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eine einzige Perſon die unermeßlichen Reichtümer ſeiner Schätze und
alle jene Gnaden und ſeltenſten Gaben häuft, die er ſonſt in einem
d langen Zeitraum unter viele Einzelweſen zu verteilen pflegt, das
konnte man deutlich ſehen an dem nicht weniger ausgezeichneten als liebens-
würdigen Raffael Sanzio von Urbino. Von der Natur war er begabt mit all
jener Beſcheidenheit und Güte, die man manchmal bei denjenigen gewahrt, die
mehr als andere neben einer gewiſſen feinen natürlichen Bildung den herrlichen
Schmuck einer anmutvollen Freundlichkeit beſitzen, die ſich immer ſanft und gefällig
gegen jedermann und in allen Dingen zu zeigen pflegt. Ihn ſchenkte die Natur
der Welt, als ſie, beſiegt von der Kunſt durch die Hand des Michelangelo
Buonarroti, in Naffael beſiegt werden wollte durch die Kunſt und durch Die
Perſönlichkeit zugleich.“ So beginnt Giorgio Vaſari, der im ſechzehnten Jahr-
hundert das Leben berühmter italieniſcher Künſtler von Cimabue bis auf ſich ſelbſt
beſchrieb, die Lebensbeſchreibung des unſterblichen Meiſters, der die Kunſt der
italieniſchen Renaiſſance auf den Gipfel der Vollkommenheit geführt hat und der
mit dem gewaltigen Michelangelo den höchſten Ruhm teilt, daß ſeine Werke, gleich
den Schöpfungen des klaſſiſchen Altertums, der Nachwelt unübertrefflich gelten.
Am Karfreitag (28. März) des Jahres 1483 erblickte Raffael Santi das
Licht der Welt. Dieſe von Vaſari gemachte Angabe erweckt in bezug auf die
Richtigkeit des Tages einen Zweifel. In Raffaels Grabſchrift wird nämlich die
Übereinſtimmung des Todestages mit dem Tage der Geburt hervorgehoben. Nach
Vaſaris Anſicht iſt damit die Gleichheit der Tage im kirchlichen Feſtjahr gemeint.
Nimmt man dagegen an, daß die Worte der Grabſchrift nicht den kirchlichen Tag
ſondern den Kalendertag meinen, ſo würde der 6. April der Geburtstag Raffaels
ſein. Sein Geburtsort Urbino, am Nordoſtrande der Apenninen in der Mark
Ankona gelegen, unweit der Grenzen von Toskana und Umbrien, war die Haupt-
ſtadt eines kleinen Herzogtums, das dem tapferen und kunſtſinnigen Geſchlecht der
Montefeltro gehörte. Raffaels Vater Giovanni Santi war ein achtbarer Maler,
der ſinnigfromme Heiligenbilder malte; er haͤtte es in ſeiner Jugend mit ver-
ſchiedenen Berufsarten verſucht, ehe er ſich der Kunſt zuwendete; auch eine Reim-
chronik, welche die Taten des Herzogs Federigo Montefeltro preiſt, hat er ver-
faßt. Der Familienname Santi lautete in lateiniſcher Faſſung, wie man ſie nach
der Sitte der Zeit häufig anwendete, Sanctius. Daraus iſt durch Nückübertragung
ins Italieniſche die von Vaſari und nach ihm von vielen gebrauchte, nicht urkunden-
mäßige Namensform Sanzio gebildet worden. Über Raffaels Mutter Magia,
deren Andenken dieſer zweifellos die Anregungen zu ſeinen himmliſchen Madonnen,
den verklärten Schilderungen der Mutterliebe und des Mutterglücks, verdankte,
wiſſen wir weiter nichts, als daß ſie die Tochter eines gewiſſen Battiſta Ciarla
in Urbino war, daß ſie ihrem Gatten außer Raffael noch einen Sohn und eine
Tochter ſchenkte, die beide im frühen Kindesalter ſtarben, und daß ſie ſelbſt ſchon
am 7. Oktober 1491 ſtarb. In dem noch heute ſtehenden Geburtshaufe Raffaels
iſt ein Freskobild von Giovanni Santi erhalten; das Gemälde, deſſen urſprüng-
liches Ausſehen freilich durch ſpätere Überarbeitung getrübt iſt, zeigt die Jungfrau
Maria mit dem ſchlafenden Jeſuskinde, und man glaubt, in diefen Geſtalten Frau
Magia mit dem kleinen Raffael erblicken zu dürfen.
; Giovanni hat ſeinem Sohn jedenfalls nur die allererſten Anfangsgründe der
Kunſt beibringen können; denn nachdem er ſich 1492 zum zweitenmal vermählt
hatte, ſtarb er ſchon am 1. Auguſt 1494. Raffaels eigentlicher Lehrmeiſter war
nach Vaſaris Angaben Pietro Vannucci, genannt il Perugino (geb. 1446, geſt. 1524),
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