Allgemeine Bemerkungen.
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mag — im Allgemeinen und Wesentlichen keineswegs der Fall.
Jene beiden Elemente, welche die gesammte neuere Zeit so we-
sentlich yon der alten unterscheiden, das* Christenthum und der
Germanismus, der das occidentalische Volksleben durchdrungen
hatte, bewiesen auch hier ihre Kraft. War der Sinn auf das
Einzelne der Erscheinung gericlitet, so lehrte das Christenthum,
dass auch in der Brust des Einzelnen die Gottheit wohne, dass
auch in der Beschränlctheit der irdischen Existenz der Geist sich
zu ofienbaren vermöge ; demgemäss konnte sich mit einer, soge-
nannt naturalistischen Durchbildung gar wohl aufs Neue ein
geistig bedeutsamer Inhalt verbinden, und die Keinigung der
Eorm, auf welche das Studium der Antike hinführte, konnte zu
dem, um so angemessneren Ausdrueke desselben dienen. Die
Sinnigkeit des germanischen Volksgeistes aber lehrte auch die
aussermenschliche Natur als ein Verwandtes empfinden, auch hier
das Schaffen und Wehen des Geistes erkennen, der die Gefühle
und die Gedanken des Menschen bewegt. So war dem künstle-
rischen Streben wiederum ein vorzüglichst reicher Inhalt geboten,
und mannigfaltige und ergreifende Werke entstanden, wie sie
keine frühere Periode der Kunst gesehen hatte.
Jene wissenschaftliche Kichtung der Zeit brachte der bilden-
den Kunst zuodeich einige äussere Fördernisse, welche auch auf
deren innere Entwickelung wesentlich zurückwirken mussten.
Hatte sich jene solide Technik der Wandmalerei, welche wir mit
dem Namen der Freskomalerei bezeichnen, bereits am Ende der
germanischen Kunstperiode ziemlich vollständig entwickelt, so
ward jetzt eine solche Bereitung der Oelfarben erfunden, dass
diese für den künstlerischen Gebrauch nicht nur überhaupt an-
wendbar, sondern dass sie zugleich geeignet waren, die Form
aufs Vollkommenste durchzubilden, die Effekte der Erscheinun-
gen der Natur wirkungsreich wiederzugeben, und dies wenigstens
mit einer Leichtig-keit und Sicherheit, wie keine früher übliche
Technik dazu die Gelegenheit geboten hatte. Dann erfand man
verschiedene Arten einer künstlerischen Technik, welche die bild-
liche Darstellung durch rein mechanische Mittel zu vervielfälti-
gen gestatteten. — Holzschnitt und Kupferstich. Zwar gaben
diese Künste nur eine mehr oder wenig-er ausg-eführte Zeichnung-
wieder, aber sie erlaubten deren Verbreitung im weitesten Kreise,
so dass fortan der Einfluss der künstlerischen Individualität nicht
mehr auf die näheren Umgebungen derselben oder auf die Wir-
kung, die ein Einzelnes ihrer Werke ausübte, beschränkt blieb.
Dies veranlasste, in einer Periode, in welcher die Bedeutung des
Individuums viel wichtiger war, als früher, eine Wechselwirkung
zwischen den Individualitäten, welche die Einseitigkeit des künst-
lerischen Schaffens wiederum wesentlich beschränken musste.
Dazu kam aber auch, dass überhaupt der Verkehr der Menschen
K-ugier, Handbuch der Kunstgeschichte. II. 71
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mag — im Allgemeinen und Wesentlichen keineswegs der Fall.
Jene beiden Elemente, welche die gesammte neuere Zeit so we-
sentlich yon der alten unterscheiden, das* Christenthum und der
Germanismus, der das occidentalische Volksleben durchdrungen
hatte, bewiesen auch hier ihre Kraft. War der Sinn auf das
Einzelne der Erscheinung gericlitet, so lehrte das Christenthum,
dass auch in der Brust des Einzelnen die Gottheit wohne, dass
auch in der Beschränlctheit der irdischen Existenz der Geist sich
zu ofienbaren vermöge ; demgemäss konnte sich mit einer, soge-
nannt naturalistischen Durchbildung gar wohl aufs Neue ein
geistig bedeutsamer Inhalt verbinden, und die Keinigung der
Eorm, auf welche das Studium der Antike hinführte, konnte zu
dem, um so angemessneren Ausdrueke desselben dienen. Die
Sinnigkeit des germanischen Volksgeistes aber lehrte auch die
aussermenschliche Natur als ein Verwandtes empfinden, auch hier
das Schaffen und Wehen des Geistes erkennen, der die Gefühle
und die Gedanken des Menschen bewegt. So war dem künstle-
rischen Streben wiederum ein vorzüglichst reicher Inhalt geboten,
und mannigfaltige und ergreifende Werke entstanden, wie sie
keine frühere Periode der Kunst gesehen hatte.
Jene wissenschaftliche Kichtung der Zeit brachte der bilden-
den Kunst zuodeich einige äussere Fördernisse, welche auch auf
deren innere Entwickelung wesentlich zurückwirken mussten.
Hatte sich jene solide Technik der Wandmalerei, welche wir mit
dem Namen der Freskomalerei bezeichnen, bereits am Ende der
germanischen Kunstperiode ziemlich vollständig entwickelt, so
ward jetzt eine solche Bereitung der Oelfarben erfunden, dass
diese für den künstlerischen Gebrauch nicht nur überhaupt an-
wendbar, sondern dass sie zugleich geeignet waren, die Form
aufs Vollkommenste durchzubilden, die Effekte der Erscheinun-
gen der Natur wirkungsreich wiederzugeben, und dies wenigstens
mit einer Leichtig-keit und Sicherheit, wie keine früher übliche
Technik dazu die Gelegenheit geboten hatte. Dann erfand man
verschiedene Arten einer künstlerischen Technik, welche die bild-
liche Darstellung durch rein mechanische Mittel zu vervielfälti-
gen gestatteten. — Holzschnitt und Kupferstich. Zwar gaben
diese Künste nur eine mehr oder wenig-er ausg-eführte Zeichnung-
wieder, aber sie erlaubten deren Verbreitung im weitesten Kreise,
so dass fortan der Einfluss der künstlerischen Individualität nicht
mehr auf die näheren Umgebungen derselben oder auf die Wir-
kung, die ein Einzelnes ihrer Werke ausübte, beschränkt blieb.
Dies veranlasste, in einer Periode, in welcher die Bedeutung des
Individuums viel wichtiger war, als früher, eine Wechselwirkung
zwischen den Individualitäten, welche die Einseitigkeit des künst-
lerischen Schaffens wiederum wesentlich beschränken musste.
Dazu kam aber auch, dass überhaupt der Verkehr der Menschen
K-ugier, Handbuch der Kunstgeschichte. II. 71