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K u n s t - Ä l a t t.
Donnerstag, S. Fe b r u a r 1835.
Allgemeiner Ueberblick des Standes der
bildenden Künste in München im Jahr
1834.
(Fortsetzung von Nro. loh des vorigen Jahrs.
Derjenige Theil der neuen Residenz, welcher von
der Königin bewohnt werden wird, ist mit Bildern
aus deutschen Dichtern geschmückt. Hier war die Aus-
wahl schwieriger, bei dem viel manuichfaltigcrn, öbschon
nicht inhaltvollern Stoff. Der Kreis ist in Bezug auf
Zeit so weit gezogen, daß er Walther von der Vogel-
wcide und Ludwig Tieck cinschließt; was sonst, außer
der Bedingung metrischer Schreibart, für Bestimmungs- :
gründe vbgewaltet, tritt nicht ganz klar hervor. Die.
Individualität der Dichter sowohl als auch der Auf-
fassung derselben, wohl aber noch mehr nationales und
zeitliches Interesse hält das Publikum am längsten in
diesen Räumen.
Man gelangt (wenigstens in Zukunft) zu den Zim-
mern der Königin über eine breite marmorne, auf sich
selbst ruhende Wendeltreppe, aus einer am Westendc
gelegenen, mit einem hohen Portal versehenen Vorhalle.
Das erste Vorzimmer
ist geschmückt mit elf Fresken zu den Gedichten Wal-
thers von der Vogekweide, der Arbeit des Malers G a s-
sen aus Koblenz. Seine Poesie eignet sich weniger zu
Darstellungen in Wandgemälden, als die lyrische, nicht
nur des im Gedicht vorherrschenden Interesses für me-
trische Form wegen, sondern hauptsächlich wegen des
kosen, schwer zu fassenden und subjektiven Inhalts, und
um dest willen, was man Stimmung nennen muß,
deren Tiefe und Wechsel nicht in's Bereich, wenigstens
der Freskomalerei, gehört. Es war daher keine geringe
Aufgabe, ans WaltherS Gedichten, die uns durch Warme
und Lebendigkeit der Empfindung und Reinheit der
Gesinnung ergreifen, ohne irgend objektiven Inhalt zu
geben, eine Auswahl für Gemälde zu treffen, die durch
ein geistiges Band zu einem Ganzen zusammen gehalten
werden. Der Künstler hat den Weg eingcschlagen, den wir
als den durchaus richtigen zu bezeichnen haben: er hat,
wie Uhland in seiner Schilderung des Dichters, diesen
selbst zum Mittelpunkt seiner Bilder gemacht und uns
auf diese Weise die Lieder und den Sänger derselben
vorgeführt.
Als bedeutende Beziehungen in seinem Leben treten
uns seine Vaterlandsliebe, Wanderlust, Naturfreude,
Verbindungen mit Fürsten, Liebe und sein religiöser
Sinn entgegen. Außer diesen gelten uns die Stellung
unter seinen Zeitgenossen und sein Tod als beachtens-
werthe Punkte, welche leztere beiden eine Darstellung
seiner, als Dichter, ohne allen äußern Bezug, rechtfer-
tigen, ja bedingen. Ueber diesen Grundlinien scheint
uns das Werk von Gassen aufgeführt, das, durch-
dacht im Allgemeinen, in seinen Einzelnheiten einen
sehr begabten Künstler zeigt, dessen Eigenthümlichkeit
in einer sehr markirtcn, der Schönheit zugebildeten
Zeichnung, und dessen Stärke in einem leichten, sehr
gefälligen Vortrag ruht. Gassen stellt uns zuerst den
Dichter als solchen dar, wohl nach dem schon in zwei
Handschriften von seinen Liedern benuzten Gedicht:
Ich saß ans einem Steine tc.
sinnend über die Zeit und über der Menschen Thun
und Taugen. — Dem gegenüber sehen wir sein Grab,
über welchem nach seiner eigenen testamentarischen Ver-
fügung Vögel von Chorknaben mit Weizen gefüttert
werden. Zwischen beiden an der Decke befindet sich ein
größeres Bild, das den Dichter unter seines Gleichen,
und zwar als Sieger in dem berühmten Sängerkrieg
auf der Wartburg darstcllt. Neben diesem Bild ist ein
anderes, wo er in Gesellschaft des Königs Philipp von
Schwaben, des dichterliebenden Fürsten Herman von
Thüringen in Magdeburg die Christnacht feiert, und
K u n s t - Ä l a t t.
Donnerstag, S. Fe b r u a r 1835.
Allgemeiner Ueberblick des Standes der
bildenden Künste in München im Jahr
1834.
(Fortsetzung von Nro. loh des vorigen Jahrs.
Derjenige Theil der neuen Residenz, welcher von
der Königin bewohnt werden wird, ist mit Bildern
aus deutschen Dichtern geschmückt. Hier war die Aus-
wahl schwieriger, bei dem viel manuichfaltigcrn, öbschon
nicht inhaltvollern Stoff. Der Kreis ist in Bezug auf
Zeit so weit gezogen, daß er Walther von der Vogel-
wcide und Ludwig Tieck cinschließt; was sonst, außer
der Bedingung metrischer Schreibart, für Bestimmungs- :
gründe vbgewaltet, tritt nicht ganz klar hervor. Die.
Individualität der Dichter sowohl als auch der Auf-
fassung derselben, wohl aber noch mehr nationales und
zeitliches Interesse hält das Publikum am längsten in
diesen Räumen.
Man gelangt (wenigstens in Zukunft) zu den Zim-
mern der Königin über eine breite marmorne, auf sich
selbst ruhende Wendeltreppe, aus einer am Westendc
gelegenen, mit einem hohen Portal versehenen Vorhalle.
Das erste Vorzimmer
ist geschmückt mit elf Fresken zu den Gedichten Wal-
thers von der Vogekweide, der Arbeit des Malers G a s-
sen aus Koblenz. Seine Poesie eignet sich weniger zu
Darstellungen in Wandgemälden, als die lyrische, nicht
nur des im Gedicht vorherrschenden Interesses für me-
trische Form wegen, sondern hauptsächlich wegen des
kosen, schwer zu fassenden und subjektiven Inhalts, und
um dest willen, was man Stimmung nennen muß,
deren Tiefe und Wechsel nicht in's Bereich, wenigstens
der Freskomalerei, gehört. Es war daher keine geringe
Aufgabe, ans WaltherS Gedichten, die uns durch Warme
und Lebendigkeit der Empfindung und Reinheit der
Gesinnung ergreifen, ohne irgend objektiven Inhalt zu
geben, eine Auswahl für Gemälde zu treffen, die durch
ein geistiges Band zu einem Ganzen zusammen gehalten
werden. Der Künstler hat den Weg eingcschlagen, den wir
als den durchaus richtigen zu bezeichnen haben: er hat,
wie Uhland in seiner Schilderung des Dichters, diesen
selbst zum Mittelpunkt seiner Bilder gemacht und uns
auf diese Weise die Lieder und den Sänger derselben
vorgeführt.
Als bedeutende Beziehungen in seinem Leben treten
uns seine Vaterlandsliebe, Wanderlust, Naturfreude,
Verbindungen mit Fürsten, Liebe und sein religiöser
Sinn entgegen. Außer diesen gelten uns die Stellung
unter seinen Zeitgenossen und sein Tod als beachtens-
werthe Punkte, welche leztere beiden eine Darstellung
seiner, als Dichter, ohne allen äußern Bezug, rechtfer-
tigen, ja bedingen. Ueber diesen Grundlinien scheint
uns das Werk von Gassen aufgeführt, das, durch-
dacht im Allgemeinen, in seinen Einzelnheiten einen
sehr begabten Künstler zeigt, dessen Eigenthümlichkeit
in einer sehr markirtcn, der Schönheit zugebildeten
Zeichnung, und dessen Stärke in einem leichten, sehr
gefälligen Vortrag ruht. Gassen stellt uns zuerst den
Dichter als solchen dar, wohl nach dem schon in zwei
Handschriften von seinen Liedern benuzten Gedicht:
Ich saß ans einem Steine tc.
sinnend über die Zeit und über der Menschen Thun
und Taugen. — Dem gegenüber sehen wir sein Grab,
über welchem nach seiner eigenen testamentarischen Ver-
fügung Vögel von Chorknaben mit Weizen gefüttert
werden. Zwischen beiden an der Decke befindet sich ein
größeres Bild, das den Dichter unter seines Gleichen,
und zwar als Sieger in dem berühmten Sängerkrieg
auf der Wartburg darstcllt. Neben diesem Bild ist ein
anderes, wo er in Gesellschaft des Königs Philipp von
Schwaben, des dichterliebenden Fürsten Herman von
Thüringen in Magdeburg die Christnacht feiert, und