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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1852 (Nr. 84-94)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1512#0015
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if die dort verfammelten hochgestellten und eiuflußreichen Männer mach-
rft „und Len damaligen Kronprinzen vonPreußen, unfere«
etzigen KL'nig« Majestät, recht eigentlich begeisterten."
Der König", so entnehmen wir einer desfallstgen gütigen Mittheilung
is Herrn Boisseree, „erinnerte selbst mich im Jahre 1842 noch an jenen
iindruck, den er io Frankfurt empfangen und der sich in anderer Weise
nederholte, alS ich ihn im Sommer 1814 bei seinem ersten Besuche in
m Dom begleitete und ihn überall dis in das Dach hinauf «nd herum
ihrte." „Uuter den Geschäftsmännern, welche von Krankfurt her stetS
ine lebhafte Lheilnahme für den Dom bewährt haben," feHt Herr Boisse-
°e in jener Mittheilung zu, „ist vorzüglich der spa'tere Ministcr Eich-
orn zu »ennen, der damals dem Minister Stein zur Seite stand, und
eld darauf als der erste Rath des Ministers Altenstein und mit Lie-
em sür die Wiederherstellung des Domes eifrig wirkte," Äm 20. Ro-
«mber 1814 erließ Görres in Nr. 151 des „Rheinischen Merkur" sei-
>m energischen Äufruf. „Ein ewiger Borwurf steht LerBau vor unseren
luge», und der Künstler zürnt aus ihm hervor, daß so viele Menschen-
ilter nicht zur Wirklichkeit gebracht, was er allein, ein schwacher sterb-
icher Mann, in seines Geistes Gedanken getragen hat." Jm Sommer
L15 besuchte Göthe von Wiesbaden aus mit Minister Stein den Dom
»id die anderen kölnischen Denkmale, und an diesen Besuch, so wie an
ie Zeit, die er hierauf vor seiner Rückkehr nach Weimar in mehrmonat-
ichem engem Freundes Werkehr mit Boisseree in Wiesbadsn, Frantfurt
md Heidelberg verlebte, knüpfen sich jene schönen Erinnerungen, womit
Söthe im Frühling des Jahres 1816 in sernem ersten Hefte „Ueber Kunst
md Alterthum am Rhein" dre Nativn erfreute.

Während in dieser Weise für die Denkmale der vaterländischen Kunst
lrkenntniß und Nergung in immer weiteren Krersen geweckt u»d gewon-
I!N wurde, war der kölner Dom selbst in Folge jahrhundertlanger
chmählicher Bernachlässigung fast nur noch eine riesenhafte Ruine, und
ie Frage, ob dem schwer bedrohten Werke überhaupt noch zu helfen und
iS zu welchem Maße diese Hülfe auszudehnen sei, harrte fortwährend
jrer praktischen Lösung.

Der Entschluß, diese Lö'sung vorzubereiten und eine demnächst zu fas-
mde Entscherdung herbeizuführen, war einer der ersten Schritte, wodurch
ie Regierung des deutschen Staates, dem die Rheinprovrnz jetzt ange-
örte, die Schätzung und die Sorgfalt bezeichnete, die sie den Jnteresseu
ieser neuen Landestheile zuwandte. Der Geheime Ober-Baurath, spätere
)berlandes-Baudirector Schinkel, die erste technische Äutorität in Preu-
en, erhielt im Laufe des Jahres 1816 den Auftrag, den baulichen Zu-
iand des kölner Domes an Ort und Stelle persönlich zu untersuchen
md dre Resultate seiner Wahrnehmungen und Ueberzeugungen der Staats-
iiegierung zu fernerer Beschlußnahme in gutachtlicher -Berichterstattung dar-
»legen. Jn Kolge dieses Auftrages trafSchinkel gegen Ende Äugust 1816
»Koln ei» und unternahm hier „unter Zuziehung des Regierungsrathes
iiedtel, des Bau-Inspcctors DuschiuS, des Dom-Schieferdeckers und Zim-
urmanns" sofort eine „zweimalige genaue Nntersuchung" des gesammten
)omgebäudeS. Der hierauf von Schinkel erstattete Bericht datirt vom 3.
-sptember 1816. Jn Lie ersten Kage des Geptember 1816 fallen also die
sittschließungen, die für das fernere Schicksal des Werkes von so unbe-
echenbarem Einfluß werden sollten. Was hätte erfolgen mö'gen, wenn
-chinkel sich gegen eine Herstellung der vorhandenen Bautheile ausge-
prochen, wenn er den Fortbau, die endliche Bollendung für unmöglich
rklärt oder die dazu erforderlichen ganz außerordentlichen Anstrengungen
« dem künstlerischen Werth des Werkes außer Berhältniß erachtet, wenn
r der Staats-Regierung abgerathen hätte, auf ein Unternehmen ein-
igehen, das in jedem Falle kostspielig und weitaussehend wie nicht lercht
in anderes war, und über dessen ÄuSführbarkeit und Räthlichkeit die
rheblichsten Bedenken bestehen konnten und, wie der Schinkel'sche Be-
icht selbst nahe legt, «irklich bestanden!

Der bauliche Austand des Domes, wie ihn Schinkel in seinem Berichte
«m 3. September 1816 schildert, muß noch jetzt in der Nachempfindung
-chrecken erregeu. Einzelne Züge aus dieser Schilderung mö'gen dafür
«sreichen. „Dre Zerstörung des Dachgewö'lbes ist hö'chst gefährlich
eworden, der grö'ßte Lheil der Balken und Sparrenköpfe ist ver-
ault, und überall ein Sinke» und Brechen deS Hängewerks" einge-
reten. Die „zur Berhütung eineS nahen Unglücks gegen die Wände des
)omes früher angebrachten Streben haben da« Uebel nur noch weit
chlinimer gemacht, indem die Aerstörung der Seitenmauern durch den Druck
er Streben auf Einen Punct nicht ausbleiben kann." „Bei den Ber-
"chen, die vor Schinkel'S Äugen gemacht werden, daS Abfließen des
Laffer« aus den Rinnen in die Dachflächen zu bewirken, zeigt sich eine
»llige Destruction der Strebebogen; das Waffer dringt durch
ile Steinfugen." „Sowohl die sämmtlichen betreffenden Mauertheile
ls selbst die ganze Schieferbedeckung und die Bleiröhren sind wie die
Äseu einer feuchten Grotte mit dickem, grünem Moos überzogen."
Die G-fahr dieses Zustandes wird jedem klar »erden, der sich nur eini-
sr Maßen einen Begriff machen will von dem Ausammenhange eines
»basdes dieser Ärt. Die Kühnheit de« Baues besteht einzig und allein
arch das richtige Gegengewicht der gegen einander strebenden Kräfte,
ere» jede am rechten Orte wirkt, und wo erne einzige weggenvmmen,
fs ganze System zerstd'rt. Hiernach kann man die Folgen berechnen, wenn
schon sehr zertrümmerten, gegen den Druck des hohen Ehorgewölbes
Wedrachten Strebebogen einstürzen sollten, wozu die Mö'glichkeit
aglich vor Äugen liegt. Nun ist die große Masse deS Wassers,
s-lche i» den Winkel» zusammenkommt, bei den sehr beschwerlichen Äb-
affen von einer so bö'sen Wirkung, daß die schrecklichsten Fvlgen
?»» im Jnnern des Domes davon sichtbar werden und
>e Gefahr über daS ganze Gebäude verbreitet wird." „Bei
? ^egnichten Lage kann man sich davon überzeuge», wie das Wasser
»rch die Gewölbe der Rebenschiffe vor die Ältäre hinträufelt, längs Len
ffmern deS hohen Chores heruntergleitet und Lberall Fänlniß der
^auern erzeugt. Ein ungünstigeS Jahr, wie Las jetzige, thut einen
»dettchenbaren Schaden an einem Gebäude in diesem Zustande- Äber
ls. schrecklichsten Folgen hat der Winter, wenn man bedenkt, daß die mit
rasse augefüllten Fugen der Eteine, welche sich das Waffer schon gesucht,
»rch deu Frost aus einander gesprengt werden; wenn die unzählige Menge

der Äbleitungs-Canäle durch Schuee gefullt, verstopft werden «nd ebenfallS
gefrieren, wenn die tiefe» Gchlüchte auf den Schieferdächern mit Schnee
hoch angefüllt sind." Der Austand deS Gebäudes wird schließlich dahin
constatirt, daß, „wenngleich Niemand mit Gewißheit zu bestimme» ver-
mag, wann eiu bedeutendes Unglück am Dome geschehen kann, es doch
Jedem klar vvr Äugen liegt, daß die Beranlassungen in grö'ßterMenge
vorhanden sind, wodurch sich diese Mö'glichkeit in jedem Äugenblicke"
verwirklichen kann.

Einem solchen Austande gegenüber hatte Echinkel jetzt seine Entschlie-
ßung zu suchen, und er zögerte nicht, sich mit der festesten Entschloffen-
heit für die Erhaltung, Len Fortbau und die Bollendung des kölner Do-
mes auszusprechen. Es bedarf keines näheren Nachweises. wie hochbedeu-
tend dieser Äusspruch für das Werk war, zu dessen Gunsten er gegeben
ward; aber von nicht minderer Bedeutung erscheint er auch für den per-
sönlichen Werth des Maunes, von dem cr ausging. Wir geben seine»
Äusspruch hier in wortgetreuem Äuszuge:

„Was man übiigens", so fährt Schinkel fort, nachdem er daS zur schleuni-
gen Abhülfe der gefahrlichsten Uebel einzuschlagende Verfahren im Einzelnen dar-
gelegt, als Minimum der nächsten Aufgabe wenigstens die Vollendung des Ge-
bäudes im Jnnern mit einstweiliger, ganz roher Ausführung der dazu nothwen-
digen äußeren Theile, bczeichnet, und dabei auf die Hülfe des Herrn Sulpij
Boifferee, „der mit eincm tiefcn Ernst diesen Gegenstand ganz erschöpft"
habe, hingewiesen, „was man übrigenS über den Beruf unserer Zeit zum
Fortbau dcs Domcs in Köln und über die Zwcckmäßigkci't eines solchen Un-
ternchmens, abgesehsn von der Nothwendigkeit desselben in Beziehung auf
die Erhaltung des Vorhandenen, in Betracht ziehen mag, so dleidt es doch
gewiß, daß es der neuen Zeit an großen Kunstaufgaben dieser Act, wodurch
doch allein die wahre Kunst bestehen kann, ga'nzlich mangelt; überall hat uns
die Vorzeit zu viel hinterlassen, und ... wir arbeiten nun schon cin halbes
Jahrhundert an der Vernichtung dieses Ecbkheils mit einec so barbarischen
Planmäßigkeit, daß wir die planlose Barbarei von Attila'S Zeit im großen
Wetteifer schon längst hinter uns zurückgelassen haben.

„Wenn aber die Aufgaben füc die Kunst zufällig sich fänden, so würden
wir in dem Zustande, wie wir noch smd, höchstens uns als gute und ver-
ständige Nachahmer der Vorzeit zeigcn können, und noch krineswegs gewür-
digt sein, von einem Genius begünstigk zu werden, der uns wahrhaft schöpfe-
risch machte, wie es die Griechm waren und die Vorfahren in unserem Va-
terlande.

„Zn einem solchen Zustande scheink die würdigste Bestimmung des Men-
schm: mit aller Sor^fait dasjmige zu erhalten, was die Krast eines fcüheren
Geschlechtes uns hinterließ, und welches wir nichl ohne Ehrfurcht betrachten
können, und es liegt ein Trost dacin, mit einer «hrenvollen Thä'tigkeit über
eine Aeit hinweg zu kommen, die so wmig Veranlaffung zu ciner genügm-
dm Wirksamkeit dieser Arl gibt. Was flch übrigms an technischer Geschick-
lickkeit bei einrm solchen Unternehmm entwickelt, und ob nichk während der
Beschästigung mit einem so würdigm Gegmstande ein neues Licht am er-
sten aufgehen könne, wäce besonders in Ueberlegung zu ziehen; daß uns aber
Lie Nachwelt siic das Bemühen, ein groß angefangenes Werk ihr voll-
stä'ndig zu übecliefern, Dank wissen wird, ist nicht in Zweifrl zu ziehen; sie
würde uns aber weit mehr noch als die Gegenwart verdammen, wenn durch
unsere Fahrlässigkeit ein Werk diesec Art zu Grunde gehen sollte."

^'Eben so entschieden. wie Schinkel für den unverzüglichen Beginn der
Sicherungs- nnd Herstellungs-Arbeiten am köluer Dom hier zuerst und
mit so glücklichem Erfolge seine Strmme erhebt, ist er später, neun Jahre
nachher. in einem zweiten. dem Mrnister Altenstein erstatteten ansführ-
lichen Berichte vom 28. Juni 1825, für die muthige Fortsetzung dieser
Ärbeiten noch einmal ausgetreten; so wie er denn überhaupt bis zu sei-
uem Lode dem Werke, das er einmal alS groß und herrlich erkannt
hatte, rn reger Lheilnahme fortwährend zugethan geblreben ist. Äls auf
ein äußerst ansprechendes Zeiche» dieser Lheilnahme möchteir wir zum
Schluffe noch auf die Zeichnung der reizenden Litel-Vrgnette hinweiserr,
wonüt der geniale Künstler, indem er uns hier die Stadt Köln und ihre
Umgebung in dem reinen Spicgel sernes glücklichen Auges zcigt, daS
Boisseree'sche Prachtwerk so sinnig zu schmücken wußte *) **).

Köln. 24. Äprrl 1852. Blömer.

*) Schinkel, geboren am 13. März 1781 in dem märkischen Städtche»
Neuruppin, starb zu Berlin im October 1841. Eine dem Werstorbe-
nen bald nachher gewidmete Lffentliche Erinnerung wird mit folgeu-
den Worten eingeleitet: „ÄlS wir die irdifchen Ueberreste rinsereS
Schinkel zur Ruhe bestatteten, da bewies der lange Aug aller, die
sich zur Kunst bekenneu mrd fie zn ehre» wiffen, die Größe des Ver-
lustes, den wir betrauern. Dieses Gefolge galt nicht dem Range, de»
der Derewigte bekleidete, es galt auch nicht bloß dem ruhmvolle»
Ärchitekten, sondern lebhafter alS je wnrde gefühlt, daß der beschei-
dene Mann der Haltpnnct und die Seele nnserer heimischen Kunst
gewesen, daß er mit stiller Gewalt viele Kräfte getrage» und ver-
einigt. Seine hohe Künstlerbegabung, sein reicher Genius konnte im
Grunde nur Wenigen anschaulich sein, aber die Gediegenheit seines
Strebens und seiner ganzen Natur, der Ädel und die Milde seineS
Wesens forderten von Ällen den Aoll der Ächtung uud Lrebe, und
dies war es, was Hunderte versammelte, um den GrabeSzug deS eiu-
sachen ManneS so feierlich zu machen." (Karl Friedrich Schinkel und
der neue Berliner Dom, von O. F. Gruppe. Berlin, 1843, im
Verkage ber C. G. Lüderitz.X

**) Ueber die Kntstehung und die Auffassung dieseS auSgezeichneten Kunst-
blatteS gibt die folgende Steüe au« einem Briefe Schinkel'S aa
Boisseree vom 28. Juli 1817 nähereu Aufschluß: „An diefer Erho-
lung — einer vorhergegangenen Maireise — hatte ich einige freund-
liche Arbeiten bestimmt, zs welche» anch die Jhnen so lange ver-
sprochene Änsicht der Stadt Köli, als Litel-Bignette des DomwerkS
gehörte. Sre erhalten demnach hierbei dicse Änflcht, der ich eine
freundschaftliche, nachsichtige Änfnahme wünsche. Meine Abstcht daber
 
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