9. «WEIBERMACHT»
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was sich nicht oft belegen lässt, aber ursprünglich gewiss häufig der Fall war - die
Bilder zyklisch gruppiert erscheinen: Bilderfolgen von gleichem Format und gleicher
Provenienz (s. Nr. 469), Graphik-Folgen (wie die bei Nr. 471 genannten Holzschnitte
von Hans Burgkmair und die bei Nr. 480 zitierten Holzschnitte von Lucas van
Leyden) oder in verschiedenen Räumen sinnreich gruppierte Wandmalereien. Die
von Cranach und schon von seinen Hofmaler-Vorgängern (Barbari u. a.) ausgeführten
oder wenigstens entworfenen Wandmalereien, Tapisserien, dekorativen Reliefs usw.
sind nur noch durch Abrechnungen und einzelne Beschreibungen überliefert. Aus
einer 1507 publizierten Beschreibung des Wittenberger Schlosses haben wir oben
(S. 213f.) einige Themen-Zusammenstellungen wiedergegeben. Charakteristisch ist
die teils bunte, teils systematische Mischung von Exempeln der heroischen Tugend
und der Liebesgeschichten, wobei das Heroische mehr den öffentlichen, das Erotische
mehr den privaten Räumen vorbehalten war. Zum Beispiel befanden sich in den
Zimmern der verstorbenen Sophie, Gemahlin des Herzogs Johann von Sachsen (vgl.
Nr. 596f.), nach dem Bericht des Magisters Andreas Meinhard (1507) «fast unzählige
Geschichten von ehelicher Liebe, von der Treue der Frauen gegen die Männer, von
Sittsamkeit, von Keuschheit und, um mit wenig Worten alles zusammenzufassen, von
fast allen Tugenden und Lastern überall in bildlicher Darstellung angebracht»
(G. Bauch, in: Repert. f. Kunstwiss., XVII, 1894. S. 432). Dem Herzog Johann hielt
man Darstellungen, die mit etwas mehr Tragik, Wildheit und Lasterhaftigkeit gewürzt
waren, die aber nichtsdestoweniger als Exempel moralisiert waren, für angemessen. In
seinem Schlafzimmer war die Geschichte von Pyramus und Thisbe in ausführlicher
Bilderfolge zu sehen, daneben folgendes: «Hier werden Kaufleute von Räubern
beraubt und an Stricken aufgehängt. Dort wird der an den Haaren hängengebliebene
Absalon von den väterlichen Dienern abgetan. Hier wird David, der auf dem Throne
die Harfe spielt [auf Cranachs späteren Darstellungen spielt er die Harfe auf einem
Turm-Balkon seines Palastes mit Blick in den Garten. Nr. 474f.] und Bathseba
Schenkel und Füsse waschen sieht, von Liebe zu ihr ergriffen. Hier wird ein greiser
Liebhaber von einem Narren verspottet [vgl. Nr. 462ff.]. Jener Jüngling aber wird von
einem Freunde hintergangen» (Bauch, a.a.O., S. 431). Ausdrücklich als Beispiele
dafür, «dass einst die Frauen alles vermochten», war 1513 von L. Cranach auf dem
Brautbett des Herzogs Johann dargestellt: Salomos Götzendienst (Bild Cranachs bei
Nr. 469 erwähnt), Herkules im Dienst der Königin Omphale (vgl. Nr. 473), ausserdem
Cupido als Löwenbändiger, Venus und Cupido. das Urteil des Paris, Lukretia u. a. -
also weitere Gestalten und Geschichten, die in den Augen der Zeitgenossen mit dem.
«was Frauen alles vermochten» oder wie die Übermacht der Liebe und der Triebe auf
komische und tragische Weise wirkt, zusammenhängen, die wir hier aber aus der
Gruppe der «Weibermacht»-Bilder abgetrennt haben (Quellen und Literatur zur
Ikonographie der «Weibermacht», der «Weiberlist» oder der «Liebestorheiten» und
der «Minnesklaven»: s. Lexikon d. christl. Ikonogr., III. 1971. Sp. 269f.: RDK, I, 1937,
Sp. 1030; ein drastisches Beispiel: 1534 verfasste der Nürnberger Hans Sachs ein
Spruchgedicht «Die vier trefliche menner sampt ander vilen, so durch frawenlieb
betrogen sind und noch betrogen werden», nämlich Simson durch Delila, David
durch Bathseba [Betrug?], Salomo durch eine seiner heidnischen Frauen und Aristote-
les durch Phyllis, in vier Holzschnitten von Peter Flötner illustriert: H. Röttinger,
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was sich nicht oft belegen lässt, aber ursprünglich gewiss häufig der Fall war - die
Bilder zyklisch gruppiert erscheinen: Bilderfolgen von gleichem Format und gleicher
Provenienz (s. Nr. 469), Graphik-Folgen (wie die bei Nr. 471 genannten Holzschnitte
von Hans Burgkmair und die bei Nr. 480 zitierten Holzschnitte von Lucas van
Leyden) oder in verschiedenen Räumen sinnreich gruppierte Wandmalereien. Die
von Cranach und schon von seinen Hofmaler-Vorgängern (Barbari u. a.) ausgeführten
oder wenigstens entworfenen Wandmalereien, Tapisserien, dekorativen Reliefs usw.
sind nur noch durch Abrechnungen und einzelne Beschreibungen überliefert. Aus
einer 1507 publizierten Beschreibung des Wittenberger Schlosses haben wir oben
(S. 213f.) einige Themen-Zusammenstellungen wiedergegeben. Charakteristisch ist
die teils bunte, teils systematische Mischung von Exempeln der heroischen Tugend
und der Liebesgeschichten, wobei das Heroische mehr den öffentlichen, das Erotische
mehr den privaten Räumen vorbehalten war. Zum Beispiel befanden sich in den
Zimmern der verstorbenen Sophie, Gemahlin des Herzogs Johann von Sachsen (vgl.
Nr. 596f.), nach dem Bericht des Magisters Andreas Meinhard (1507) «fast unzählige
Geschichten von ehelicher Liebe, von der Treue der Frauen gegen die Männer, von
Sittsamkeit, von Keuschheit und, um mit wenig Worten alles zusammenzufassen, von
fast allen Tugenden und Lastern überall in bildlicher Darstellung angebracht»
(G. Bauch, in: Repert. f. Kunstwiss., XVII, 1894. S. 432). Dem Herzog Johann hielt
man Darstellungen, die mit etwas mehr Tragik, Wildheit und Lasterhaftigkeit gewürzt
waren, die aber nichtsdestoweniger als Exempel moralisiert waren, für angemessen. In
seinem Schlafzimmer war die Geschichte von Pyramus und Thisbe in ausführlicher
Bilderfolge zu sehen, daneben folgendes: «Hier werden Kaufleute von Räubern
beraubt und an Stricken aufgehängt. Dort wird der an den Haaren hängengebliebene
Absalon von den väterlichen Dienern abgetan. Hier wird David, der auf dem Throne
die Harfe spielt [auf Cranachs späteren Darstellungen spielt er die Harfe auf einem
Turm-Balkon seines Palastes mit Blick in den Garten. Nr. 474f.] und Bathseba
Schenkel und Füsse waschen sieht, von Liebe zu ihr ergriffen. Hier wird ein greiser
Liebhaber von einem Narren verspottet [vgl. Nr. 462ff.]. Jener Jüngling aber wird von
einem Freunde hintergangen» (Bauch, a.a.O., S. 431). Ausdrücklich als Beispiele
dafür, «dass einst die Frauen alles vermochten», war 1513 von L. Cranach auf dem
Brautbett des Herzogs Johann dargestellt: Salomos Götzendienst (Bild Cranachs bei
Nr. 469 erwähnt), Herkules im Dienst der Königin Omphale (vgl. Nr. 473), ausserdem
Cupido als Löwenbändiger, Venus und Cupido. das Urteil des Paris, Lukretia u. a. -
also weitere Gestalten und Geschichten, die in den Augen der Zeitgenossen mit dem.
«was Frauen alles vermochten» oder wie die Übermacht der Liebe und der Triebe auf
komische und tragische Weise wirkt, zusammenhängen, die wir hier aber aus der
Gruppe der «Weibermacht»-Bilder abgetrennt haben (Quellen und Literatur zur
Ikonographie der «Weibermacht», der «Weiberlist» oder der «Liebestorheiten» und
der «Minnesklaven»: s. Lexikon d. christl. Ikonogr., III. 1971. Sp. 269f.: RDK, I, 1937,
Sp. 1030; ein drastisches Beispiel: 1534 verfasste der Nürnberger Hans Sachs ein
Spruchgedicht «Die vier trefliche menner sampt ander vilen, so durch frawenlieb
betrogen sind und noch betrogen werden», nämlich Simson durch Delila, David
durch Bathseba [Betrug?], Salomo durch eine seiner heidnischen Frauen und Aristote-
les durch Phyllis, in vier Holzschnitten von Peter Flötner illustriert: H. Röttinger,