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Kramer, Ernst
Kreuzweg und Kalvarienberg: historische und baugeschichtliche Untersuchung — Studien zur deutschen Kunstgeschichte, Band 313: Kehl, Straßburg: Verlag Librairie Heitz/​Editions Heitz, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.65675#0076
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sich daher meist nur auf die Darstellung des zwischen zwei Punkten festgelegten
Weges beschränken, kommen über Kreuzigungsgruppen und Einzelbildstöcke der
gleichen Szene kaum hinaus. Im Rheinland hat sich, von der Quelle bis zur Mün-
dung des Rheins fast durchgehend, die Andacht der "Sieben Fußfälle" ausgebreitet,
die nur kleinere Monumente verlangte. Im Süden des deutschen Sprachgebiets sind
die Rosenkranzstationen häufig, auch sie kommen in größeren und kleineren Denk-
mälern vor. Freiplastiken treten im südostdeutschen Sprachgebiet auf, besondere
Architekturkapellen in Norditalien. Kalvarienberggruppen über großen Freitreppen
auf hoher Bastion sind typisch für Ungarn. Relieftafelstationen haben ihren Höhe-
punkt im Fränkischen. Auffallend verschiedenartige Typen bei umfangreichen An-
lagen nebeneinander finden sich in Norditalien und bei den osteuropäischen
Kreuzweganlagen. Sonst pflegt durchgehend mit wenigen Ausnahmen die gleiche
Monumentenform für alle Stationen mit Ausnahme der zwölften bei jedem einzel-
nen W eg für sich beibehalten zu werden. Eine eigenartige Lösung stellen die Kal -
varienberge der Bretagne dar, wo auf mehreren Ästen des Kruzifixes viele Szenen
aufgereiht sind. Architektonisch gefaßte Kreuzigungsgruppen bekrönen besonders
eindrucksvoll die Hügel der deutschen Mittelgebirge, während im südlicheren
Deutschland kleine Bergkapellen für die Landschaft bestimmend hervortreten.

DIE BAULICHE FASSUNG DER KREUZ W EG-REIHE
Das Wesen der Kreuzwegandacht, die ihre Gebetsstationen äußerlich fixiert haben
mußte, bedingte die Errichtung der einzelnen Monumente in einer nachschreitba -
ren Reihenfolge, die irgendwie angeordnet, bestimmt und städtebaulich komponiert
werden mußte. Nicht jede Monumentenreihe ist Ausdruck einer Stationsandacht.
Eine willkürliche Zusammenstellung von Sühne kreuzen (Donnersdorf, 206), wie
man sie vielfach nach Grenzbereinigungen und Umlegungen innerhalb der Dorfge-
markungen nebeneinander stehend findet, gibt wohl durch die damit verbundene
Aufreihung schon eine architektonische Anlage, die aber mehr dem Zufall ihre
Entstehung verdankt. Bei manchen solchen Reihungen, denen man sogar durch die
Gleichheit der Einzelmonumente eine Absicht und ein System zusprechen möchte
(Reicholzheim, 207), fehlt jeder Hinweis auf eine Bedeutung und nur sagenhafte
Erzählungen berichten von angeblichen Geschehnissen.
Bei den Darstellungen der nur durch zwei Punkte bestimmten ältesten Leidensweg -
nachbildungen kann man von einer Komposition im eigentlichen Sinne noch nicht
sprechen. Ein ohnehin vorhandenes Stadttor, eine bestehende Stadtkirche als Richt-
haus, eine Kreuzgruppe vor der Stadt als Golgotha sind die durch Schrittabstände
meßbaren, aber äußerlich ohne architektonischen Zusammenhang erscheinenden
Baulichkeiten. Erst als sich die Zahl der Stationen vermehrt und Einzelbildstöcke
aneinanderzureihen sind, beginnt eine Gestaltung, die sich zunächst noch gern an
 
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