GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG
Das Wegekreuz
Als im Jahre 779 Papst Leo III den Wunsch aussprach, man möge an Wegeecken
Kreuze errichten1, war diese Anordnung die verchristlichte Fortführung eines be-
reits bei den Germanen vorhandenen Brauches, Totensteine an Wegekreuzen oder
Wegegabelungen aufzustellen. Ursache dieser Gewohnheit war die Annahme, daß
die Seelen der Verstorbenen, die mit diesem Gedenkstein in Verbindung gebracht
wurden, solche Straßenkreuzungen deshalb besonders bevorzugten, weil hier Wo-
dan, der wilde Jäger, mit seinem Heere vorüberzog. In den nördlichen Ländern,
wie auf Bornholm und in Skandinavien, galten die Bautasteine, Gedenksteine in
der hohen Gestalt der Menhire, als Sitz der Toten2,
Bei uns finden sich oft an den Straßenrändern stark verwitterte, zum Teil mit Sym-
bolen versehene Kreuze und Steine. Meist sind es Sühnekreuze. Die Aufstellung
solcher Kreuze ist aus den religiösen Anschauungen der indoeuropäischen Völker
hervorgegangen. Nach altgermanischem Glauben ließen sich Gottheiten bei ihrem
Niedersteigen zur Erde mit Vorliebe in Bäumen (Esche Ygdrasil, Donareiche) und
Baumsäulen (Irminsul) nieder, doch wohnten sie auch in Felsen, Quellen und Seen.
Aus der Art der Bestattung der Toten schließt man auf einen Glauben an ein Fort-
leben der Seele schon in ältester Zeit. Gewisse Grabbeigaben lassen einen Glau-
ben, daß die Seele sich erst noch einige Zeit in Nähe des Grabes aufhalte, ehe sie
ins Totenreich geht, vermuten. Wie von den Göttern, so nahm man auch von den
Seelen an, daß sie vornehmlich in emporragenden Steinen wohnten, wohl deshalb
auch, weil Steine den Vorzug der Dauerhaftigkeit besitzen. Nach uraltem Glauben
fanden die Seelen der Menschen, die eines unnatürlichen Todes gestorben waren,
keine Ruhe. Glaubte man, eine solche Seele festgestellt zu haben, so errichtete
man ihr einen Stein am Wege.
Nach Einführung des Christentums war die Kirche bestrebt, den alten Kult durch
neue Formen zu ersetzen und mit anderem Inhalt zu erfüllen. Es wurde angeord-
net, daß das Sühnekreuz die Form eines christlichen Kreuzes haben müsse. Ja, die
Kirche verpflichtete, wie dies aus alten Sühne Verträgen hervorgeht, Mörder zur
Errichtung von Kreuzen. Erst als um die Zeit der Reformation die weltliche Be-
strafung der Mörder erfolgte, verblaßte der alte Totenkult und die Errichtung die-
ser Kreuze hörte auf. Noch im 13. Jahrhundert waren Kreuze an den Orten aufge-
stellt worden, wo die Leichenträger hielten. Diese Sitte ist bereits im 8. Jahrhun-
dert für Bonifatius bezeugt. An den Stellen, an denen sein Sarg auf dem Transport
von Mainz nach Fulda niedergesetzt worden war, wurden Kapellen errichtet, die
letzte zu Kleinheiligkreuz, einige Wegestunden vor Fulda. Der Brauch jedoch,
ein Kreuz oder einen Bildstock, im Süden des Reiches Marterl genannt, an der
Das Wegekreuz
Als im Jahre 779 Papst Leo III den Wunsch aussprach, man möge an Wegeecken
Kreuze errichten1, war diese Anordnung die verchristlichte Fortführung eines be-
reits bei den Germanen vorhandenen Brauches, Totensteine an Wegekreuzen oder
Wegegabelungen aufzustellen. Ursache dieser Gewohnheit war die Annahme, daß
die Seelen der Verstorbenen, die mit diesem Gedenkstein in Verbindung gebracht
wurden, solche Straßenkreuzungen deshalb besonders bevorzugten, weil hier Wo-
dan, der wilde Jäger, mit seinem Heere vorüberzog. In den nördlichen Ländern,
wie auf Bornholm und in Skandinavien, galten die Bautasteine, Gedenksteine in
der hohen Gestalt der Menhire, als Sitz der Toten2,
Bei uns finden sich oft an den Straßenrändern stark verwitterte, zum Teil mit Sym-
bolen versehene Kreuze und Steine. Meist sind es Sühnekreuze. Die Aufstellung
solcher Kreuze ist aus den religiösen Anschauungen der indoeuropäischen Völker
hervorgegangen. Nach altgermanischem Glauben ließen sich Gottheiten bei ihrem
Niedersteigen zur Erde mit Vorliebe in Bäumen (Esche Ygdrasil, Donareiche) und
Baumsäulen (Irminsul) nieder, doch wohnten sie auch in Felsen, Quellen und Seen.
Aus der Art der Bestattung der Toten schließt man auf einen Glauben an ein Fort-
leben der Seele schon in ältester Zeit. Gewisse Grabbeigaben lassen einen Glau-
ben, daß die Seele sich erst noch einige Zeit in Nähe des Grabes aufhalte, ehe sie
ins Totenreich geht, vermuten. Wie von den Göttern, so nahm man auch von den
Seelen an, daß sie vornehmlich in emporragenden Steinen wohnten, wohl deshalb
auch, weil Steine den Vorzug der Dauerhaftigkeit besitzen. Nach uraltem Glauben
fanden die Seelen der Menschen, die eines unnatürlichen Todes gestorben waren,
keine Ruhe. Glaubte man, eine solche Seele festgestellt zu haben, so errichtete
man ihr einen Stein am Wege.
Nach Einführung des Christentums war die Kirche bestrebt, den alten Kult durch
neue Formen zu ersetzen und mit anderem Inhalt zu erfüllen. Es wurde angeord-
net, daß das Sühnekreuz die Form eines christlichen Kreuzes haben müsse. Ja, die
Kirche verpflichtete, wie dies aus alten Sühne Verträgen hervorgeht, Mörder zur
Errichtung von Kreuzen. Erst als um die Zeit der Reformation die weltliche Be-
strafung der Mörder erfolgte, verblaßte der alte Totenkult und die Errichtung die-
ser Kreuze hörte auf. Noch im 13. Jahrhundert waren Kreuze an den Orten aufge-
stellt worden, wo die Leichenträger hielten. Diese Sitte ist bereits im 8. Jahrhun-
dert für Bonifatius bezeugt. An den Stellen, an denen sein Sarg auf dem Transport
von Mainz nach Fulda niedergesetzt worden war, wurden Kapellen errichtet, die
letzte zu Kleinheiligkreuz, einige Wegestunden vor Fulda. Der Brauch jedoch,
ein Kreuz oder einen Bildstock, im Süden des Reiches Marterl genannt, an der