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Nr. 9r

Kunst-Blatt.

Montag, "den lg. N o v e m b e r 1826.

Paris, am r5. August 1826. *)

Kunstausstellung zum Vorthcil der Griechen.

Die Gefühle, die das edle Streben Griechenlands
bep allen civilisirten Nationen erzeugt hat, verglichen
mit dem Verfahren der Cabinette, sind eine der merkwür-
digsten Erscheinungen unseres Jahrhunderts; die Ge-
schichtschreiber werden nicht unterlassen, den Unterschied
zwischen der jetzigen Zeit und der Zeit der Kreuzzüge her-
vorzuheben, wo alle Herrscher ihre Vasallen aufriesen und
alle Altäre von den geistlichen Ermahnungen wiederhallten.

Dagegen rief die Theilnahme, welche die Griechen
allenthalben erregten, eine Menge Bestrebungen hervor,
ihnen auf nachdrückliche Weise zu helfen. In Paris z. B.
nahmen es die durch Geburt und ihre Stellung in der
bürgerlichen Gesellschaft ausgezeichnetsten Frauen über sich,
von Haus zu Haus zu gehen und die Veyträge einzu-
sammeln, zu denen sich jeder gerne verstand; andere
widmeten ihre Talente diesem erhabenen Zwecke und ver-
anlaßten öffentliche Concerte, wo sie sich furchtlos vor
der versammelten Menge hören lassen konnten, weil der
Zweck das Mittel heiligte; endlich hat auch die Malerev,
die ihre schönsten Erzeugnisse den Erinnerungen aus Grie-
chenland verdankt, ihren Tribut erstatten wollen, und
die ausgezeichnetsten Maler unserer Schule haben höchst
beachtuugswerthe Werke eingeschickt, wovon man eine
Ausstellung veranlaßte, die jezt noch die öffentliche Auf-
merksamkeit auf sich^zieht.

Diese Ausstellung ist in der That von ganz beson-
derem Charakter; sie besteht aus Werken, die den ersten
Zeiten unserer neuen Epoche angehörcn, welche demnach
von der jetzigen Generation wenig gekannt sind; man
sieht auch daselbst Gemälde, die bis jezt in den Cabi-
nelten der Liebhaber verschlossen waren und andere, die
von den öffentlichen Ausstellungen des dargestellten Ge-

*) Durch Zufall verspätet.

genstandes wegen, zurückgewiesen wurden. Alle Meister
der neuen Schule beeilten sich ihre Werke cinzuschicken,
um gleichsam eine neue Prüfung, wodurch ihr Ruhm sich
nur befestigen kann, hervorzurufen. Die Werke Davids,
des Haupts dieser Schule, zeigen sein Talent bey seinem
ersten Auftreten, in seiner Blüthe und in seinem Abneh-
men. In der That ist der Tod Hektors dasjenige
Bild, welches David die Pforten der alten Akademie öff-
nete; es enthält noch einige Spuren des schlechten Ge-
schmackes der alten Schule; die Draperie ist schlecht ge-
worfen und kleinlich, aber das Nackte ist wundervoll ge-
malt; der Ausdruck der ganzen Gestalt ist kräftig und
wahr. Der Tod des Sokrates ist eines der schön-
sten Werke dieses großen Malers; er faßte den Moment
auf, wo der Weise '.n Giftbecher ergreift mit einer
Ruhe, die dem Schmerz der Freunde und Schüler Still-
schweigen gebietet. Obgleich er Sokrates nach den alten
Monumenten uns darstellt, so wußte er doch seine Häß-
lichkeit durch den Charakter und den ganzen Ausdruck
des Gesichtes zu mildern. Die Horatier gehören auch
zu den schönsten Gemälden Davids; aber es ist nicht das
Original, welches wir bey der jetzigen Ausstellung sahen,
sondern eine Copie von Girod et, die der Meister, ob-
gleich er nie die Hand daran legte, immer als sein Werk
angesprochen hat. Bon aparte wie er über den
Bernhard zieht, gehört einer andern Epoche an; es
ist ein Gemälde, welches mit Wärme aufgefaßt und mit
Begeisterung ausgefübrt ist. Mars entwaffnet durch
Venns, Eros und die Grazien zeigen die lezten
Funken eines erlöschenden Feuers. Dieß Gemälde, von
welchem diese Blätter schon ausführlich Nachricht gege-
ben, zeigt eine Farbenpracht, die David blos in seinen
lezten Werken anzuwenden pflegte.

Ein junger Maler, Drouais, dessen Tod so große
Betrübnis, erregte, hat einige Werke hintcrlassen, aus
welchen man ersieht, daß er die Bahn seines,Lehrers
David verfolgte. Sein Philoktet auf Lemuos, der mit
dem Flügel eines wilden Vogels seine Wunde kühlt, zeigt,
wie der Tod Hektors, noch Spuren der alten Schule, aber
die Darstellung ist wahrer, fester und erhabener. — Man
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