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Donnerstag/ 8. Oktober 1835.

Lieber das wechselseitige derhAtnits land-
schaftlicher Gegenstände und historischer
oder mythologischer Personen.

Einer beliebten Ansicht znfelge, die noch immer viele
Bekenner zählt, besonders in der Art, wie ihr einst
Goethe gelegentlich das Wort gesprochen hat, ist die Ein-
führung historischer oder mythologischer Figuren dem
Gehalte einer Landschaft jedesmal streng unterzuordnen,
damit leztere als die ungetheilte Hauptsache erscheine,
wirke und vorherrsche. Der angeführte Rechtsgrund ge-
hört in daS Kapitel der theoretischen Rangstreitigkeiten,
die auf dem gangbaren Wege schwerlich zu entscheiden
sind. Können nämlich nicht Fälle eintreten, wo nach den
unabänderlichen Bedingungen einer Aufgabe das Land-
schaftliche und Menschliche für den Zweck des durchgehen-
den Verständnisses gleiche Ansprüche behauptet und eine
bestimmte Unterordnung des einen oder andern fehlerhaft
wäre? Lassen sich nicht ohne Anstrengung und Zwang
Verhältnisse angeben, sowohl auf dem Boden der Ge-
schichte als im Bereiche volksmäßiger Dichtung, wo unter
den menschlichen und landschaftlichen Erscheinungen sogar
auch den Gestalten des Thierreichs ein angemessener
Raum zukommt, und die Vollendung des lebendigen
Ganzen durchaus ans der freien, unverkümmerten Zu-
sammenwirkung der verschiedenen Bestandtheile beruht,
indem dieselben überall nach derselben Höhe der Darstel-
lung hinstreben? Offenbar ist das Paradies ein eben so
würdiger als reizender Gegenstand der Kunst; cs wird
also erlaubt seyn,. aus dem gewählten Beispiele zur Be-
stimmung der aufgeworfenen Frage einige Folgerungen
zu ziehen.

Die möglichst vollkommene Bezeichnung des Ocrt-
lichen, ansgeführt im Sinne der vorfindlichen Andeutun-
gen, geschmückt mit den Farben einer Vorstellungsweise,
welche die Umrisse der Ueberlieserung mit den Reizen der
poetischen Wahrheit und Wahrscheinlichkeit vereinigt.

überweist dies Bild, nach hergebrachter Klassifikation, in
das Gebiet der Landschaft. Der Begriff des Paradieses
soll überall in der erreichbarsten Klarheit durchleuchten,
er ist der höchste Leitfaden für den Künstler, der einzig
taugliche Schlüssel zur Einsicht und Veurtheilnng für den
Beschauer, mithin die leztc Instanz der Entscheidung,
sobald cS sich um das Fachwerk der Kunstregistratur han-
delt, wohin besagte Darstellung gehört. Dieser Frage-
punkt ist wichtiger als cS scheint; geht die so eben
versuchte Beantwortung durch, so wirft die Kraft des
hervorgezogenen Beispiels ein gutes Stück der alters-
schwachen Theorie über den Haufen; findet sie Wider-
spruch, so haben die Andersdenkenden ihrerseits zu zeigen,
auf welchem Kunstfelde denn das Paradies eigentlich
blüht und mit welchen Gründen der Ueberzeugung sie es
daselbst zu schützen meinen; denn daß sie, um das Ge-
schäft einer beschwerlichen Untersuchung von sich abzuwäl-
zen, zu einem Mittel der Verzweiflung greifen sollten,
zu der schlimme» Behauptung, der Gegenstand sey an
und für sich undarstellbar, ist ihnen vernünftigerweise
nicht zuzutrauen, noch iveniger einzuräumen. Stoßen sie
aber beim Abstecken fester Grenzen auf eine und die an-
dere verfängliche Stelle, wo es wider Erwartung hapert
und stockt, so ist die Absicht dieser Bemerkungen glück-
lich erreicht.

Vorläufig angenommen, daß unser Bild zufolge
seiner örtlichen Hauptbeziehung unter die Kategorie der
Landschaften fällt: wie steht es in diesem Felde mit der
verlangten Unterordnung der historischen Personen? Das
Paradies kann lediglich durch das erste Menschenpaar
zum Paradies werden, ohne dasselbe würde es schlechthin
unkenntlich, unfaßlich bleiben. Sey die Gegend noch so
himmlisch, ausgestattet mit allen Schönheiten des Mor-
genlandes, welche die Erfindsamkeit und Begeisterung des
Künstlers aus dem Schoße der Natur für die Wiege
unseres Geschlechts ausgesucht haben mag; sie ist darum
nichtsdestoweniger, für sich allein, eine einzelne, aus
einem großen Lebensbuche herausgerissene Hieroglyphe,
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