuen, Jagden u. s. s. der öffentliche Verkehr große Stockungen erleide^
und daS Steuerzahlen erschwere.
Meine Adjutanten— meine Reitknechte, meine Stallmeister,
meine Kammcrherrcn sind außer sich, wüthcn und toben. Schon
lange nämlich bemerkten sämmtliche Herren meines GesolgcS, daß sie die
orientalische Bevölkerung mit höhnischen und spöttischen Blicken allerorts be-
gleite, die unanständigsten Gcberdcn und ganz unerklärliche, empörende An-
deutungen machte. Heute bat sich endlich daS Rälhsel durch einen Drazoman
aufgeklärt: Die Türken halten die, mir vom Kaiser milgegebenen Männer
für — Eiinuchcn! — Ländlich, sittlich! Oder vielmehr — unsittlich!
Oder doch — sittlich? Ich will an Offenbach schreiben, er soll mir den
Zweifel lösen.
Die erste Handlung nrcincr Regentschaft soll sein, daß ich mich —
schlagen lasse, — daS heißt mein Brustbild auf alle Münzen! Entzückender
Gedanke, in den Händen von Millionen zu sein!
Zehntausend Eugcnicd'ors werde ich alS Preis auSsihreiben lassen,
für den Forscher, der die Worte männlich und weiblich auS den modemen
Sprachen bringt.
Der erste Paragraph meiner Verfassung wird lauten: Gleichstellung
der Frauen. Die Kinder werden schmerzlos aus die Welt ge-
ES giebt schöne Frauen, die — nur schön sind. ES giebt dagegen Frauen,
deren ganze Erscheinung eine magische Gewalt auf die Männer auSübt, und
diese sind die eigentlichen Herrscherinnen der Welt, denn ihnen wird nichts
abgeschlagen. Und so habe ich mir denn einen ganz artigen Plan sür m,inen
Regierungsantritt auSgedacht. Ich nehme mir nämlich die Gesandten aller
Europäischen Höfe einzeln vcr, labe jeden allein zu einem Diuer ü deux, und
beim Dessert werden Knackmandel-Wetten gemacht, d. h. ich parire ein paar
Millionen, daß Frieden bleibt! Der sich für begünstigt haltende Diplomat
muß auf Krieg wetten, und mich auü Conrtoisic die Wette ge-
winnen lassen. So erhalte ich den Frieden und Millionen zur
Deckung meines Desicito!
Der gute Metternich! Schickt mir einen Walzer, den er mir zu meiner
ägyptischen Reise von dem Wiener Strauß hat componiren lassen:
.An dem schönen, blauen Nil." Ist aber weder schön, noch blau,
sondern schmutzig grün.
Lau du Nil bringe ich als neueste Modefarbe nach Paris mit. Grau-
grün mit Silberflor. Der Faltenwurf aller Anzüge muß lockenden Wasser-
weilen gleichen. Ich habe daher meine Toilette sür Egypten bedeutend
erweitern müssen: 24 jupes garnies de Pyramides, 36 jupcs i la Isis "
Osiris, 12 corsets la Sphinx, 24 corsages decolletes ä la Madame
Potipharo, 24 chemises de nuit entro doux brodes i la Crocodil, 18
pantalons » tuyaux d’Obelisquo. — Aber die Wascht, wcml ich „ach
Hause komme! ' _
Feuilleton,
Hen Süden.
Gen Süden zog auck, dieses Jahr bei Herbstes Nah'» der Vögel Schaar.
Der Kuluk auch ist sortgceilt. Der Kukuk weiß, wo er jetzt weilt. — Gen
Süden zog die Nachtigall, der Fink' und die Genossen all! Dompfaffen
suchen dort Asyl, zu hallen ein vergnügt' Concil. — Der Vogel fliegt gen
Süd und läßt zurück getrost sein leere» Nest: .Mach' sich'S bequem drin,
wcm'S gefällt! Ich bau mir jetzt ein neues Zell!" — Zum Kukuk ging mit
seinem Leid gen Süden auch Goldonkel Heydt, blickttrüb zum alten Neste hin
— sitzt schon ein andrer Vogel drin. — Er denkt: — (so denkt manch Vöglein
auch) — ich fliehe vor de» Winters Hauch-, doch bei der Frühlingslüste Wehn
giebt es ein freudig Wiedersehn. — Und wenn gen Nord der Vogel fliegt
und sid) auf lindrcn Lüsten wiegt, dann find' auch i ch — o Wonne — bald
mein'Nest dort im Kastanicnwald.
3 in Casino.
von Prudclwitz. Heut Abend Lall — sind eingeladen schon? —
Im Ministerium der Finanzen,
von Strudclwiy. Geh' nicht mehr hin; ist mir zu monoton,
Sieht dort nichts als Rheinländer tanzen!
Der Herzog von Genua soll durch die Spanische Nation sür mündig er-
klärt werben. Durch wen und wann die Spanische Nation endlich einmal
mündig gesprochen werde» wird, ist, nach den neuesten kindischen Streichen,
die sie gemacht hat, schwer zu sage». Im Gcgenthelle scheint die Nation
selbst zu verlangen, daß sie — unter Curatel gestellt werke.