101.
n n
l a t
Donnerstag, 17. Deccmber 1835.
Runstlitcratur.
1) Kunsircise durch England und Belgien, ncbsi
einem Bericht über den Bau des Domlhurmcs
zu Frankfurt a. M., von I. O. Passava nt.
Mit 10 Abbildungen in Kupferstich und Stein-
druck. Frankfurt a. M>, bei Sigmund Schmer-
der, 1853. IX. und 463 S. 8.
2) Niederländische Briefe von Carl Schn aase.
Stuttgart und Tübingen, Verlag der I. G- Cotta-
schcn Buchhandlung, 1834. XU und 529 S. 8.
3) Briefe über Landschafimalerci. Geschrieben in
Den Jahren 1815 bis 1835 von C. G. Carus.
Zuvor ein Brief von Goethe als Einleitung.
Zweite, durch einen Brief und einige Beilagen
vermehrte Ausgabe. Leipzig, Gerhard Fleischer,
1835. IX und 276 S. 8.
Die beiden erstgenannten Reisebücher beschäftigen
sich ausschließlich mit Betrachtung der Werke bildender
Kunst, doch behandeln die Verfasser ihren Gegenstand auf
ganz verschiedene Weise: der erste als historischer Samm-
ler, welchem es darauf ankommt, so reichliche und genaue
Notizen als möglich zusammen zu bringen; der andere
als philosophischer Betrachter, dem es mehr darum zu
thun ist, allgemeine Ueberblicke zu gewinnen und sich von
dem Daftyu des Gesehenen durch geschichtliche und phi-
losophische Kombinationen Rechenschaft zu geben.
Da das Kunstblatt vor Erscheinung von Hrn. Passa-
vants Buch mehrere größere Auszüge aus demselben aus-
genommen hat, welche vollkommen die Art und Weise
seiner Behandlung erkennen ließen, so ist es kaum nöthig,
dieselbe näher zu bezeichnen. Er erzählt keine Reisebe-
gegniffe, entwirft keine Schilderungen aus dem Leben,
sondern verzeichnet nur gewissenhaft, was er auf seinem
Wege durch England und Belgien an Kunstwerken ge-
sehen, darüber erfahren und erforscht hat, und liefert so
eine recht wünschenöwerthe Uebersicht und Würdigung
der Kunstschähe jener Länder, welche schon längst Bedürf-
uiß war, besonders was Belgien betrifft, dessen Kunstreich-
thum weit weniger beschrieben war, als der von England.
Jedoch beschäftigt sich der Verfasser bloß mit den Werken
der mittleren und neuen Kunst; die Gegenstände der
antiken sind von seiner Betrachtung ausgeschlossen. Unter
den mancherlei historischen Untersuchungen und Nach-
weisungen, die er bei. verschiedenen Gelegenheiten an
seine Berichte knüpft, verdient der dritte Abschnitt
ausgezeichnet zu werden, der einen schätzenSwcrthen
Ueberblick der Geschichte der bildenden Künste in Eng-
land enthält. Zwar ist er nicht vollständig, jedoch voll
merkwürdiger Notizen, und zugleich ein Beweis von
der Unparteilichkeit des Verfassers, welcher von den
Verdiensten der englischen Schule, besonders in Hinsicht
des Kolorits, mehr eingenommen scheint, als von ei-
nem deutschen, an strengen Styl in der Malerei ge-
wohnten Künstler zu erwarten war.
Die beigegcbenen Umrisse enthalten willkommene Nach-
bildungen merkwürdiger Gegenstände, z. B. eine Wieder-
holung der schon früher im Messager des Sciences cl des
arts mitgetheilten von den Flügelbildern der Gebrüder
van Eyck in Gent und eines der zwei merkwürdigen Ge-
mälde von Dierick van Stuerbout, ehemals in dem Rath-
hause zu Löwen und jezt im Besitz des Prinzen von Ora-
nien, welche sonst für Hemling galten, aber durch die
Nachforschungen des verstorbenen Hrn. de Bast in Gent
ihrem wahren Meister zugewiesen wurden.
In dieser Art genauer historischer Würdigung besteht
die Hauptrichtung und das Verdienst dieses Buches;
bei theoretischen Betrachtungen hält sich der Verfasser
nicht auf; seine künstlerischen Urtheile sind kurz und cftr-
fach, verrathen aber den Blick des Künstlers, welcher
n n
l a t
Donnerstag, 17. Deccmber 1835.
Runstlitcratur.
1) Kunsircise durch England und Belgien, ncbsi
einem Bericht über den Bau des Domlhurmcs
zu Frankfurt a. M., von I. O. Passava nt.
Mit 10 Abbildungen in Kupferstich und Stein-
druck. Frankfurt a. M>, bei Sigmund Schmer-
der, 1853. IX. und 463 S. 8.
2) Niederländische Briefe von Carl Schn aase.
Stuttgart und Tübingen, Verlag der I. G- Cotta-
schcn Buchhandlung, 1834. XU und 529 S. 8.
3) Briefe über Landschafimalerci. Geschrieben in
Den Jahren 1815 bis 1835 von C. G. Carus.
Zuvor ein Brief von Goethe als Einleitung.
Zweite, durch einen Brief und einige Beilagen
vermehrte Ausgabe. Leipzig, Gerhard Fleischer,
1835. IX und 276 S. 8.
Die beiden erstgenannten Reisebücher beschäftigen
sich ausschließlich mit Betrachtung der Werke bildender
Kunst, doch behandeln die Verfasser ihren Gegenstand auf
ganz verschiedene Weise: der erste als historischer Samm-
ler, welchem es darauf ankommt, so reichliche und genaue
Notizen als möglich zusammen zu bringen; der andere
als philosophischer Betrachter, dem es mehr darum zu
thun ist, allgemeine Ueberblicke zu gewinnen und sich von
dem Daftyu des Gesehenen durch geschichtliche und phi-
losophische Kombinationen Rechenschaft zu geben.
Da das Kunstblatt vor Erscheinung von Hrn. Passa-
vants Buch mehrere größere Auszüge aus demselben aus-
genommen hat, welche vollkommen die Art und Weise
seiner Behandlung erkennen ließen, so ist es kaum nöthig,
dieselbe näher zu bezeichnen. Er erzählt keine Reisebe-
gegniffe, entwirft keine Schilderungen aus dem Leben,
sondern verzeichnet nur gewissenhaft, was er auf seinem
Wege durch England und Belgien an Kunstwerken ge-
sehen, darüber erfahren und erforscht hat, und liefert so
eine recht wünschenöwerthe Uebersicht und Würdigung
der Kunstschähe jener Länder, welche schon längst Bedürf-
uiß war, besonders was Belgien betrifft, dessen Kunstreich-
thum weit weniger beschrieben war, als der von England.
Jedoch beschäftigt sich der Verfasser bloß mit den Werken
der mittleren und neuen Kunst; die Gegenstände der
antiken sind von seiner Betrachtung ausgeschlossen. Unter
den mancherlei historischen Untersuchungen und Nach-
weisungen, die er bei. verschiedenen Gelegenheiten an
seine Berichte knüpft, verdient der dritte Abschnitt
ausgezeichnet zu werden, der einen schätzenSwcrthen
Ueberblick der Geschichte der bildenden Künste in Eng-
land enthält. Zwar ist er nicht vollständig, jedoch voll
merkwürdiger Notizen, und zugleich ein Beweis von
der Unparteilichkeit des Verfassers, welcher von den
Verdiensten der englischen Schule, besonders in Hinsicht
des Kolorits, mehr eingenommen scheint, als von ei-
nem deutschen, an strengen Styl in der Malerei ge-
wohnten Künstler zu erwarten war.
Die beigegcbenen Umrisse enthalten willkommene Nach-
bildungen merkwürdiger Gegenstände, z. B. eine Wieder-
holung der schon früher im Messager des Sciences cl des
arts mitgetheilten von den Flügelbildern der Gebrüder
van Eyck in Gent und eines der zwei merkwürdigen Ge-
mälde von Dierick van Stuerbout, ehemals in dem Rath-
hause zu Löwen und jezt im Besitz des Prinzen von Ora-
nien, welche sonst für Hemling galten, aber durch die
Nachforschungen des verstorbenen Hrn. de Bast in Gent
ihrem wahren Meister zugewiesen wurden.
In dieser Art genauer historischer Würdigung besteht
die Hauptrichtung und das Verdienst dieses Buches;
bei theoretischen Betrachtungen hält sich der Verfasser
nicht auf; seine künstlerischen Urtheile sind kurz und cftr-
fach, verrathen aber den Blick des Künstlers, welcher