Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 6i

K u n ft - B l a t l.

M o.n t a g, den zr. Juli I 3 L o.

Das Nicolai-Thor zu Breslau.

Die neueste» Arbeiten an diesem Lhore ziehen die Auf-
merksamkeit aller Ein- und Ausgehenden auf sich, und mit
Recht. Es stellt sich dem Blicke trefflich dar, und hebt sich
an der Brücke hoch über dem Wasser anziehend heraus.
Noch malerischer war es durch die beyden runden Thürme,
die cs wie eine Burg einfaßten und schüzten, nun aber sel-
ber schon gefallen sind. Mehrere Künstler, heimische und
fremde, haben es abgebildet, und Breslau ist auch dadurch
auswärts bekannt. Und in der Lhat, uns ist kein ähnliches,
so reich geschmücktes Stadtthor vorgekommen ü> dem größ-
ten Thcile Deutschlands. Es tritt dem Fremden, zumal
dem von der modernen Hauptstadt kommenden, bedeutsam
entgegen, und kündigt die alte vielthürmige Stadt würdig
an. Auch den Inwohner mahnt es immer, seinen Atts-
und Eingang, sein Thun und Treiben, zu bedenken. Denn
es lst nicht b!os eine der schönsten und auffallendsten Zier-
den der Stadt, ein vielfach redendes Denkmal der alten
Geschichte Breslau's, ja Schlesiens, nicht blos ein ehrwür-
diges, vffentiiches, sondern auch ein erbauliches, heiliges
Denkmal durch den Gegenstand seines trefflichen Bildwerkes.
Eine kurze Beschreibung desselben wird jetzo-mhl an der
Stelle seyn, zum Andenken.

Ueber dem hohen und einfachen Spitzbogen des eigent-
lichen Theres erhebt sich ein zweptes Stockwerk mit einem
Giebel. Dieses hat drey Felder, zwep über den Seiten-
wänden des Thors: alle drep mit rundem Bildwerke aus
feinem Sandsteine bedeckt. Das größere Mittelfeld über
dem Lhore selber zeigt, in übermenschlicher Größe, den
Heiland am Kreuze, welches aus einer höchst kunstreich ganz
(sttagran-artig) durchbrochenen Leiste und Knospe von Laub-
werk emporwächst und -blühet. Zu den Seiten, unter den
am Kreuze ausgebceiteten Armen, stehen ans Blumen-
Knäufen, rechrs die schmcrzenreiche Mutter, links der Jün-
ger, den Jesus ijeb haue, und den er vom Kreuze herab
seiner Mutter zum Sohne gab; depde in schön verzierten
gothischen Nischen. Ueber den Kreuzarmen zwev kleine
Wappenschilder, rechts der schlesische Adler, links der böh-
mische Löwe. Hinter dem Haupte mit der Dornenkrone
die Inschrift, die den Heiland der Welt als König der Ju-

den verspottet, es scheint Hebräisch, Griechisch und Latei-
ntsch, gemäß dem Evangelio. Und über dem Haupte, zu-
gleich als Dach und Thronhimmel, eine reiche gothische
Thurmspitze, die, auf dem Kreuzesstamme ruhend, den
spitzbogl'gen Rahmen des Ganzen schließt, und deren Bln-
menkrone zum Gipfel anfsteigt. Die beyden Seitenfelder
haben jedes eine ähnliche Rische, wie die unter dem Kreuze,
und reihen sich an diese, aber mit etwas höheren Doppel-
bögen , unter welchen zwep große Wappenschilder stehen,
dießmal umgekehrt, rechts der Löwe und links der Adler,
beyde umgeben von einem reichen, wieder, wie eine Schmie-
de- oder Schmelz-Arbeit, ganz durchbrochenen Laub - und
Baud - Gewinde. Der Helm des Löwen tragt die böhmische
Königskrone, der des Adiers zwey Hörner mit Fähnlein.
Ueber jeder Nische steigen aus den Spitzbögen auch drey
thurmartige Spitzen mit Blumcnkronen, welche, neben je-
ner höchster, in der Mitte, emporstreben und so mit ihr das
Ganze gefällig verbinden und schließen.

Unter diese» Wappen, welche schon auf die Geschichte
des Werkes Hinweisen, geben auch zwep Inschriften, in
der aus großen Werkstücken gebauten Unterwaud, nähere
Kunde davon.

Rechts steht:

Tempe. Serenissimi, principis
et. domini. dm. WladiSlai. regiS
Hungarie. Bohemie. ic. i5o3
und links:

Erectum. cst. hoc. opus.

In. die. Sancte. Jophie
Anno, domini. i5o3.

Also, am Tage der h. Sophia (den i5. Mai) i5o3
unter dem König Wladislaus, wurde dieses Werk errichtet.
Die Zeit, da Breslau auf eine selbständige Weise den Kö-
nigen von Böhmen zugehörte, war für die Verschönerung
der Stadt bekanntlich vortheilhaft, und ihr verdankt sie,
z. B. durch Kaiser Karl iv. die regelmäßigere Anlage der
Straßen, die Minoritenkirche, vermuthlich auch das Rath-
haus, u. a. Von Wladislaus ist in dieser Rücksicht zwar
nichts bekannt; er kam 149° zur Regierung, und hielt erst
i5i 1 seinen Einzug in Breslau. Er scheint also kein wei-
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen