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Koepplin, Dieter; Falk, Tilman; Cranach, Lucas [Ill.]
Lukas Cranach: Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphik ; Ausstellung im Kunstmuseum Basel 15. Juni bis 8. September 1974 (Band 2) — Basel, Stuttgart, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.10454#0018
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444

IX. Katalog der Nummern 288-658

Bei der Betrachtung der religiösen wie auch der profanen darstellenden Kunst
Cranachs galt das erste Interesse der Zeitgenossen dem Thema und den thematischen
Bezügen des Bildes (vgl. Nr. 476), gefolgt vom Interesse an der Wahrhaftigkeit der
Darstellungsweise (hier erst kommt Formales ins Spiel, aber immer noch vermischt
mit dem thematischen und halbwegs literarischen Gesichtspunkt). Die Zusammen-
stellung des Materials in diesem Katalog folgt solchem zeitgenössischen Interesse an
der Cranachschen Kunst. Im zweiten Band des Kataloges gliedern wir die Werke nach
einzelnen Themenkreisen: 16 Gruppen. In den kurzen Einleitungen zu den Themen-
gruppen wird auf jene Werke Cranachs und seiner Zeitgenossen gelegentlich zurück-
geblendet, die im ersten Band des Kataloges bereits erwähnt sind.

Der erste Katalog-Band verbindet Ikonographie mehr oder weniger mit der
zeitlichen Stilentwicklung Cranachs. Im zweiten Band musste dieses Prinzip aus
praktischen Gründen einer ikonographischen Systematik geopfert werden, bei der das
Element der Zeitbedingtheit, die beim ikonographischen Gehalt eigentlich ebenso
wichtig ist wie beim Form-Stil (eine Ganzheit bildend), weitgehend unberücksichtigt
bleibt. Immerhin wird auch vom «Zeitstil der Ikonographie» bei bestimmten ge-
schlossenen Komplexen (z. B. bei der Gruppe 10 «Wilde Leute und Verwandtes»)
notwendigerweise die Rede sein.

Eine Überbetonung der Ikonographie ergibt sich vielleicht darum, weil auf
diesem Gebiet vieles Elementare nachgeholt werden musste, was die Cranach-
Spezialisten liegengelassen oder in ihr Cranach-Bild nicht integriert haben. Integra-
tion wäre eine nächste Aufgabe.

1. Schmerzensmann und Erlöser (Nr. 288-309)

Der Themenkreis «Schmerzensmann und Erlöser» - Jesus in seinem Tod und in
seiner Auferstehung (wie auch in seinem späteren Gericht) - ist in Cranachs Epoche
selbstverständlich nichts Neues, ist im Gegenteil mit theologischer und künstlerischer
Geschichte voll befrachtet. Besonderes Interesse verdient es darum, weil sowohl
Luther und seine Anhänger als auch die Altgläubigen möglichst viel davon für sich zu
beanspruchen und formal-ikonographisch auszubauen versucht haben. Die Konkur-
renz und Verzahnung würden eigentlich eine eingehende Untersuchung verlangen.
Beim Thema des «Schmerzensmannes» war den zeitgenössischen Bildbetrachtern
nicht nur die biblisch-historische Abfolge der Ereignisse, sondern fast mehr noch die
theologische Ganzheit des von Gott beschlossenen Geschehens bewusst. Über diese
Ganzheit und über die Gewichtung des Einzelnen darin disputierten Augustin, Luther
und die anderen Theologen, die an der kirchlichen (und weltlichen) Geschichte Anteil
hatten.

Der «Schmerzensmann» («Unseres Herrn Jesu Barmherzigkeit» heisst es in einer
Abrechnung Cranachs von 1514) ist eine spätmittelalterliche Bildprägung, die kein in
der Bibel erzähltes Geschehen wiedergibt (abzusetzen von der immerhin verwandten
 
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