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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 1.1921

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Heft 4 (1. Jahrgang 1921)
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Möglichkeiten des Kunstunterrichts an höheren Schulen
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Die Begriffs- und Merkmallehre in der Zeichenwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.20810#0071

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68

Selbst die Medergaben der großen Kunstwartmappen
lassen höchstens 8 — 10 Belrachtcr zu, und wenn
es auf Einzelhcitcn ankommt/ ist auch das zuviel.
Die Betrachtung von Stichen und Radierungen
macht meiner Erfahrung nach nur dann wirklich
Freude, wenn je 2 —Z Schüler das Blatt vor sich
haben und nach Herzenslust studieren können*). blnd
während man auf der Mittelstuse inncrhalb einer
blnterrichtsstunde die Möglichkeit hat, dle Klasse ein
Werk etwa in 3 Abteilungen ansehcn zu lassen, ist

das auf der höheren Stufe, wie oben ausgeführt,
aus Zeitgründen nicht immer möglich. llbrigens
auch schon deswegen nicht, weil gerade die feineren
Stimmungen, die sich von eingehendem Studium
ablösen, die vielleicht noch durch Vorlescn eines
Dr. K. Gaiser-Briefs oder dergleichen ihre Erhöhung
und ihren Anklang finden — weil das Alles sich,
nachdem es mit eincm Teil der Klasse gemacht
wurde, nicht mkt dem andern in Gegenwart des
ersten wiederholcn läßt. (Schluß folgt.)

Die Begriffs- und Merkmallehre in der Zeichenwissenschaft

(2. Teil)

Wertvoll ist die Art der Aufgabenstellung
dadurch, daß sie Hand in Hand mit dem Unterricht im
Deutschen oder andern Fächern erfolgt. Es wurden
bearbeiteti „Die Bürgschafi" und „DerTaucher" von
Schiller, „ KönigSalomo und derWiedehopf" nach dem
bekannten Gedicht vonOtto Dähnhardt, „DerKloster-
brudermitdemWasserkrug" nachdemGedicht v.Herm.
Grimm, „Das Feldkreuz"nach einer Schilderung aus
dem Lesebuch, ferner Themen aus dem täglichen Leben
wie „Die Sonne", „Die Iagd", „Winterfreuden",
anläßlich eines Schneefalles, „Das Rennfest", an-
läßlich eines pferderennens, „Die Kirchweihe",
die in den Dörfern der Umgebung sehr
oft stattfindet und bei den Schülern viele Eindrücke
hinterlassen, „Der Bikolaus", „Der Kartoffelbauer",
wie er seine Kartoffeln in der Stadt einlkefertc und
schließlich einThema, das eine geradezu überwältigende
phantasie und starke Darstellungskraft der Schüler
erwecken konntc: „Aus dem Berufe meines Vaters."
Ich will sie der Reihe nach kurz besprechen.

Die Bürgschast/ von Schiller. Kl. ff. 16 Zeich-
nungen. Es wurde meistens die Szene dargestellt,
wie Möros vor der weggerissenen Brücke kniet 8,
durchs Waffer schwimmend 1, an der Ouclle 2, von
einem Räuber angefallen 2, vor dem Kreuz (zwei-
mal Galgen) Z. Gesamtzahl der Begriffe 128, Grund-
zahl der Begriffe (Grundbegriffe) Z2. Marimale
Begriffszahl 1Z (Höchstzahl der Begriffe in einer
Zeichnung). Minimum 5. Grundbegriffskoef-
fizient (Grundbegriffszahl geteilt durch Anzahl
der Zeichnungen) Gr.K. —2. Gesamtbegriffs-
koeffizient (Gesamtzahl der wiederholten Begriffe
aller Zeichnungen geteilt durch Gesamtzahl der Zeich-
nungen) G.K. —8. Man kann annehmen, daß ein
Begriff durchschnittlich mindestens durch je 1 For-
menmerkmal, 1 Erkennungsmerkmal, 1—2 Ergän-
zungsmerkmalegekennzeichnet wird,also durch 4Merk-
male, dann ergibt sich die hohe Merkmalzahl 4 X
128 — 512, gegen 16XV —112 bci irgend einer
Schulzeichnung nach Vaturmodell. (7 als durch-

schnittliche Mcrkmalzahl einer künstlerisch gezeichneten
Objektzeichnung.)

Der Taucher/ von Schiller. Zeichnungen 12.
Schwimmend 9, ruhiges Wasser 5, stürmisch 7,
Fische im Wasser 7, König 5, Becher 8, Grundbegriffe
29, Gesamtbegriffe 77, Gr.K.^2,4, G.K.^6,4.
MerkmalzahlZ 08 gegcn84 im Schulzeichnen. Maxi-
mum 1Z, Minimum 5.

König Äalomo unö Üer Mcöehopf/ von Otto
Dähnhardt. Kl. 4- Zeichnungen 4l- König als
Ritter Z, unkenntlich 7, klar erkennbar mit bayerischer
Krone 4, Grafenkrone mit Zacken 10 (!), König als
Araber 6, mit Orden 1, mit Eisernem Kreuz 1 (!)
umgehängtcr Nittermantel 5, als Iäger 2, als feld-
grauer Offizier mit Krone 2, orientalisch 7, ohne
König 7, im Thronsesscl sihend 9, mit Bart 2Z,
ohne Bart 4, zu pferd 16, als Kreuzzugritter 1,
mit Papstkrone 1 (!), Vogelfänger 2, als Mann
mit modernem Zylinderhut und Messer in der Hand 1
(völlig ernste Auffassung des Schülers), König als
Mönch 1 (also vollkommene Begriffsverwechslung!).
Kugelförmige Laubbäume 5, mit Asten 4, Vögel,
wolkenartige Massen 18, palmen 8, Kilometersteine2,
Klubsessel 4, Sonne freistehend 16, hinter dem Berg
hcrvorkommcnd 7. Begriffsmapimum 12,Minimum 5-
Grundbegriffe 46, Gesamtbegriffe 278, Merkmal-
zahl 1112. Gr.K. —1,1 (infolge der hohen Schüler-
zahl so klein) G.K.—6,4-

Hermann unö Oorothea/ von Goethe. Kl. 6.
20 Zeichnungen. Durchschnittlich schwache Arbeiten.
Mittelalterliche Stadtmauern und Tore sind visuell
unbekannte Begriffe. Brunnen meist als Stein-
beckcn viereckig, Bäume sehr primitiv, Laubbäume
18, Tannen 4, Pappeln 5, Männer 9, Frauen 7,
Kirchen hinter der Stadtmauer 9, Grundbegriffe 6Z,
Gesamtbegriffe 149,Gr.K.—3,15, G.K. —8. Maxi-
mum 15, Minimum 7, Merkmalzahl 596 (gegen
140 im Schulzeichnen).

DasKelükreuz. Kl.6ä. l6Zeichnungen,gegebenes
Thema, vorgeschriebene Zeit 2 Std. Laubbäume 14
 
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