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Nr. 8i

K u n ft - Blatt.

Montag, den 9. Oktober i 8 r o.

Die AnSgießung des heil. Geistes auf die Apostel,
von Lägasie aus Köln, zu Paris gemalt.

8 Fuß breit, n Fuß hock.

Aus d.'m Französische« öcs Herr» Miel. *)

So sehr auch die Administration der schönen Künste
seit, mehreren Jahren ihre Aufmerksamkeit und ihre Auf-
munterungen den religiösen Darstellungen widmet, so ive
nig kan» man sich verbergen, daß bis jezt der Erfolg noch
nickr der Erwartung des Publikums entsprochen oat. Un-
ter den zahlreichen religiösen Gemälde», welche ui den zwo»
vorigen Kunstausstellungen zu sehen waren, besaßen nur
wenige ui einzelnen Partiecn die Eigenschaften, die bey
heiligen Gegenständen erfordert werden; und der größte
TocU. an dem man den eigeutdünilichen Charakrer, welcher
diese Gattung eon Gemälden bezeichnen soll, vermisste, ist
unfruchtbar für die Religio» geblieben, ohne der Kunst för-
derlich zu werde».

Ein nothwendiges Erforderniß, um den heiligen Styl
in seiner ganzen Größe zu entfalten, ist, daß mau an die
Ueberliefernngen glaube, welche dabey zur Quelle dienen.
Dep einem heiligen Gegenstände kann sreylich, wie dev je-
dem andern, die praktische Gewandtheit zu mehr oder min-
der löblichem Verdienste in der Ausführung leiten; aber
der Glaube ist es, der dem belügen Gegenstände erst seinen
Charakrer verleiht. Im Allgemeinen hardelt es sich eigent-
lich darum, unter nicnschticher Gestalt übermenschliche We-
sen darzustcllen; wenn ihre Züge nicht sich in der Seele des
Künstlers lauge zuvor gebildet haben, und vor derselben
gleichsam stehen geblieben sind, so wird das sichtbar gege-
bene Bild charakterlos und nach Zufall, unbestimmt und
unsicher dargestcllt, ohne Täuschung, ohne Zauber, ohne

Da« Gomälde, dessen Beschreibung hier felgt, hat, wie die
frulicr» Werke des Künstlers, ungewöbniiaies Aufsehen in
rä Wir glaubte» daher am beste» zu thun,

uniere .eftr die Stimme eines sranzdsischeu Kunstrichtcrs
darüber vernehmen zu lassen. der sscy i» seiner Kritik so
unbefangen, als in seinen Ansschtc» geistvoll zeigt. Er
gibt manche für die Ausübung der Kunst, wie für die
Keunlniß des jezt in Frankreich herrschenden KuuststrcbeuS
wichtige Winke. Bey einigen Punkten fev es uns jedoch

erlaubt, unsere abweichende Meinung anzudenten. Red.

Wirksamkeit erscheinen. Damit ein heiliges Bild Ehrfurcht
und Anbetung gebiete, damit auf der Leinwand und aus
dem Marmor unter der Hand des Malers oder des Bild-
hauers ein Christus, eine Maria, ein Engel hervvrtrete,
müssen diese idealen Wesen für ihn selbst eine Art von Wirk-
lichkeit haben; müssen ihre Gestalten, im kindlichen Gebete
seines zarten Alters auf den Grund seiner Seele gezeichnet,
mit den Jahren an Consistenz und Tiefe geivonnen haben;
niuß er sie in seinen einsamen Betrachinngen gesehen ha-
be», und dieselben uns so darstellen, wie sie ihm erschie-
nen sind; es müssen, so zu sage», die geistigen Urbilder, in
ihrer Körperlichkeit rein ausgesprochen, den Dienst geschicht-
licher Denkmünzen versehen; das Bild, ans Licht gebracht
durch die-schöpferische Kraft der Kunst, muß die Abbildung
eines inner» Urbilds scyn, dessen Ebenbild die Kunst nur
ausgeschmückt bat (?); ebne dieses fehlt Liebe, Wärme, Be-
geisterung ; hier macht der Glaube einen Theil des Talents
aus; oder, wen» fremdartige Eindrücke in der Einbildungs-
kraft dös Künstlers, die anfänglichen Vorstellungen ver-
wischt haben, so muß doch wenigstens — dieß ist unumgäug-
lich nothwendig, — das religiöse Gefühi im Grunde seines
Herzens sich erhalten haben, und unveränderlich in demsel-
ben fortleben.

Zn diese Betrachtungen mengt sich kein mystisches Stre-
ben; und überdem beschränken sie sich nicht auf das Chri-
stenthum allein: sie lassen sich auf jeden Glauben und jeden
Cultus anwenden. Man denke sich Fingal's Sohn auf ei-
nen Augenblick ins Leben zurückgerusen,und plötzlich mitten in
eine unserer Kunstausstellungen versezt, wo die Ossianischen
Scenen nicht selten sind: glaubt man, daß diese kaledoni-
schen Träumereycn (ich sage Träumercyen, weil dabey keine
Ueberlieferung den Hcrvorbringungeu unserer Künstler zur
Grundlage dient, und die Bezeichnungen, welche sie anwen-
dcn, gänzlich aus ihrem Gehirn entsprungen sind) glaubt
man, sageich, daß diese phantastischen Visionen geeignet
wären, die Harfe des schottischen Barden wieder zu erwe-
cken, und ihr neue Klange einzuhauchen? Er würde
wahrscheinlicherweise finden, daß das Genie selbst irrt,
wo es die Religion ersetzen will; daß cs da auf der Ober-
st« che bleibt, wo sie in die Tiefe geht, und daß künstliche
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