im Lucrinersee an: so (Lacus Lucrinus) heisst ein Salzwassersee oder eine Lagune, die tief
im Hintergründe des Puteolaner Busens gelegen und vom Meere nur durch einen schmalen Streifen
Landes abgetrennt ist; dieser Streifen, dessen Consistenz durch den Ausbruch des Monte
Nuovo viel gelitten hat, war wohl eine natürliche Sanddüne, aber die Tradition lässt ihn vom
Hercules anlegen, welcher die Rinder des Geryon darüber geführt haben soll (Via Herculea).
Auf der andern Seite war der Lucrinersee durch eine Landenge von dem gänzlich verschiedenen
Avernersee getrennt, mit welchem er erst unter Augustus, als Agrippa den Julischen Hafen
(Julius Portus) anlegte, durch einen Canal verbunden ward:
An memorem portus, Lucrinoque addita claustra,
Atque indignatum magnis stridoribus aequor,
Julia qua ponto longe sonat unda refuso
Tyrrhenusque fretis immittitur aestus Avernis?
Virgil, Georgica II, 161 ff.
Dieser, ich meine den Avernersee, der Krater eines erloschenen Vulkanes, stellte ein tiefes Süsswasser-
becken dar, während der Lucrinersee, wie alle Lagunen oder Haffs, ziemlich seicht und eben
deshalb zur Zucht von Austern und andern Schalthieren vorzüglich geeignet war. Sothane Austern-
bänke wurden um einen hohen Schilling verpachtet, und Caesar musste den Pächtern zu Liebe
den Herculesdamm ausbessern, um die Austernparks zu schützen. Nach dem Lucrinersee wurde
der Fusarosee, ein dritter See in der Nähe von Cumae, seiner Austern wegen berühmt, die
Zucht aber hier wieder durch die Aussaat von Miesmuscheln, den sogenannten Vongole zerstört,
während der Lucrinersee heutzutage eine in Neapel beliebte Fischart liefert, die Spigola, einen
Seebarsch, den Lzipus der Römer.
III.
Die Landstrasse führt längs der Küste, zuletzt auf dem den Lucrinersee vom Meere
trennenden Streifen Landes, nach Bajae und Misenum: wir aber, die wir eine Phantasiereise
machen, können, um .von Pozzuoli auf Bajae zu kommen, keine natürlichere Brücke finden, als
die, welche Caligula .vom äussersten Ende des Puteolaner Molo über die Bai nach dem gegen-
überliegenden Strand von Bajae geschlagen hat. Caligula residirte häufig in Bajae, und diese
Brücke war ein Hauptspecimen des kaiserlichen Wahnsinns. Er wollte im Harnisch Alexanders des
Grossen seinen Triumphzug über die Parther darauf halten und den Xerxes übertreffen; bei ihrer
Einweihung liess er das daraufstehende Publikum zum Spass hinunterschubsen. Keine feste,
sondern eine bewegliche Brücke mit einer auf Pontons ruhenden Brückenbahn, mit Erde bedeckt
und daher für Reiter und Wagen passirbar. Solche Schiffbrücken sind ja auch am Rhein, für den
Strassenverkehr in Mainz und Köln, für den Eisenbahnverkehr bei Maxau und Speyer angelegt:
aber man bedenke, dass es sich hier nicht um einen Strom, sondern um einen Meerbusen handelte.
Sueton gibt ihre Länge auf 3600 Schritt an, aber die Distanz, vom Castell von Bajae oder von
der Villa Bauli (welche letztere Dio Cassius als Anfangspunkt bezeichnet) aus gemessen, beträgt
wenig mehr denn zwei römische Miglien, das heisst 2974 m oder, da vier Kilometer etwa eine
Stunde ausmachen, drei kleine Viertelstunden. Ueber eine Rhein- oder Elbbrücke geht man fünf
Minuten. Die Ruinen, die man am Hafen von Puteoli noch sieht und welche beim Volke unter
dem Namen Ponte dz Caligola gehen, sind in Wahrheit sechzehn Pfeiler des Molo.
Bajae, jetzt Baja und ein Dörfchen, in welchem Bauern und Fischer zwischen Ruinen
wohnen und eine verpestete Luft atmen, aber noch heute in seiner Verwüstung und in seiner Stille
ein entzückender Aufenthalt, war das Baden-Baden des Alterthums. Der berühmteste Badeort
150
im Hintergründe des Puteolaner Busens gelegen und vom Meere nur durch einen schmalen Streifen
Landes abgetrennt ist; dieser Streifen, dessen Consistenz durch den Ausbruch des Monte
Nuovo viel gelitten hat, war wohl eine natürliche Sanddüne, aber die Tradition lässt ihn vom
Hercules anlegen, welcher die Rinder des Geryon darüber geführt haben soll (Via Herculea).
Auf der andern Seite war der Lucrinersee durch eine Landenge von dem gänzlich verschiedenen
Avernersee getrennt, mit welchem er erst unter Augustus, als Agrippa den Julischen Hafen
(Julius Portus) anlegte, durch einen Canal verbunden ward:
An memorem portus, Lucrinoque addita claustra,
Atque indignatum magnis stridoribus aequor,
Julia qua ponto longe sonat unda refuso
Tyrrhenusque fretis immittitur aestus Avernis?
Virgil, Georgica II, 161 ff.
Dieser, ich meine den Avernersee, der Krater eines erloschenen Vulkanes, stellte ein tiefes Süsswasser-
becken dar, während der Lucrinersee, wie alle Lagunen oder Haffs, ziemlich seicht und eben
deshalb zur Zucht von Austern und andern Schalthieren vorzüglich geeignet war. Sothane Austern-
bänke wurden um einen hohen Schilling verpachtet, und Caesar musste den Pächtern zu Liebe
den Herculesdamm ausbessern, um die Austernparks zu schützen. Nach dem Lucrinersee wurde
der Fusarosee, ein dritter See in der Nähe von Cumae, seiner Austern wegen berühmt, die
Zucht aber hier wieder durch die Aussaat von Miesmuscheln, den sogenannten Vongole zerstört,
während der Lucrinersee heutzutage eine in Neapel beliebte Fischart liefert, die Spigola, einen
Seebarsch, den Lzipus der Römer.
III.
Die Landstrasse führt längs der Küste, zuletzt auf dem den Lucrinersee vom Meere
trennenden Streifen Landes, nach Bajae und Misenum: wir aber, die wir eine Phantasiereise
machen, können, um .von Pozzuoli auf Bajae zu kommen, keine natürlichere Brücke finden, als
die, welche Caligula .vom äussersten Ende des Puteolaner Molo über die Bai nach dem gegen-
überliegenden Strand von Bajae geschlagen hat. Caligula residirte häufig in Bajae, und diese
Brücke war ein Hauptspecimen des kaiserlichen Wahnsinns. Er wollte im Harnisch Alexanders des
Grossen seinen Triumphzug über die Parther darauf halten und den Xerxes übertreffen; bei ihrer
Einweihung liess er das daraufstehende Publikum zum Spass hinunterschubsen. Keine feste,
sondern eine bewegliche Brücke mit einer auf Pontons ruhenden Brückenbahn, mit Erde bedeckt
und daher für Reiter und Wagen passirbar. Solche Schiffbrücken sind ja auch am Rhein, für den
Strassenverkehr in Mainz und Köln, für den Eisenbahnverkehr bei Maxau und Speyer angelegt:
aber man bedenke, dass es sich hier nicht um einen Strom, sondern um einen Meerbusen handelte.
Sueton gibt ihre Länge auf 3600 Schritt an, aber die Distanz, vom Castell von Bajae oder von
der Villa Bauli (welche letztere Dio Cassius als Anfangspunkt bezeichnet) aus gemessen, beträgt
wenig mehr denn zwei römische Miglien, das heisst 2974 m oder, da vier Kilometer etwa eine
Stunde ausmachen, drei kleine Viertelstunden. Ueber eine Rhein- oder Elbbrücke geht man fünf
Minuten. Die Ruinen, die man am Hafen von Puteoli noch sieht und welche beim Volke unter
dem Namen Ponte dz Caligola gehen, sind in Wahrheit sechzehn Pfeiler des Molo.
Bajae, jetzt Baja und ein Dörfchen, in welchem Bauern und Fischer zwischen Ruinen
wohnen und eine verpestete Luft atmen, aber noch heute in seiner Verwüstung und in seiner Stille
ein entzückender Aufenthalt, war das Baden-Baden des Alterthums. Der berühmteste Badeort
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