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einsam noch aufrecht stehender Chor aus dem Kranz ent-
laubter Elchen in Mitte schauerlicher Winterlaudschaft
ragt, indeß, den schwermuthsvolleu Eindruck zu vermeh-
ren, rechts im Vorgrunde die von Schnee entblößte Erde,
dunkel gähnend, uns das offene Grab zeigt, wo den mü-
den Pilger endlich der lezte lange Schlaf erwartet. Die
halb eingesunkenen, weiß beschneiten Hügel, die zerbroch-
nen von so manchem Wintersturm gestürzten Kreuze, ne-
ben den stummen, matt einherschreitenden Mönchsgestal-
ten, den ungefchmückten Sarg an ihrer Spitze, öffnet
jedem Betrachlcnden eine Gedankenreihe, die als End-
punkt ihm das Nichts unseres hochgehaltenen Daseyns in
wahrhaft grausenhafter Bilderschrift vor Augen halt.

Ein Blick auf die Schweizer-Alpen, ebenfalls von
Friedrich, hebt uns über das Todesthal jener Win-
terla.ndfchaft in die Riesenwerkstatt der Natur; denn wir
sehen die grauen Zacken der Gletscher, belauschen den aus
geschmolzenem Schnee werdenden Bach in seiner Eiswiege
und schwindeln vor dem Abgrund, der sich zwischen dem
ewigen Winter und der grünen Frühlings-Matte hinab-
stürzt, lvo das Leben zuerst wieder die erstarrte Erde wach
küßt. Diesem grandiosen Gemälde, welches ich auch in
der lezten Ausstellung schon bewundert, fehlt nichts als
ein Vordergrund, den die höchsten Gipfel riesiger
Tannen zu bilden bestimmt waren, und welchen der Be-
sitzer, in Ermanglung des Künstlers, vielleicht durch eine
Art Schirm aus solchen Daumgipfeln, oder durch eine
gewölbartige Umgebung ersetzen könnte, die uns so den
Genuß der Aussicht in vollständiger Täuschung gewahren
würde.

Einige schöne Seestücke von Backhupsen, Wilhelm
v. d. Velde u. s.. w. erinnerten mich angenehm an 6en
Blick aufs Meer, und von demselben nach der mastum-
pflanzten Hafenstadt, wie die herrlichen Umgebungen.
Stockholms mir dieses heitergroße Schauspiel oft gewähr-
ten ; und die Bewohner unserer märkischen Sandebenen
konnten vermöge dieser Vorstellungen hier auch ohne
Dampfboot eine Fahrt auf dem mächtigen Elemente
machen.

Zimmermanns zu früh uns entrissenes Talent
ergözt noch wehmüthig durch einige Gemälde und Skizzen,
die dessen treues Studium der Natur und die Leichtig-
keit darthun, welche der Künstler sich bereits in techni-
nischer Hinsicht erworben. Erfreulich findet die Erwar-
tung, welche ein junger Mitbürger bereits früher erregt
hier in dem lezten Gegenstand des, >56 Nummern star-
ken Verzeichnisses ihre volle Bestätigung: in dem Bildniß
eines Knaben, dem jüngern Sohn des Hauses, überrascht
uns etwas wahrhaft Vortreffliches an Zeichnung, Charakter
und Ausführung und lockt uns immer wieder zu sich. Ge-
wiß die klaren treuen Kinderaugen, wie aus diesem Spie-
gel un's anblickend konnten nur von sinnig liebevoller Auf-

fassung so sprechend wiedergegeben werden. Herr Cords
hat, von Italien wieverkehreuo, seinen Freunden mit der
eben genannten Arbeit zugleich bewiesen, daß er viel ge-
lernt, und besser noch dorr seine Eigemhümlichkelt nicht
vergessen hat, was sowohl von der Perfektibilität, als
dem mnern Gehalt seines Talentes zeugt. Man sah
Kunstverständige wohlgefällig dabep verweilen, und zer-
streute Fremde, deren Blicke nur flüchtig längs den Wan-
den schweiften, vor dem Bildchen zum ersten Male still
stehen, an dem sich jeder unbefangene Beschauer gewiß
erfreuen wird.

Die Leichtigkeit, mit welcher schnell eine nicht geringe
Zahl bedeutender Kunstwerke auf einen Platz versammelt
worden, zeigt zur Genüge, wie viel Vortreffliches Berlin
in sich saßt, das bev Privatpersonen zerstreut, nur diesen
und den in jene Familien eingefübrten Personen bekannt,
dennoch dazu geeignet iiuire, die Mehrzahl des kunstlie-
benden Publikums zu erfreuen, welches, um sich an der
Vereinigung der königlichen Kunstfchatze zu ergötzen, den
vollendeten Bau des Museums erwarten muß. Daber
es gewiß sehr zu wünschen wäre,' daß ein ähnliches fest-
bestehendeü Lokal zuförderst sich hier befände, wo die libe-
ralen Besitzer schätzbarer Gemälde dieselben dem Publikum
sür eine bestimmte Zelt zur Bewunderung gönnen, wo
Kunsthändler abwechselnd das Beste aus ihren Samm-
lungen zur Äenntniß der Liebhaber bringen, endlich aber
die Künstler Berlins ihre znlezt vollendeten Arbeiten anf-
stellen lassen, möchten, um dadurch, sowohl Raum für die
neu angefangenen in ihren Atteliers, als mehr noch, eine
kostbare Zeit zu gewinnen, welche ihnen durch die Ver-
pflichtung verloren geht, täglich diejenigen zu empfangen,
welche neugierig zu einem oder dem andern bekanut ge-
wordenen Werke ihres Pinsels wallfahrten. Eine, bepm
Custoüe des Kunstsaales niedergelegte, kurz erläuternde
Notiz, die Arbeit betreffend, genügte statt aller mündlichen,
dem ungeduldigen Künstler oft unerträglichen Wiederbo-
lungen, die, nächst den vielfachen Unterbrechungen im
Feuer der Arbeit, gewiß zu den schweren Gegengewichten
des Glückes gehören, welches ein gelungenes Werk seinem
Schöpfer gewährt.

Vielleicht wäre die Anordnung einer so gemeiunützi-
gen Anstalt der Tbätigkeit des, seit Kurzem hier gebil-
deten Kunstvereins nicht unwürdig, indem sich so ellein
die Angewöhnung, etwas Schönes gern und oft zu sehen,
im Publikum bleibend bilden ließe, das gegen andere
Hauptstädte Europa's, ja selbst Deutschlands, in diesem
Punkte bisher nur stiefmütterlich bedacht ist.

Der Umstand, daß der Ertrag gegenwärtiger Ans-
stellnng einem Zwecke gewidmet ist, für den nur eben je,
des, fühlende Herz sich erwärmt, mußte dem gebildete»
Publikum Berlins zum doppelten Anlaß werden, eine
Gelegenheit zu benutzen, die man seinem lebendigen Sinn
für Wohltbätigkeit darbot. Auch findet man, seitdem der
Anordner wohlwollende Absicht allgemeiner bekannt ge-
worden, allen Stunden dort Schaulustige versammelt.
Es sev uns erlaubt, die Hoffnung auszusprechen. daß
Hrn. Reimers Gefälligkeit, die Dauer der Ausstellung
noch bis zum Ende dieses Monats zu verlängern, ein
angemessenes Resultat in Betreff der wilden Bcvträge
liefern möge. Und wenn selbst derjenige, welcher sich be-
deutenden Einlammlunge» nicht anzuschließen vermochte,
hier sein Scherflein der Nokh blutender Mitchristen brin-
gen kann, so vergißt der wahre Knnstfreund schnell, daß
er zugleich ein Allmoscn für die leidende Menschheit bey-
gesteucrt.
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