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TTTie es kommen wird.

Müller. Also Lohjerber is er jewesen?

Schultze. Wer denn?

Müller. Na, Hasenclever.

Schultze. Ja, hier in die National-Zeitung fleht es. Aber alleweile
nich mehr „betrübter".

Müller. Nee, des find die Anderen in Berlin, denen alleweile die
Felle wegjeschwommcn sind.

Schultze. Des jeschieht fie janz recht. Worum haben fie ihr Fell
nich zu Markte jetragen, wie die Socialdemvkraten! Fünfzig Pro-
ccnt bei die Wahlen, is des nich ne Schande bei die Zeiten?

Müller. So is es. Aber wer den Schaden hat, derf für den Spott
»ich sorjen.

Schultze. Nee, des sollen fie ooch nich!

Herrn Heh. Rath "Magener.

Die Türkei beharrt auf ihrer Weigerung, sämmtliche Forderungen
Rußlands zu erfüllen. Die Confercnz beschließt, der Türkei noch ein
Paar Tage Bedenkzeit zu geben.

Nachdem die Türkei sich noch einmal bedacht hat, erklärt sie, Rußland
habe überhaupt nichts zu sordern. Die Confercnz zieht sich darauf zurück,
um der Türkei Zeit zu ruhigem Erwägen zu lasten.

Die Türkei verlangt mit Entschiedenheit, daß Rußland seine Heere
von den türkischen Gränzen zurückziehe und entwaffne. Die Confercnz
kann nicht glauben, daß Solches im Ernst gemeint sei, und beschließt vor
der Hand ruhig Weiteres abzuwarten.

Das Weitere folgt bald. Die Türkei verlangt, daß Rußland an fie
einen jährlichen Tribut zahle. DieConfcrenz hält eine mehrtägige Sitzung
und kommt zu dem Beschluß, daß dieser Vorschlag indiscutabel sei.

Kaum ist dieses geschehen, so fisllt die Türkei an Rußland die
Forderung, ihr seine Besitzungen am Schwarzen Meer abzutretcn,
widrigenfalls sie dieselben sich mit Gewalt nehmen würde. Die Confercnz
bleibt einige Tage sprachlos mit offenem Munde sitzen.

So rächen sich — o bittre Qualen! —

So rächen sich die alten Sünden.

Schier zwei Millionen sollst du zahlen!
Woher sie nehmen und nicht — gründen?

Auf die Nachricht, daß dem General-Feldmarschall von Manteufsel
die Führung der russischen Armee angeboten sei, soll die Pforte den
General-Feldmarschall Grafen Moltke zum Oberbefehlshaber über das tür-
kische Heer ernannt haben. Wie uns aus weniger gut unterrichteter als
unzuverlässiger Quelle unglaubhaft mitgetheilt wird, soll Moltke bereits
— zugcschwiegen haben.

Wir wisten nicht, ob es der englische oder ftanzösische oder ein anderer
Botschafter gewesen — kurz, Einer der zu Constantinopel versammelten
Herren richtete an Midhat Pascha, als Dieser in der Conferenz die An-
zeige von der Verkündigung der neuen türkische» Verfaffung machte, die
Worte: „Excellcnz" — und dabei blickte er auf den Text der auf dem Tisch
liegenden octroyirten Verfaffung — „Excellenz" — und dabei blickte er die
College» lächelnd an — „Excellenz" — und dabei nickten ihm die Anderen
beifällig zu — „Excellenz, den Schwindel kennen wir!"

Nach einigen Tagen wird die Conferenz auf unerwartete Weise aus
ihrer Erstarrung aufgerüttelt. Midhat Pascha schickt hin und läßt ihr,
der Conferenz, sagen: sie möge aufs schnellste einpacken und Constan-
tinopel verlaffcn, andernfalls er sie in den Bosporus werfen werde. Das
kann und darf die Conferenz sich nicht gefallen lasten. Sie beschließt
sofort alle Verhandlungen abzubrechcn, erhebt sich, geht auseinander und
schifft sich ein. Die Türkei ist ruhig.

Gestützt auf die Zeugniffe eines alten Arztes, welcher sagt: ,yuod
medicina non sanat, sanat ferruin: quod ferrum non sanat, ignis sanat“ —
erlaube ich mir folgende bescheidene Anfrage: Weßhalb bringt man bei der
immer mehr hervortrctenden Fäulniß der Türkei nicht endlich einmal meine
bisher so bewährte antiseptische Salicylsäure in Anwendung, bevor
man zu „korenI»“ und „ignis" greift? Hermannüs Kolbe.

Unsere Orthodoxen sind empört darüber, daß der Director desAquariums
am WcihnachtSfest ein Tannenbäumchen in den Käfig des Gorilla gestellt
hat. Sie schreien über diesen Act, der eine schier sündhafte Nachäffung einer
frommen Sitte sei. Sic sollten sich doch im Gegentheil darüber freuen, daß
der Urahn der Menschheit fromme Sitte und die damit verbundenen
Aepfcl, Rüste und Pfefferkuchen huldreichst angenommen hat.

IfMce umf maMiiftige (ßefdiidifc oom faußftuminm Jofepfi ilioicte.

Zu singen nach der bclanntcn Melodei: »Seine Mutter w

(taubstumm war er, auf dem linken Beine
Lahm und blind beinah nebst Blutgcschwür;
Zwanzig Jahr und länger schleppt er seine
Leiden, bettelnd, ach! von Thür zu Thür.

War bekannt rings als Joseph Riviöre
Bei dem Dorf- und städt'schen Publicum;
Denn man wußte, daß er sich ernähre,

Immer dürft- und hungrig, aber frumm.

Als nach Lourdcs nun ziehen Pilgermasten,
Will Riviere auch mttziehn; doch er muß
Sich auf ftemdem Rücken tragen lasten,

Weil er, zeigt er, taubstumm, schlecht zu Fuß.
Und so kommt er endlich an zu Lourdes,
Unterhosen trug er — Calc^ons —

Wo er allsogieich getragen wurde
Zu dem Fischteich — Vivier de poissons.

Dort nun wird ihm seiner Kleider Plunder,
Rock und Hoj' vom Wirbel bis zur Zeh'
Ausgezogen schnell, damit das Wunder
Der Madonn' von Lourdes an ihm gescheh'.

Und man fleht herab der Jungfrau Gnade,

Und den Kranken senkt man in das Bad,

Das im Herbste manchmal kaum fünf Grade
Röaumur und noch darunter hat.

Seht, kaum taucht er in des Teiches Kühle —
Welches Wunder! — da schreit unverweilt
Er ganz laut: „O laßt mich 'raus! Ich fühle
Plötzlich mich gesund! Ich bin geheilt!"

Und er springt heraus als wie ein Böcklcin,
Singt „Hosiannah" hell und „Kyrie",
Fährt geschwind in seine woll'nen Söcklein,

Und kein Glied mehr thut dem Joseph weh.
Und man reißt die CaleyonS in Stücke,

Und die Pilger theilcn sich darein,

Daß sie andern Kranken noch zum Glücke
Und zu neuen Wunder» dienlich sei'n.

Alles ruft: „Welch göttliches Spcctakel!

Seht nur hin, wer Augyn hat zu sehn!

Und Herr Veuillvt schreibt: „Ein groß Mirakel
Ist auss neu' zu Lourdes heut gescheht,!"

Glocken läuten zu des Wunders Ehre,

Preis erschallt dem heilbeglücktm Mann:

Doch in frommer Demuth nimmt Riviöre
Manches Silber- und auch Goldstück an.

Zieht dann fort; doch als er fortgezogcn,

Kommt ein heidnisch böser Polizist
Und behauptet: „Er hat euch betrogen,

Der nie stumm noch lahm gewesen ist!"
Und der Polizistc — o Verhängniß! —

Faßt Riviere an einem andern Ort,

Und Gensdarmen schleppen zum Gcfängniß,

Ach! den wunderbar Geheilten fort.

Hier nun hat er Alles eingestanden,

Aber fluchend sprach der Pfljficus:

„Laßt mid, frei, und nach den deutschen Landen,
Nach Marpingen laßt mich ziehn zur Buß'!

Und, ich schwör': in deutschen Blättern lesen
Sollt ihr bald — o, laßt miä, pilgern hin! —
Daß ich aller Sünden bin genesen
Und ein leibhaft Gotteswunder bin!"

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