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Nr. zi

Kunst - B l a t t.

Montag, den 17. April 1826.

Hinterlassene Briefe

von

Carl Graß.

(Fortsetzung.)

II.

Lieber theurer Meister nnd Freund!

Lauge ist's, seir ich Ihnen nicht geschrieben habe,
doch war ich der lezte, der schrieb. Seitdem — es war
im April — flog ich nach Neapel, erneuerte tausend
Erinnerungen an Pästum, Salerno, la Cava und Nocera,
war auf dem Vesuv und Camaldoli und war überall froh
und glücklich, wie in holder Begleitung der Camönen.
Jezt leb' ich seit -4 Tagen in Arrccia und Albano, wo-
hin ich floh, weil das Fieber mich wieder heimzusuchen
drohte, wenn ich da bliebe in der heiligen Stadt. Die
Landluft stellte mich sogleich wieder her und der Speziale
von Ariccia versichert: I°> st» com° un Ccs»re. Gleich-
wohl glaub' ich, daß Sie und SC. noch besser stehen, im
Fall Sie im Sommer in der Landgegend leben können.
Deutsche Bergluft unter deutschen Freunden stärkt Lunge,
Herzen und Nieren. Ob ich noch dazu komme, das ein-
mal an Ihrer Seite zu erfahren? —

Seit vier Tagen war ich in Rom. Tborwaldlens
Adonis ist ein Meisterstück der Kunst. Es ist ein wun-
derschöner Jüngling mit herrlichem Kopf. Die sanfte
Bewegung der Ruhe, in der er seine schöne Form auS-
drückt, läßt sich nicht glücklicher denken. T. hat nie ein
vollendeteres Modell gemacht. Ich vernehme, daß der
Kronprinz von Baiern eine Statue bestellt hat und ich
vcrmuthe und wünsche, daß es diese sevn möchte, die
durch bloßen Anfall ein wie verabredetes Gegenstück zu
der Venus, die Canova für den Prinzen macht, abgibt.
Bevde sind von gleicher Größe und die Bewegungen der
Köpfe gegen einander gekehrt. Ein solcher Aufall ist eine
schöne Vorbedeutung von etwas Vortrefflichem, das die
neuere Kunst aufflellen wird. Canova war vor einigen
Tagen bep T. Er fand die Figur vortrefflich und nichts

daran auszusetzen, da er sonst doch immer eins oder
das ander.e bemerkte. Dreymal ging er weg, und drey-
mal kehrte er wieder. Dieser gleichsam unwillkürliche
Beyfall eines solchen Meisters ist mehr werth, als das
lauteste Lobpreisen aller andern Dilettanten und des Pu-
blikums. — Die Idee des Kronprinzen ist wirklich schön,
die künftige Geschichte der Kunst wird bep dieser Samm-
lung weilen und Ihm den verdienten Kranz aufsetzen,
um so mehr, je einziger er auf das Aeitalter sanft und
erfreulich einwirkte durch seine Liebhaberei), die mit Ge-
schmack, Einsicht und einem zarten Sinn für das blei-
bende Vortreffliche verbunden ist. — Gestern sah ich auch
den Bacchus von Goethe, (dem Schüler Sörgels, eines
der ersten Bildhauer unserer Aeit.) Dieser junge Künstler
(Goethe) hat zur Verwunderung der Römer, ganz allein,
ohne alle Beyhülfe der Marmorarbeiter seine Statue ans-
gemeiffclt und ihr eine seltene Vollendung gegeben. —
Liebe, Geschmack und Fleiß haben bepnahe nichts zu wün-
schen übrig gelassen. Die Füße sind meines Erachtens
so vortrefflich ausgearbeitet, daß sie jeder Antike zur
Seite gestellt werden können. Die Statue hat eine
schöne zarte Ruhe, und gewährt von allen Seiten ein ge-
fälliges Ansehen. Gewiß gehört sie zu dem Vortrefflicheren,
das in Rom gemacht worden ist, und mich dünkt, daß
der Sinn des Künstlers, mit dem er den Bacchus nicht
so sehr individualisirt bat, wie es in den Vorstellungen
der Alten gewöhnlich geschieht, sondern sich so viel mög-
lich an die allgemeine schöne männliche Form gehalten
hat, — ihm Ehre macht.

Canova hat öfters diese Statue gesehen, und ich
halte sie für eine der vollendetesten, die hier gemacht wor-
den sind. Daher wäre es Schade, wenn sie nach dem ei-
sigten Schweden ginge. Wie ich höre, hat sich der baier'-
sche Minister eine Zeichnung davon ansgebeten, und viel-
leicht erhält einmal diese mit der vorigen gleichzeitige Ar-
beit ein glcichörtliche Bestimmung.

Aus Rom sind übrigens mehrere Künstler wegge-
gangen, unter denen Wagner ist. Sein Bild ist in der
Literaturzeitung vvrtheilhaft angezeigt worden. Eine der
vorzüglichern Arbeiten, die jetzo im Werk sind, ist ein
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