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2P 52.

Kunst-Älatt.

^ __. _

Dienstag, 30. Juni 1835.

Kunstgeschichte.

(Beschluß.)

2) Uebcr das Sittliche der bildenden Kunst bei den
Griechen. Von Dr. Carl Grüncisc n. Ans
der Zeitschrift für historische Theologie besonders
abgcdruckt. Leipzig, Ambrosius Barth, 1853.
116 S. 8.

Dieses Buch kann gewissermaßen als eine Ergänzung
des vorigen angesehen werden, da es das Verhältniß der
griechischen Kunst zu der Gesinnung und Denkweise des
Volks ausschließlich in Betrachtung zieht. Noch ist es
nicht lange her, daß man von Sittlichkeit der Kunst eben
nicht viel hören wollte, sondern behauptete, das Schöne,
welches Zweck der Kunst sey, bestehe als ein Reich für
sich und habe mit dem Ethischen nichts gemein. Doch
wurde dieser Jrrtbum zum Theil von denjenigen selbst,
die ihn verbreitet hatten, zurückgenommen, und man
gibt nun allgemein zu, daß das wahrhaft Schöne nicht
unsittlich sepn könne, sondern eben nur die Offenbarung
des Edlen, daß mithin die schöne Kunst Ausdruck der
religiösen und sittlichen Gesinnung sey, und ihre Werke
als Merkzeichen der verschiedenen Stimmungen, welche
dieselbe durchgeht, betrachtet werden müssen. Der Ver-
fasser hat sich ein Verdienst erworben, indem er das
ethilche Element, welches in der griechischen Kunst ge-
wirkt, in allen seinen Momenten nachgewiesen und so
das höhere Prinzip anschaulich gemacht hat, welches von
Anfang an diese Kunst bewegte und bis in die lezten
Zeiten Einfluß auf sie behielt. Bei keinem andern Volke
stand die Kunst näher an der Religion und war derselben
unentbehrlicher, als bei den Griechen; daher ging alles,
was von ethischer Erkenntniß in dieser Religion lag, auf
die Kunst über, und dadurch allein gelangte sie zugleich

auf eine so Hobe Stufe sinnlicher Vollendung. Dieses
weist der Verfasser, nachdem er den Widerstreit der
christlichen und hellenischen Meinungen als Veranlassung
seiner Schrift aus einander gcsezt hat, auf gründliche
Weise nach, indem er zuerst den Satz durchführt, daß
keine Schönheit, weder in der Natur, noch in der Kunst,
vorhanden sey, welche nicht geistigen Sinn und sittliche
Empfindung ausdrücke, sodann aber zeigt, wie der An-
thropomorphismus der hellenischen Religion eben durch
die Vergeistigung und die sittliche Bedeutsamkeit, welche
er dem Materiellen beilegt, sich der reineren Erkcnnt-
niß genähert und dadurch die Darstellung des höher»
Schönen möglich gemacht habe. Hierauf werden die
Grenzen und die Entartung des sittlichen Elements in
der griechischen Kunst gezeigt, und hier allein hätten wir
eine schärfere Unterscheidung der historischen Stufen ge-
wünscht. Unseres Erachtens ist die bildende Kunst immer
die lezte Lebensäußerung des geistigen Funkens, welcher
ein Volk Jahrhunderte hindurch nach einer entschiedenen
Richtung bewegt, und so zeigen sich religiöse und sitt-
liche Gesinnung gewöhnlich erst dann am vollkommensten
in der bildenden Kunst, wenn beide im Leben des Volks
schon zu verschwinden beginnen. So verlor sich die alte
Strenge und Sitteneinfalt der Athener unter Perikles,
während Phidias noch die erhabensten Göttergestalten bil-
dete. Das Verwerfen züchtiger Verhüllung an der Venus
des Prariteles aber und die Wahl der unverhüllten
V e-.us durch die Knidier betrachten wir als eine unmit-
telbare Folge des moralischen Verfalls, in welchen auch
die Kunst nun schon hineingezogen war, die sich nun den
weichlichen und üppigen Darstellungen hingab. Wie dies
unter der maccdonischen Herrschaft und später immer
mehr zunahm, sagt die Geschichte zu laut und deutlich,
als daß cs hier zu wiederholen nöthig wäre; auch der
Verfasser führt dies Seite gz ff. ausdrücklich an; für
seinen Zweck aber war es wohl unerläßlich, den Gang
des Lebens und der Kunst von Anfang bis zu Ende der
griechischen Geschichte Schritt vor Schritt zu verfolgen.
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