II
den, die er in diesem Jahre zu Nom ausgeführt und
als Früchte seines Fleißes und seiner raschen Fortschritte
zur Ausstellung mitgebracht hat.
1. Eine Almosen-Spende. Vor einer'Klosterpforte
und unter einer vorn auf jonischen Säulen ruhenden
Halle im Gefolge eines Klosterbruders steht ein Kapu-
ziner Mönch, der eben aus einem Kessel in das Gefäß
einer armen Frau Suppe gießt, die schüchtern die Treppe
hinangestiegen sich ihm genähert hat. Rückwärts dersel-
ben harret ein anderes Weib, ihr säugendes Kind auf
dem Arme, der milden Gabe, während ein junger Bur-
sche, faul und gemächlich an die Säule gelehnt, in eine
Schäaie mit heißer Suppe bläst, um sie abzukühlen.
Zwilchen den Säulen rückwärts steht eine bejahrte Frau,
den Blick auf den Klosterbruder unter der Pforte gerich-
tet, durch die man in einen Theil des Kreuzganges sieht.
Links vom Beschauer sizt ans der Treppe ein gutmüthi-
ger Alter, seine Gabe zu verzehren ; eben reicht er dem
vor ihm stehenden kleinen Mädchen einen Brocken aus
der Schüssel, die er und das Mägdlein vor sich halten.
Die Architektur füllt einen bedeutenden Theil dieses
schönen Bildes aus und beurkundet des Künstlers richtige
Einsicht in die Perspective. Ton und Behandlung des
Gemäuers sind ausgezeichnet wahr und schön. Die Fi-
guren sind höchst einfach und sinnig zu einer Gruppe ver-
bunden, jede in beziehender Bedeutung auf das Ganze
und am rechten Orte, die bedeutendsten durch das Haupt-
licht kräftig hervorgehvben und durch dessen Fortsetzung
mit den übrigen verbunden. Der Alte auf der Treppe
ist in jeder Hinsicht ganz herrlich, nur die Natur kann
so wahr seyn, auch das Kind vor ihm ist die lautere
Einfalt und Unschuld. Das ÜLeib dem Mönche zunächst
ist mit eine der schönsten und anziehendsten Figuren.
Den technischen Theil hat Hr. Neh er vollkommen
in seiner Gewalt. Alles ist mit auffallender Sicherheit,
breit, bestimmt, zierlich und mit erforderlicher Klarheit
und Uebcreinstimmung der Töne vorgetragen und be-
handelt.
2. Ein Gioncataro auf offener Straße vor einem
Hause in Tivoli. Er sizt auf einem länglichen Korbe,
welcher runde irdene Gefäße mit Buttermilch zum Ver-
kaufe enthält, wovon er eines in der Hand hat, welches
eben ein armer Junge gekauft, der vor dem Korbe knieet
und ticf hinab in seine Tasche greift, noch ungewiß und
verlegenen Blickes, ob wohl seine Baarschaft hinreichen
werde, diesen labenden Trunk zu bezahlen. Diese Si-
tuation des Jungen und der aufmerksame Blick des
Gioncataro, ob er wohl mit der Zahlung für den Topf,
den >!» ihm dafür zu geben bereit ist, Herausrücken wer-
de, sind geistig und physisch mit einer außerordentlich
wahren und lebendigen Naturauffaffung geschildert. Eine
Sonineserin in bunter Kleidung steht, doch etwas
rückwärts, dem Gioncataro zur Seite, auch sie gelüstet
nach einem Töpfchen, um dessen Preis sie ihn zu fragen
scheint; sie ist ganz aus dem Leben genommen.
Man muß gestehen, daß H'r. N eh er in Italien sich
wacker mngesehen hat, und daß ihm nichts von all den
Nüan?en und selbst von den kleinsten Details entgangen
ist, womit Natur und Volk dieses malerischen Landes
sich in jeder Hinsicht eigenthümlich ausnchmen. So bauen
sich die Häuser, Städte und Landschaften nur in diesem
Lande, dieß sind der Charakter und die Physiognomien,
Stellung und Bewegung, Sitten und Gebräuche, dieß
das Costüm und die Farbe überhaupt und die bräunliche
des Inkarnats seiner ländlichen Bewohner insbesondere,
wie sie unser Künstler treu und geistvoll an Ort und
Stelle aufgefaßt uns jezt in seinen Schilderungen verge-
genwärtiget.
Seine Zeichnung ist lvbenswürdig, die Anordnung
ungekünstelt, die Beleuchtung im Ganzen auf eine gün-
stige, zusammenhaltende Wirkung berechnet, und im Ein-
zelnen wieder durch Zufälligkeiten trefflich motivirt, wie
bep dem schonen Kopfe des Gioncataro; Ausführung und
Behandlung sind bis zum erforderlichen Grade fleißig,
breit und bestimmt, klar und durchsichtig in den Schat-
ten, überhaupt nicht ohne überraschenden Grad von Mei-
sterschaft.
Um die Ruhe der vorder« Gruppe weniger zu stören
und den Eindruck ihrer großartigen Masse nicht zu schwä-
chen, hätte der Künstler, nach unserm Bedünken, besser
gethan, wenn er am Ende der Straße die Heerde Trut-
hähne mit ihren Treibern, so wahr und schön sie auch an
sich anfgefaßt sind, ganz wcggelassen, dann aber auch die
Monotonie der. Stadtmauer auf geeignete Weise unter-
brochen hätte. Auch können wir den wohlgemeyntcn
Wunsch nicht unterdrücken, daß Hr. Ne her in Zukunft
bey der Individualität weiblicher Physiognomien mehr auf
gefälligere, blühendere Formen und Züge Rücksicht nehme,
um auch von dieser Seite noch den Reiz seiner anziehen-
den Bilder zu erhöhen; wie wir denn auch zuversichtlich
hoffen, daß die bräunliche Gesichtsfarbe ihm auf seiner
Pallete keineswegs stehend geworden fty, und er datier,
wo Klima und Natur eine andere Carnation erzeugen,
jene auch der Natur gemäß anders modificireu werde.
3. Eine Mutter mit ihrem Säugling an der Brust
sizt unter der Arkade vor einem Hans, neben ihr ein
Korb init Früchten, vor ihr siebt ein spinnendes Mad-
chend, sinnend, den Bl-ick ans den Säugling gerichtet.
In der Ferne öffnet sich die Aussicht ans eine Landschaft
mit mehreren Gebäuden. . Physiognomie und Ausdruck
der Köpfe, so wie Costüm und Farbe, sind ganz nach
dem Leben aufgefaßt. Vielleicht möchten die weißen Ge-
den, die er in diesem Jahre zu Nom ausgeführt und
als Früchte seines Fleißes und seiner raschen Fortschritte
zur Ausstellung mitgebracht hat.
1. Eine Almosen-Spende. Vor einer'Klosterpforte
und unter einer vorn auf jonischen Säulen ruhenden
Halle im Gefolge eines Klosterbruders steht ein Kapu-
ziner Mönch, der eben aus einem Kessel in das Gefäß
einer armen Frau Suppe gießt, die schüchtern die Treppe
hinangestiegen sich ihm genähert hat. Rückwärts dersel-
ben harret ein anderes Weib, ihr säugendes Kind auf
dem Arme, der milden Gabe, während ein junger Bur-
sche, faul und gemächlich an die Säule gelehnt, in eine
Schäaie mit heißer Suppe bläst, um sie abzukühlen.
Zwilchen den Säulen rückwärts steht eine bejahrte Frau,
den Blick auf den Klosterbruder unter der Pforte gerich-
tet, durch die man in einen Theil des Kreuzganges sieht.
Links vom Beschauer sizt ans der Treppe ein gutmüthi-
ger Alter, seine Gabe zu verzehren ; eben reicht er dem
vor ihm stehenden kleinen Mädchen einen Brocken aus
der Schüssel, die er und das Mägdlein vor sich halten.
Die Architektur füllt einen bedeutenden Theil dieses
schönen Bildes aus und beurkundet des Künstlers richtige
Einsicht in die Perspective. Ton und Behandlung des
Gemäuers sind ausgezeichnet wahr und schön. Die Fi-
guren sind höchst einfach und sinnig zu einer Gruppe ver-
bunden, jede in beziehender Bedeutung auf das Ganze
und am rechten Orte, die bedeutendsten durch das Haupt-
licht kräftig hervorgehvben und durch dessen Fortsetzung
mit den übrigen verbunden. Der Alte auf der Treppe
ist in jeder Hinsicht ganz herrlich, nur die Natur kann
so wahr seyn, auch das Kind vor ihm ist die lautere
Einfalt und Unschuld. Das ÜLeib dem Mönche zunächst
ist mit eine der schönsten und anziehendsten Figuren.
Den technischen Theil hat Hr. Neh er vollkommen
in seiner Gewalt. Alles ist mit auffallender Sicherheit,
breit, bestimmt, zierlich und mit erforderlicher Klarheit
und Uebcreinstimmung der Töne vorgetragen und be-
handelt.
2. Ein Gioncataro auf offener Straße vor einem
Hause in Tivoli. Er sizt auf einem länglichen Korbe,
welcher runde irdene Gefäße mit Buttermilch zum Ver-
kaufe enthält, wovon er eines in der Hand hat, welches
eben ein armer Junge gekauft, der vor dem Korbe knieet
und ticf hinab in seine Tasche greift, noch ungewiß und
verlegenen Blickes, ob wohl seine Baarschaft hinreichen
werde, diesen labenden Trunk zu bezahlen. Diese Si-
tuation des Jungen und der aufmerksame Blick des
Gioncataro, ob er wohl mit der Zahlung für den Topf,
den >!» ihm dafür zu geben bereit ist, Herausrücken wer-
de, sind geistig und physisch mit einer außerordentlich
wahren und lebendigen Naturauffaffung geschildert. Eine
Sonineserin in bunter Kleidung steht, doch etwas
rückwärts, dem Gioncataro zur Seite, auch sie gelüstet
nach einem Töpfchen, um dessen Preis sie ihn zu fragen
scheint; sie ist ganz aus dem Leben genommen.
Man muß gestehen, daß H'r. N eh er in Italien sich
wacker mngesehen hat, und daß ihm nichts von all den
Nüan?en und selbst von den kleinsten Details entgangen
ist, womit Natur und Volk dieses malerischen Landes
sich in jeder Hinsicht eigenthümlich ausnchmen. So bauen
sich die Häuser, Städte und Landschaften nur in diesem
Lande, dieß sind der Charakter und die Physiognomien,
Stellung und Bewegung, Sitten und Gebräuche, dieß
das Costüm und die Farbe überhaupt und die bräunliche
des Inkarnats seiner ländlichen Bewohner insbesondere,
wie sie unser Künstler treu und geistvoll an Ort und
Stelle aufgefaßt uns jezt in seinen Schilderungen verge-
genwärtiget.
Seine Zeichnung ist lvbenswürdig, die Anordnung
ungekünstelt, die Beleuchtung im Ganzen auf eine gün-
stige, zusammenhaltende Wirkung berechnet, und im Ein-
zelnen wieder durch Zufälligkeiten trefflich motivirt, wie
bep dem schonen Kopfe des Gioncataro; Ausführung und
Behandlung sind bis zum erforderlichen Grade fleißig,
breit und bestimmt, klar und durchsichtig in den Schat-
ten, überhaupt nicht ohne überraschenden Grad von Mei-
sterschaft.
Um die Ruhe der vorder« Gruppe weniger zu stören
und den Eindruck ihrer großartigen Masse nicht zu schwä-
chen, hätte der Künstler, nach unserm Bedünken, besser
gethan, wenn er am Ende der Straße die Heerde Trut-
hähne mit ihren Treibern, so wahr und schön sie auch an
sich anfgefaßt sind, ganz wcggelassen, dann aber auch die
Monotonie der. Stadtmauer auf geeignete Weise unter-
brochen hätte. Auch können wir den wohlgemeyntcn
Wunsch nicht unterdrücken, daß Hr. Ne her in Zukunft
bey der Individualität weiblicher Physiognomien mehr auf
gefälligere, blühendere Formen und Züge Rücksicht nehme,
um auch von dieser Seite noch den Reiz seiner anziehen-
den Bilder zu erhöhen; wie wir denn auch zuversichtlich
hoffen, daß die bräunliche Gesichtsfarbe ihm auf seiner
Pallete keineswegs stehend geworden fty, und er datier,
wo Klima und Natur eine andere Carnation erzeugen,
jene auch der Natur gemäß anders modificireu werde.
3. Eine Mutter mit ihrem Säugling an der Brust
sizt unter der Arkade vor einem Hans, neben ihr ein
Korb init Früchten, vor ihr siebt ein spinnendes Mad-
chend, sinnend, den Bl-ick ans den Säugling gerichtet.
In der Ferne öffnet sich die Aussicht ans eine Landschaft
mit mehreren Gebäuden. . Physiognomie und Ausdruck
der Köpfe, so wie Costüm und Farbe, sind ganz nach
dem Leben aufgefaßt. Vielleicht möchten die weißen Ge-