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N°. 91

K u n st - B l a t t.

Donnerstag,

12. November 1329.

Die St. Michacliskirche zu Hall in Schwaben.

Nicht leicht gibt es eine Kirche, die schon durch
ihre Lage einen so imponirenden Eindruck auf ihre Um-
gebungen macht, und unter den übrigen Gebäuden,
wie eine Mutter unter ilireu noch sehr kleinen Kindern
dasteht, als die Michaeliskirche zu Hall in Schwaben.
Aus dem Herzen der terrassenartig an einem steilen
Gebirgsabhang des Kochers gebauten Stadt erhebt sich
ihr majestätischer Thurm hoch in die Lüfte. Um von kei-
ner Seite aus den Anblick der Kirche dem Auge des
Beschauenden zu verkümmern, hat man an diesem Theil
der städtischen Terrasse Raum genug gelassen, waS wohl
um so mehr zu schätzen ist, da das Gesetz der Raum-
ersparniß an manchen alten Kirchen, besonders an dem
Rheine, die interessanten Seiten für das Auge des Kunst-
freundes fast unzugänglich macht. An dieser zarten Rück-
sicht mag allerdings auch der chrfurchtgebieteude Anblick
der Kirche, der alles Zunahekommcn abwehrt, einigen
Antheil haben.

Auf 44 Treppen, so viele forderte die Terrassenhohe,
welche den Vorgrund der Kirche bildet, gelangt man zu
dem unter dem Thurme befindlichen Portal.

Die Geschichte dieses Kirchenbaus theilt sich in meh-
rere, und zwar, wie die Jahreszahlen ergeben, in drey
Hauptperioden. Die Zeichen der erster» trägt die Kirche
an der Stirne, dem Thurme, mit dem sie in die Stadt
hinabschaut. Der Thurm ist der älteste Theil der Kirche,
und noch das einzige Ueberbleibsel jener alten Michaelis-
kirche, für welche Bischof Gebhard von Würzburg den
ans Gevrgius Affenhcims Nebenstunden bekannten Be-
stätiguugsbrief im zwölften Jahrhundert ausstellte. Ihm
sind die unverkennbaren Spuren des einfachen, aber kräf-
tigen byzantinischen Stpls anfgedrückt. Er hat drey Por-
tale, die in das Schiff der Kirche führen. An ihnen, so
wie an dem ganzen Thurme, ist der Rundbogen in seiner
ganzen Reinheit sichtbar. Die Bögen sind auf's Feinste
ausgearbeitct. Eben so kündigen die ausserordentliche
Glätte, die genaue Verbindung der Quadersteine und die
scharfe Bearbeitung der Glieder ohne Veymischung irgend

einer Zierathe den byzantinischen Styl an. Die an den
Thurm angebaute Kirche ist aus weit späterer Zeit. Die
in gleichem Styl mit dem Thurm gebaute Kirche mag
sehr frühe irgend einer zerstörenden Macht anheimgefallen
seyn. Die Chronik erzählt nämlich von einem großen
Brande, der im Jahr 1376 beynahe die ganze Stadt ver-
zehrte, und dieses Schicksal scheint auch die Kirche gehabt
zu haben. Nur der feste Thurm widerstand der Macht
des Feuers.

Bald nach dem Brande im Jahr 1385 machte das
damals in Hall ansäßige Geschlecht der Ritter von Neuen-
stein eine bedeutende Stiftung für die Erbauung eines
langen Münsters in der Pfarrkirche. Allein man zögerte
mit dem Beginn des Werks bis zum Jahr 1424. Dies
erzählt eine Inschrift an dem Schiff der Kirche:

Anno Domini MCCCCXXIV inchoata est haec ecclesia.

Dies war noch die gute alte Zeit, und der Spitzbogen er-
scheint hier wirklich in seiner edelsten Gestalt. Keine Ue-
berladung mit Zierathen, dagegen die wenigen im fein-
sten Geschmack, von trefflicher Invention, zierlich in Durch-
brechungen, Bögen, Kreisen, Verschlingungen u. f. w.
An dem Schiff baute man bis zum Jahr 1492. Da sing
man den Chor an. Eine Inschrift an dem Chore sagt:

-Inno Dni. MCCCCLXXXXII. an dem nechesten Dinstag
vor S- Gregorientag in der vasten ist gelegt worden der
erste Stain an diesem Chore.

Er ist nicht minder mit Fleiß und Geschmack geWutt.
Sein Gewölbe wird um des weiten Umfanges willen, der
dem Chor gegeben worden, von einer doppelten Reil>e
von schlanken, hoch anstrebendcu Säulen getragen, die mit
den, das Gewölbe des Schiffes tragenden, in gleicher Li-
nie laufen. Nach hem Zeugniß einer handschriftlichen Chro-
nik des Stifts Comburg wurde an dem Chor gearbeitet
bis zum Jahr 1525. Sie sagt nur ganz kurz:

ehorns pcrficitur integre a M. Conrado ao. i5a5.

Gerade hundert Jahre also begränzen die Geschichte dieses
Kirchenbaus.
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