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„scheinen. Es dauert eine Zeitlang, bis diese Purpurfarbe
„von außen herein den ganzen Kreis zudeckt und endlich c-en
„Hellen Mittelpunkt völlig vertreibt. Kaum erscheint aber
„das gauze-Rund purpurfarben, so fängt der Rand au blau
„zu werden, das Blaue verdrängt nach und nach herein-
„wärts den Purpur. Ist die Erscheinung vollkommen blau,
„so wird der Rand dunkel und unfärbig, es wahret lange,
„bis der unfärbige Rand völlig das Blaue vertreibt, und
„der ganze Rank» unfarbig wird. Das Bild nimmt sodann
„nach und nach ab, und zwar dergestalt, daß es zugleich
„schwächer und kleiner wird." Die Erscheinung weißt dar-
auf hin, wie sich die Netzhaut durch eine Folge von Schwin-
gungen g?gen den gewaltsamen äußeren Eindruck nach und
nach wieder verstellt.

Nun folgt die Wirkung farbiger Bilder, welche
mit der Wirkung des Hellen und Dunkeln durchaus über-
einstimmt, indem auch diese ihren Gegensatz Hervorrufen.
„Man halte ein kleines Stück lebhaft farbigen Papiers,
„oder seidenen Zeuches, vor eine mäßig erleuchtete weiffe
„Tafel, schane unverwandt auf die kleine farbige Fläche,
„und bebe sie, ohne das Auge zu verrücken, nach einiger
„Zeit hinweg; so wird das Specrrum einer andern Farbe
„auf der Tafel zu sehen seyn. Man kann auch das farbige
„Papier an seinem Orte lassen, und mit dem Auge aufei-
„nen andern Fleck der weißen Tafel Hinblicken; so wird jene
„farbige Erscheinung sich auch dort sehen lassen: denn sie
„entspringt aus einem Bilde, das nunmehr dem Auge an-
„gebvrt." Und weiterhin heißt es: „Ob man gleich mit
„allen Farben diese Versuche anstellen kann, so sind doch
„besonders dazu Grün und Purpur zu empfehlen, wett
„diese Farben einander auffallend Hervorrufen. Luch im
„reden begegnen uns diese Falle sehr häufig. Blickt ein
„grünes Papier durch gestreiften oder geblümten Musselin
„hindurch, Ho werden die Streifen oder Blumen röthlich
„erscheinen. Durch grüne Schaltern ein graues Haus ge-
„sehea, erscheint gleichfalls röthtich. Die Purpurfarbe an
„dem bewegten Meer ist auch eine geforderte Farbe. Der
„beleuchtete Theil der Wellen erscheint grün in seiner eige-
„nen Farbe, und der beschattete in der eutgegengesezten
„purpurnen. Die verschiedene Richtung der Wellen gegen
„das Auge bringt eben die Wirkung hervor. Durch eine
„Oeffnung rother oder grüner Vorhänge erscheinen die Ge-
genstände draußen mit der geforderten Farbe. Uebrigens
„werden sich diese Erscheinungen dem Aufmerksamen überall,
;>l<i bis zur Unbequemlichkeit zeigen."*) Hierbei? wird nun

% .Sire auffallender Bcyspicl führt Goetbe diese Begegnung
an: „AlS icv gegen Abend in ci» Wirtiishaüs cintrat,

„und ei» wohlgewachsenes Mädwcn mit bicndcns - weißem
„Gesicht. ichwarzen Haare» und einem fcharlachrotbcn Mie-
,,der zu mir ins Zimmer trat, blickte ich sie. die i„ einiger |
„Entfernung vor mir stand, in der Halbdämmerung scharf '

die Harmonie und Totalität der Farbenek-
scheinung, als die Angel, auf der die ganze
Lehre sich bewegt, ein für allemal ausgesprochen. Die
j drey Grundfarben nämlich sind Roth, Blau und Gelb.
Das Auge wird nicht durch eine derselben allein befriedigt,
sondern fordert, wenn es eine gesehen, auch die übrigen,
welche ihm Sann in ihrer Mischung erscheinen. Daher
lässt sich bey den oben angeführten Versuchen jedesmal genau
die Farbe bestimmen, weiche auf die zu>rst gesehene als
Spectrum folgen muß; zum Behuf der feiner» Nuanceu
lässt sich nach Angabe der Kupferrafeln ein illuminirter Far-
bcnkreis einrichte», dessen Zeiger immer genau die Gegen-
satzeungibt. Dieser Farbenkreis ist vollständiger als der Re-
genbogen, welchem die Hauptfarbe, das reine Roth, der
Purpur fehlt, der nicht entstehen kann, da bep dieser
Erscheinung so wenig als bep dem hergebrachten Färbend,lde
des Prisma, das Gelbrorh und Blanroth sich zu erreichen ver-
mögen. — Die Hauprformel also ist:

Gelb fordert .Rothblau

Blau fordert Rochgelb

Purpur ferd-rt Grün

und umgekehrt. Um nun diese Totalität gewahr zu
werden, um sich selbst z» befriedigen, suchr das Auge neben
jedem farbigen Raum einen farblosen, um die geforderte
Farbe an demselben hervorzubringeu. Und hierin liegt das
Grundgesetz aller Harmonie der Farben, welches für
den Maler von der größten Wichtigkeit ist. Die Verglei-
chung der hier vorgetrageuen Erfahrungen mir dem lezte»
Abschnitt über die sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe wird
dem denkenden Künstler ohne allen Zweifel die mannichsal-
tigstcn praktischen Vortheile barbieren.

Als merkwürdige Falle einer solchen wechselseitigen For-
derung schließen sich die Erscheinungen der farbigen
Schatten an, wo durch vielfache Versuche gezeigt wird,
daß die Farbe des Schattens jedesmal durch die Farbe der
Fläche, auf die er geworfen ist, bestimmt wird, indem
sie stets den Gegensatz zeigt. , Als einer der schönstes
Fälle farbiger Schatten wird ein Versuch bep Mondlicht an-
gegeben. „Man sezt eine weiße Tafel dem Scheine des
„Vollmondes entgegen, das Kerzenlicht ein wenig an die
„Seite, in gehöriger Entfernung; vor die Tafel Haft man
„einen undurchsichtigen Körper; alsdann entsteht ein dvp-
„pelker Schatten, und zwar wird derjenige, den der Mond
„wirft und das Kerzenlicht bescheint, gewaltig rotbgeld, und
„umgekehrt der, den das Licht wirft und der Mond bescheint,

„an. Indem sie sich unu darauf binwcgbcwegtc, sah ich aus
„der mir entgegensteheriden weißen Wand ei» schwarzes Gc-
„siwt mit einem licUcn Schein umgeben, und die übrige Bc-
„kieidnng der völlig deutliche» Figur erschien von c.aem
„schonen Meergrün."
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