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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Mitarb.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0075
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eingerissen und aus Balken und Brettern Brücken und Treppen und einen vollständigen Verbin-
dungsgang hergestellt, die Rohheit des Werkes durch Tapeten, Vorhänge, Spiegel und Lampen
verdeckend. Das war die zweite, kaum minder angenehme Ueberraschung. Viele Tage sprach
man am Hofe wie in der Stadt von nichts anderem als von dem Theater, welches den Namen San
Carlo erhielt, von dem Corridor, von dem Verdienst, von dem Glücke Carasales. Verhängnissvolles
Lob! Denn die Rechnungen stimmten nicht, die Revisionsbeamten fanden bedeutende Fehler und
der vielbeneidete Baumeister wurde mit Gefängnisstrafe bedroht. Er ging an den Hof, sprach


Das Innere des Theaters San Carlo.

mit dem König, erinnerte ihn an seine Gnade, an den Applaus des Volkes, an die Schönheit
des Werkes, erbrachte in seiner eignen Armuth den Beweis seiner Ehrlichkeit und ging fröhlich
von dannen, weil er im Angesicht des Königs ein Zeichen des Wohlwollens zu entdecken glaubte.
Aber es war nichts, die Beamten wiederholten ihre Anklagen, und bald darauf wurde Carasale
in die Festung Sant’ Elmo abgeführt und eingesperrt, in den ersten Monaten kümmerlich von
seiner Familie, dann auf Staatskosten unterhalten. Er blieb einige Jahre im Gefängniss und starb
daselbst; seine Kinder verloren sich im grossen Haufen der neapolitanischen Armen, und nichts
würde in unseren Tagen von dem Namen des unglücklichen Künstlers übrig bleiben, wenn nicht
das grosse, prunkvolle Theater sein Andenken erhielte.

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