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0.5
1 cm

2T 105.
K u n s t - Ä l a t t.
Donnerstag, 31. D e c c IN b e r 1635.
■ r^.rinr
Kunstgeschichte.
Michel Angeld Buonaroti als Künstler. Eine Skizze
von Or. G. K. Nagler. München, Fleisch-
mann, 1856. 40 S. gr. 8.
Die neuere Kunstgeschichte hat wenige Gegenstände
von so allgemeinem, durchgreifendem Interesse aufzu-
zählen, wie das Leben des großen Florentiners. Die
Bedeutsamkeit desselben ist doppelt, künstlerisch und poli-
tisch, in sich selbst und in seiner Einwirkung auf Andere.
In einer durch vielseitiges Streben und rege Thatkraft
bezeichneten Zeit geboren, sah er Italiens lezte glück-
liche Tage; wetteifernd mit den großen Geistern, welche
das zu Ende gehende fünfzehnte Jahrhundert entweder
schon gereift oder heranblnhen sah, in einer Fülle,
welche die nachmalige Verödung um so fühlbarer macht,
überlebte er die meisten derselben, ältere wie jüngere,
in der Jugend Nebenbuhler des bereits alternden da Vinci,
in späteren Jahren des begünstigten Raffael. Eine ganze
Reihe von Päpsten sah er an sich vvrübergehen, von Ale-
xander VI. bis zu Pins IV-, die Alle seiner bedurften
und ihn beschäftigten. Von heftigem Charakter, aber von
edler Gesinnung, stolz und seiner Würde sich bewußt,
aber dabei von freundlicher Güte, bot er manchem Sturm
Trotz und zeigte sich mehr denn einmal stärker, als die
Starken und Mächtigen. Seinem Vaterlande treu und
mit inniger Liebe anhangend, suchte er es mit eigener'
Gefahr zu retten in seiner größten Gefahr, und ver-
bannte sich dann freiwillig auf immer, nachdem es die
Freiheit unwiederbringlich verloren hatte: erst als Leiche
kehrte er wieder in Santa Croce ein. Es liegt etivas
Schönes und Rührendes darin, daß Buonaroti das un-
terdrückte Florenz nicht mehr Wiedersehen wollte, so drin-
gende Einladungen auch Cosinus I. an ihn ergehen ließ.
Er schüzte vor, er sei) zu alt und kränklich, habe in Rom
Hausstand und Arbeit; aber er wollte sich wohl den
Schmerz ersparen, Zeuge der dort vorgegangenen Um-
K u n s t - Ä l a t t.
Donnerstag, 31. D e c c IN b e r 1635.
■ r^.rinr
Kunstgeschichte.
Michel Angeld Buonaroti als Künstler. Eine Skizze
von Or. G. K. Nagler. München, Fleisch-
mann, 1856. 40 S. gr. 8.
Die neuere Kunstgeschichte hat wenige Gegenstände
von so allgemeinem, durchgreifendem Interesse aufzu-
zählen, wie das Leben des großen Florentiners. Die
Bedeutsamkeit desselben ist doppelt, künstlerisch und poli-
tisch, in sich selbst und in seiner Einwirkung auf Andere.
In einer durch vielseitiges Streben und rege Thatkraft
bezeichneten Zeit geboren, sah er Italiens lezte glück-
liche Tage; wetteifernd mit den großen Geistern, welche
das zu Ende gehende fünfzehnte Jahrhundert entweder
schon gereift oder heranblnhen sah, in einer Fülle,
welche die nachmalige Verödung um so fühlbarer macht,
überlebte er die meisten derselben, ältere wie jüngere,
in der Jugend Nebenbuhler des bereits alternden da Vinci,
in späteren Jahren des begünstigten Raffael. Eine ganze
Reihe von Päpsten sah er an sich vvrübergehen, von Ale-
xander VI. bis zu Pins IV-, die Alle seiner bedurften
und ihn beschäftigten. Von heftigem Charakter, aber von
edler Gesinnung, stolz und seiner Würde sich bewußt,
aber dabei von freundlicher Güte, bot er manchem Sturm
Trotz und zeigte sich mehr denn einmal stärker, als die
Starken und Mächtigen. Seinem Vaterlande treu und
mit inniger Liebe anhangend, suchte er es mit eigener'
Gefahr zu retten in seiner größten Gefahr, und ver-
bannte sich dann freiwillig auf immer, nachdem es die
Freiheit unwiederbringlich verloren hatte: erst als Leiche
kehrte er wieder in Santa Croce ein. Es liegt etivas
Schönes und Rührendes darin, daß Buonaroti das un-
terdrückte Florenz nicht mehr Wiedersehen wollte, so drin-
gende Einladungen auch Cosinus I. an ihn ergehen ließ.
Er schüzte vor, er sei) zu alt und kränklich, habe in Rom
Hausstand und Arbeit; aber er wollte sich wohl den
Schmerz ersparen, Zeuge der dort vorgegangenen Um-