Türptafük
am Poftdienftgebäude in Prien
Bildhauer Profe[for Kindler
München
BAUPLASTIK UND DIE NEUE ARCHITEKTUR
VON HANS SCHWEGERLE, MÜNCHEN
Bildhauer und Stukkateure beklagen fich über die fchlechte
Zeit, über den Mangel an Arbeit, über die modernen Ar-
chitekten, die kein Verftändnis mehr haben für ihre Kunft,
(ich gegen jeden plaftifchen Schmuck wenden und ein fchönes
Handwerk zugrunde gehen laffen. Die verlogene Einftellung,
überall den Schein von Reichtum, Pracht und Kunft erwecken
zu wollen, fo billig und geiftlos wie möglich, hat auch eine
Bauplaftik gefchaffen, die in ihrer oberflächlichen Kunftimi-
tation ein würdiges Kind diefer Einftellung war. Das end-
liche Befinnen und Rückgreifen auf den Urfprung, die fitt-
liche Forderung der Wahrheit geben keinen Raum mehr für
die Wucherungen romantifcher Baudekoration und haben ein
radikales Ablehnen jeglicher überflüffiger Form zur glück-
lichen Folge. Daß auch wirkliche, echte Kunft und beftes
Handwerk unter folchen Beftrebungen zu leiden haben, ift
wohl wahr und fehr zu beklagen; doch hoffen wir, daß eine
gefunde Entwicklung fehr bald wieder in geläuterter Weife
fie zur Geltung kommen laffen wird.
Reine Zweckmäßigkeit läßt die künftlerifche Verkörperung
und Betonung ihrer Sachlichkeit zu, ja, fie fordert Tie, fobald
die reine Zweckform für die Charakterifierung nicht mehr
ausreicht. Das Automobil, der Sanitätswagen, der Paffagier-
dampfer, das Kriegsfchiff bedürfen keiner befonderen Kenn-
zeichen, wohl aber das Schulhaus, Theater, Kino und Bank-
gebäude, auch wenn fie (chon eine gewiffe typifierte Bauform
haben. Diefe letzte Charakteriftik zu erfüllen, ift Aufgabe
der Plaftik, die organifch verbunden mit dem Bauwerk fein
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am Poftdienftgebäude in Prien
Bildhauer Profe[for Kindler
München
BAUPLASTIK UND DIE NEUE ARCHITEKTUR
VON HANS SCHWEGERLE, MÜNCHEN
Bildhauer und Stukkateure beklagen fich über die fchlechte
Zeit, über den Mangel an Arbeit, über die modernen Ar-
chitekten, die kein Verftändnis mehr haben für ihre Kunft,
(ich gegen jeden plaftifchen Schmuck wenden und ein fchönes
Handwerk zugrunde gehen laffen. Die verlogene Einftellung,
überall den Schein von Reichtum, Pracht und Kunft erwecken
zu wollen, fo billig und geiftlos wie möglich, hat auch eine
Bauplaftik gefchaffen, die in ihrer oberflächlichen Kunftimi-
tation ein würdiges Kind diefer Einftellung war. Das end-
liche Befinnen und Rückgreifen auf den Urfprung, die fitt-
liche Forderung der Wahrheit geben keinen Raum mehr für
die Wucherungen romantifcher Baudekoration und haben ein
radikales Ablehnen jeglicher überflüffiger Form zur glück-
lichen Folge. Daß auch wirkliche, echte Kunft und beftes
Handwerk unter folchen Beftrebungen zu leiden haben, ift
wohl wahr und fehr zu beklagen; doch hoffen wir, daß eine
gefunde Entwicklung fehr bald wieder in geläuterter Weife
fie zur Geltung kommen laffen wird.
Reine Zweckmäßigkeit läßt die künftlerifche Verkörperung
und Betonung ihrer Sachlichkeit zu, ja, fie fordert Tie, fobald
die reine Zweckform für die Charakterifierung nicht mehr
ausreicht. Das Automobil, der Sanitätswagen, der Paffagier-
dampfer, das Kriegsfchiff bedürfen keiner befonderen Kenn-
zeichen, wohl aber das Schulhaus, Theater, Kino und Bank-
gebäude, auch wenn fie (chon eine gewiffe typifierte Bauform
haben. Diefe letzte Charakteriftik zu erfüllen, ift Aufgabe
der Plaftik, die organifch verbunden mit dem Bauwerk fein
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