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Kleinpaul, Rudolf; Heinrich Schmidt & Carl Günther [Contr.]
Neapel und seine Umgebung: mit 142 Illustrationen — Leipzig: Heinrich Schmidt & Carl Günther, 1884

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https://doi.org/10.11588/diglit.55172#0214
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geschwänzte Affenart, und bis auf den heutigen Tag verstehen wir unter dem aus Kegxo$ und
ni&ipu>$ zusammengesetzten Worte Cercopitheci die Meerkatzen. Weit weniger befriedigt die
Vermuthung des Plinius, dass der Name Pithecusae non a simiarum multitudine, sed a figulinis
doliorum, das heisst, von den grossen thönernen Vasen (Jlittoi) komme, welche man schon im
Alterthum auf Ischia und Procida verfertigte, und soviel wie Töpferinseln sei. Allerdings hat
man am Epomeo, unterhalb der Lava, in 550 ju Höhe einen Thonmergel, die sogenannte Creta
gefunden, aus welchem noch heute Vasen und Töpfe für Neapel gefertigt werden;. aber, abgesehen
von allen sprachlichen Bedenken, war die Erinnerung an die Affen viel zu populär und mit
mythologischen Vorstellungen viel zu fest verknüpft, um eines historischen Grundes zu entbehren.
Daneben heisst Ischia im Alterthum Aenaria und Procida Prochyta. Der Name Aenaria
soll daher kommen, dass Aeneas bei seiner Fahrt von Troja nach Latium an der Insel Ischia
landete und dort Rast hielt (Aenariam appellavere locum, ubi Aeneas classem a Troja veniens
appulit. Paul. Diac. p. 20,8); der Name Prochyta von der gleichnamigen Amme des Aeneas.
Das sind ungeschickte Anlehnungen und volksmässige Erfindungen. Prochyta ist ein unver-
kennbar griechisches Wort (JlQW.v'cf) und bedeutet Schütt — noch heute verrathen die Einwohner
Procidas durch ihre malerische Tracht und ihren edlen Gesichtsschnitt die hellenische Abkunft;
und dieser Name weist eben auf die Phänomene hin, durch welche beide Inseln, wie oben an-
gedeutet, vom Festland losgerissen worden sind. Strabo berichtet, dass viele Jahrhunderte vor
Christus ein gewaltiges Erdbeben die Insel Pithecusa erschüttert habe; infolge davon sei der
Berg Epomeo zu einem Vulkan geworden und der habe das Land zwischen sich und dem Meere
abgestossen, dann sei die Insel in einer heftigen Windsbraut mit glühender Erde überschüttet,
durch einen erneuten Stoss wieder die Fluth darüber getrieben und das Feuer gelöscht
worden: so stark sei das Getöse gewesen, dass sich die Bewohner des Festlands von der Küste
in das Innere Campaniens geflüchtet hätten. Und abermals wurde dann die Insel Prochyta bei
einem Erdbrand von Pithecusa abgerissen, wie Plinius sich ausdrückt, vom Epomeo in’s Meer
gespien, hingeschüttet, ausgegossen.
II.
Procida ist die kleinere der beiden Inseln, 3,5 km lang, aber nicht sehr breit und spitz
zulaufend, etwa von der Gestalt einer Rübe: der Gesammtumfang beträgt 9 km, der Flächen-
raum 14 qkm, die Zahl ihrer Bewohner 13582. Dieselben sind als ausdauernde und muthige
Seeleute bekannt, treiben an der Küste Thunfischfang und an der afrikanischen Küste Korallen-
fischerei. Im Mittelalter gehörte die Insel dem bekannten Giovanni da Procida, dem Hauptanstifter
der sizilianischen Vesper. Ischia, die grössere und überhaupt die grösste neapolitanische Insel, hat
einen Flächenraum von 96,3 qkm und 24550 Einwohner, die sich meist mit Fischfang, Obst- und
Weinbau beschäftigen. Die Hauptorte heissen wie die Inseln selber Procida und Ischia; die Stadt y
oder der Borgo d’Ischia liegt an der Ostküste, hat 6497 Einwohner und einen bedeutenden
Hafen, der durch ein Castell beschützt wird. Das Castello dl Ischia, jetzt Staatsgefangniss, thront
malerisch auf einem 200 m hohen Basaltfelsen und ist nur durch einen niedrigen und schmalen
Steindamm mit dem Ufer verbunden. Bei der Landung wird jeder von dem Anblick überrascht:
der riesige, fast kuppelförmige Fels steigt dicht vor der Stadt und ihren massigen weissen, durch
mächtige Steinbogen gestützten Häusern, steil und kahl aus dem Meere auf, oben auf seiner
Wölbung Ischias alte Kathedrale und sein Castell, eine kleine Stadt mit starken Mauern, viereckigen
und runden Ihürmen, Felsenthoren und flachgedeckten, unregelmässigen Festungsbauten tragend,
eine Insel vor der Insel. Im Hafen streckt hier und da ein ruhendes Marktschiff seine Segel-

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