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Elisa" darstellend. Die Toilette der Psyche, eine mytho-
logisch-griechische Darstellung, ist eine Nachahmung der
David'schen Schule, und wie geschmackvoll und glänzend
sie auch behandelt se»n möge, wie einnehmend schon das
Weibliche in Köpfen, Händen und Füßen auch auügedrückt
sey, so hatten wir diese, auf niederländischen Boden
übcrgepstanzten griechischen Produkte für Athen vor 2000
Jahren schicklicher gehalten. Paelinck lebte in einer
Zeit, wo dieser Typus den allgemeinen Zeitgeist bezeich-
nete, und ließ sich durch den großen Strom mitschleppen.
— Das in Rom gemalte Gemälde des Navez athmet
einen ganz andern Geist, es ist im cdeln kirchlichen Style
ausgeführt und unterscheidet sich durch die erhabene Ein-
fachheit, welche das ausschließliche Kennzeichen der kirch-
lichen Darstellung seyn muß. Die ausführliche und na-
türliche Behandlung, feste Formenzeichnung und erhabene
Zusammensetzung machen dieses Meisterwerk des Navez,
unsers Bedünkens, zu einem der besten Gemälden der
ganzen Galerie. Später ist dieser Künstler, nachdem er
aus Rom zurückgekehrt war, hauptsächlich in seinen lebens-
großen Gemälden, viel zu tapetenartig im Kolorit ge-
worden. Wappers hat später, 1830, mit' der Aus-
stellung des Leidenschen Bürgermeisters — derselbe Ge-
genstand, den früher van Brcc behandelt hatte — einen
großen Ruhm erworben, und ihn durch sein im Jahr 1835
vollendetes Gemälde: eine „Scene de la Revolution,“
würdig aufrecht erhalten. Schade, daß er den Gegenstand
nicht besser gewählt hat, denn er hat sich, auf den Flügeln
der natürlichen Anlage, durch seinen feingebildetcn Geist
und scharfen Verstand aus dem Schlamme der Alltäglich-
keit erhoben.

In Genrcgemälden sind die vier folgenden Künstler
ausgezeichnet: Van Beueren und Breukelaar zu
Amsterdam, Brakelcer und Regenmorter zu Ant-
werpen. Ohne einen der drei Leztgenanuten benachthei-
ligen zu wollen, glauben wir van Beveren als den
Ersten in dieser Art Malerei nennen zu dürfen. Mehr
Feinheit der Auffassung und Ausführung der Gedanken
läßt sich nicht wünschen. Seine Gegenstände athmen ge-
wöhnlich eine sanfte Melancholie; vereinigen jedoch dabei
so viel erhabenen Ernst, daß man sie eher unter die klei-
nern historischen Gemälde, als das Genre würde klassi-
fiziren können. Unter seinen besten Werken nennen wir
das bekannteste, »die nachdenkende Nonne," welche Vor-
trefflichkeit des Ausdrucks und Zartgefühls liegt im Kopfe
und in den Händen! Leztere sind voraus meisterhaft ge-
zeichnet und stehen in einer schönen Uebereinstimmung
mit dem Charakter des Angesichts. Das Kolorit erinnert
uns wegen seiner besondern Zartheit und Wahrheit an
die besten alten niederländischen Maler; während er allen
Anschein und Aehnlichkeit der Ausschmückung vermieden
hat. Die, scheinbar, ohne Sorgfalt behandelte Draperie

und das Beiwerk sind mit Vorbedacht also gemalt, weil
der Kopf und die Hände ausschließend der Zweck des
Gegenstandes ausmachen sollten. — Breukelaar malt
einnehmende Gestalten in einem ausgezeichneten Ton, cs
sind meistens gewöhnliche, ans dem täglichen Leben ent-
lehnte Ereignisse. Die Arbeiten des Brakelcer sind
naiv, wahr und gemächlich, Gegenstände, welche sich auf
die altholländischen Sitten beziehen, mit Kostüme aus
Don's und JanSteen's Zeiten. — Regenmorter
wählt für seinen Pinsel gewöhnlich interessante Volks-
scenen und humoristische Gegenstände aus der niedern
Klaffe, welche größere Merkmale technischer Geschicklichkeit,
als geistiger Auffassung tragen.

Unter den verdienstlichen Landschaft- und Seestück-
malern nennen wir vorzugsweise Schelfhout, Koek-
koek und Schotei. Die beiden Erstgenannten haben
sich nicht allein in ihrem Vaterlande, sondern durch den
größten Theil Europas einen solchen Ruhm erworben,
daß wir es für unnothig achten, viel zu ihrem Lobe zu
sagen. Beide Künstler zeichnen sich besonders in Winter-
stücken aus, und in diesem Genre vereinigen sie so viel
poetisches Gefühl mit der Wahrheit der Natur, welche
sie durch eine meisterliche Technik so schön darzustellen
wissen, daß ihres gleichen nicht oft gefunden werden.
— Schotel, mit dem wir mit Recht die Reihe der nie-
derländischen Maler schließen, ist, in Ansehung der Wahr-
heit des Wassers und der Luft, größer als je ein Sce-
stückmaler vor ihm war, und vielleicht je nach ihm seyn
wird. Keiner seiner Mitbewerber kommt ihm in Ansehung
der Zartheit des Tones und Vorstellung und freien gei-
stigen Behandlung der Farben gleich. Es scheint, als ob
der kalte Nordwestwind uns aus seinen Gemälden ent-
gegeuwche, oder das Wasser bei der Wendung des Kieles
gegen den Bug aufspritze und der Schaum über die Schiffs-
bühne hinstäube; weßhalb die französische Akademie zu
Paris lange zögerte, ehe sie seinem Mitbewerber, Güdin,
die Ehrenpalme zuerkannte, und bemerkte, daß die herr-
liche Poesie der Gemälde Güdins über die treffende
Einfachheit Schotels müsse gesezt werden.

Hnlberstabt, 1. November 1839.

Mit einem ausgezeichnet schönen Apparate von Da-
guerre aus Paris (um 30 Friedrichsd'or), den ich für
Rechnung unseres KunstpcotektorS Domherrn von Spiegel
direkt von Paris kommen lassen mußte, habe ich schon
mancherlei Operationen bereits seit Ende September an-
gestcllt, und ganz ausgezeichnet schöne Sachen geschaffen.
Die Detaillirung ist wirklich merkwürdig, anch keinem
Stahlstecher ist cs möglich so fein nachzubilden, als man
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Dr. Fr. Lucanus: Halberstadt am 1. November 1839
 
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