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Nr. 9r

K n n st - B l a t t.

Montag, den iz. N o v e mb e r 1822.

Betrachtungen über die Kunstausstellung zu München,
im Zahr 1820.

(Fortseynng.)

Die Bücher des alten Bundes sind immer eine der
reichsten Quellen für den bildenden Künstler gewesen.
Aber gerade dieses Gebiet der Darstellung sezt eine hohe
Freyhert und Gediegenheit der Ansicht, und eine große
Tiefe der Gedanken voraus. Gewiß ist der Sinn, in wel-
chen der unsterbliche Urbin und Buonarotti diese Aufga
de ergriffen haben, der Wahreste, fruchtbarste und lebendig-
ste. Von jenem wurde nach seiner Weise die patriarchali-
sche Zeit unserer Urvater in der großartigen Simplizität des
Fanulien-Lebend, in rein menschlicher Gefühlsweise, doch
immer mit einem Charakter von Erhabenheit nnd Ernst
geschildert, und mir einer unendlichen Wahrheit und Leben-
digkeit der aus der Natur gegriffene» Gestalten ausgestat-
tet. Buonarotti Pflegt nach der Natur seines gewaltigen
Geistes sich stets in die geheimuißvvllsten Tiefen jenes er-
wartungsvollen Zeitalters zu versenken, nnd begabt seine-
zwar gleichfalls immer ans der Narur gegriffenen Gestalten -
mit jener erschütternden Größe und Majestät des Charak-
ters, welcher durch die Blatter der heiligen Urkunde selbst
wehr. Unsere Schule folgt nun ebenfalls diesem zwei-fachen,
das Wesen der Aufgabe ergründenden Wege. So sind
jene drev Figuren der Propheten io) mehr in dem Geiste
Buonarortis gedacht, wenn gleich ohne Spur von Nachah-
mung, sonder» von ganz origineller Größe, Küdnbeit und
Tiefe der Gedanken. Ergreifend ist in diesen Zeichnungen
der Ausdruck eines erbadenen Unwillens über Israels Un-
dank, eines gewissen Dorgefübls der Leide» des verbeisse.
nen Messias, und einer tiefen Trauer über da« Schicksal
der Welt. Der majestätische Wurf der Gewänder, der hohe
Ernst, der über diesen mächtigen Gestalten waltet, stimmt
vollends mir der unendlichen Wurde des Gegenstandes über-
ein.

10) König David, bittet um Abwendung der Pest. _ Sfaj.iä

tvi'lirft bat L-weii Coristi - Daniels Äe'wt der vier große»
Weltreiche. DrcyZe>chn»ngeu von Hrn.Prof. Langer.

Einige Zeichnungen von Schülern, aus den Büchern
des alten Bundes geschöpft, sind mehr in dem milden, wenn
gleich immer ernsten Sinne Raphaels, mit hoher Smuig-
krit und tiefem Zartgefühle gedacht. 11) Ueberall leuchiet
eine Bildung hervor, welche, indem sie unaufhörlich auf die
Natur und das Leben hinweiset, zugleich nichts versäumet,
was den Styl der Darstellung vereoem, uud die Begeiste-
rung für das Heiligste der Kunst nähren und erhöhen kann.

Auch in diesem Jahre har sich der Urheber jener Kreuz-
Abnabme wieder in Gegenständen aus dem erhabenen Lie-
de des Dante versucht. Da nun dev der Betrachtung jener
Zeichnung, welche den Engel darstellt, der dem Reisenden
die Pforte der Hölle eröffnet ir), jenes erschütternde Gefühl
in uns so lebendig wird, welches wir bey der Lesung jenes
Gesanges gewiß alle empfunden haben, und dessen Grund
in der entsetzlichen Wahrheit der bedeutenden Gegenstände
sowohl, als der Art ihrer Darstellung liegt, so ist uns eben
das Wiedererwache» dieser Empfindling Bürge, daß unser
Künstler auch diese Aufgabe gelvset, daß er den wahren
Sinn jenes allgewaitigen Gedichtes in seiner Darstellung er-
gründet habe. —

Was das Colorit betrifft, so scheint auch hierin, wie
aus den Resultaten erhellet, unsere Schule den richtigen
Weg zu verfolgen. Es ist bepnahe unerklärbar, wie bep dcn
herrlichen Mustern aus der niederländischen »nd venctiani-
schen Schule, nnd »och vielmehr bep dem Hinblicke auf
die den Künstler stets in nnerschöpflicher Pracht und Har-
monie der Farben umgebende Natur, sich, bis zur neuern
Zeit, so viele falsche Ansichten gerade hierüber haben verbreiten
können, und das Auge des Malers muß offenbar erst gewaltsam
verbildet worden sevn, bevor es jenen Eindrücken so ganz wi-
derstehen kann. Wie frev aber unlere Schule von dieser Ver-
bildungiey, wie sehr st, das Auge an der Natur heranbilde, und
hierin die höchsten Muster der Alten zum Voebilde habe,
davon gibt jenes schon obengenannte Bild des Zacharias i3)

111 Z. B. di, Mot 20z v. Glink, dann Mo. 082, 689 von
Hrn. Ludw. Weyß aus Rcttenbcrg.

I2> Bon Hm. Pros. Langer,
iz) Bon >hr». Direct, v, Langer,
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