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van der Helft, seiner Kraft bewußt und sie ganz ge-
brauchend, in der Abbildung eines jungen hübschen Mäd-
chens, die mit braunen Augen und frischer Jugendfarbe,
nur reizlos, weil noch nichts sie reizt, gleichsam lebend
sowohl in der Ausführung des Fleisches, als der Beywerke
sich aus dem Rahmen hervvrhebt.

Unter den größeren, frommen Gegenständen gewid-
meten Gemälden verdient jedoch unbestreitbar ein Werk
S chor cels hier den ersten Platz; Maria mit denn Je-
suskinde vorstellend, welches sich im Besitz des Herrn
Reimer befindet. In Mitten eines großen, wohlge-
schmüchten Zimmers sizt die Jungfrau auf der Erde oder
einem niedern Schemel, und hält das, mit einem Hemd-
chen bekleidete Kind auf ihrem Schovß. Das Antlitz der
Jungfrau ist sanft gesenkt, von schöner, höchst jugend-
licher Form und dem aiunuthigsten Ausdruck. — Das
Kind kräftig, vor sich hin nach einer dargebotencn Blu-
me greifend. Alle Beywerke zeugen von besonderem Fleiß
und es macht einen behaglichen Eindruck, die schöne junge
Mutter in dem wohnlichen Gemach, mit allen Bequem-
lichkeiten umgeben zu sehen, wie sie die Bebausungen
wohlhabender Familien in der Zeit des Meisters ehrbar
und auf die Dauer zu besitzen pflegten. Diese etwas un-
gewöhnliche Art in der Vorstellung einer Madonna,
könnte zu der Vermuthung verleiten, daß wir hier ein
Bildniß, und zwar in der Umgebung des lebenden Ori-
ginals sehen; wenigstens tritt nichts Störendes dieser
Vermuthung entgegen, wie das harmonische Ganze Ruhe
und Häuslichkeit athmet, und jenen festen Bestand der
Dinge zu erkennen gibt, der aus unseren, dem steten
Wechsel unterworfenen Wohnungen leider auf immer ge-
wichen zu seyn scheint.

Zunächst diesem Bilde stellt sich niir in der Erinne-
rung ein anderes dar, welches den heit. Hieronymus le-
send vvrstellt, und offenbar ans der früheren italienischen
Sckule (es wird dem I. Bellini zugeschrieben), noch
jene Elemente in sich trägt, vermöge welcher sich eine
Aehnlichkeit zwischen den bepden, später so scharf getrenn-
ten Kunstschulen Nachweisen läßt.

Das Gemälde ist mehr lang als hoch; zur Linken
zeigt ein oberhalb angebrachtes offenes Fenster die blauen
Gipfel ferner Berge. — Der Beschauer sieht die Welt,
welche der Fromme im ernsten Geniache nicht sieht, das
mit Getäfel versehen, worin Bücherschränke längs der
Wand fortlaufen. Am rechten Ende des auf zwei) Stu-
fen ruhenden langen Tisches aber sizt der Heilige, das
aufgeschlagene große Buch mit seiner schlanken Linken hal-
tend , indeß die rechte Hand dem sinnenden Haupte zur
Stütze dient. Er ist mit hellrorhem langem Gewände be-
kleidet, das, in den niedern Schattenpartieen von dun-
kelsafligem Lack schattirt, an die Färbung des großen
Christusbildes erinnert, welches in Dresden ebenfalls

dem I. ,Bellini zugeschrieben wird. Der Cardinaishut
lehnt neben dem Lesenden an der, rings herum laufen-
den hölzernen Bank; links vorne stehen des Heiligen
Pantoffeln neben einander, und ein indisches Huhn wan-
delt darneben auf langen Beinen einher, daß man den
dumpfen Ton seiner Tritte durch die lautlose Stille zu
vernehmen glaubt.

Hubert van Eyck lernte ich hier in einer heiligen
Familie von schönem Ausdruck und trefflicher Ausführung
kennen: Maria und Anna (im Katalog wurde diese Eli-
sabeth, wie mir scheint, jedoch ohne hinreichenden Grund,
genannt) sitzen auf einem Thron, neben einander. Die
Matrone nimmt das heilige Kind eben aus den Armen
der im purpurnen Mantel gekleideten Jungfrau, die von
regelmäßig schönen Zügen, in holder Weiblichkeit vor sich
niederblickt, indeß ihr langes golden glänzendes Haar
kan ft gekräuselt tief über ihre Schultern herabwallt. Ein
in höchster technischer Vollendung ausgeführter Goldbro-
kat mit schwarzer Zeichnung füllt den Raum hinter bev-
den Gestalten und bildet den Thron, dessen Pfeiler aus
agathuen Säulen mit goldner Verzierung ebenfalls eine
fast wunderbare Ausführung zeigen. Joseph und (wahr-
scheinlich) Joachim stehen zur Seite, und erinnern an
Johann van Epck's Köpfe, ohne jedoch im Charakter
diese zu erreichen; kleine Engel spielen im Vorgrund auf
verschiedenen Instrumenten. Das Ganze, vortrefflich er-
halten, macht einen so gefälligen als würdigen Eindruck.

Ein kleines Bild von Hugo v. d. Goes stellt An-
ne, von einer Säulenhalle überwölbt, in stiller Betrach-
tung des ihr bevorstehenden lang erbetenen Glückes dar,
indeß Joachim, dankbar fromm ihr zur Seite kuieend
betet. — Die Erscheinung des Engels, welcher diesem
die Erfüllung seines Wunsches ankündigte, klein gemalt
in der Ferne, veranlaßt mich dieses Bild, welches im
Katalog die Namen von Maria und Joseph trägt, auf
die eben angeführte Weise zu erklären, wobei) mich noch
besonders das auffallend ältliche Aussehen der weiblichen
Figur bestimmt, indem wohl von alten deutschen Mei-
stern die Jungfrau mehr oder weniger schon, doch im-
mer mit den bestimmten Zügen der Jugend dargestellt
zu werden pflegt, hier aber sogar den Händen der Cha-
rakter des Alters geflissentlich gegeben worden ist.

Von so wahrem als edlem Ausdruck spricht ein Ge-
mälde von M. Hemskeerk — den Beschauer an, die
wehklagenden Frauen vorstellend, welches uns den Meister
auf der Kunststufe zeigt, die er nach seinem Aufenthalt
in Italien erreicht hatce. — In dieser schön gedachten
Arbeit läßt sich bestimmt Nachweisen, daß er Raphaels
Werke gesehen und studirt batte; wie unter andern das,
hinter der Madonna mit fest gefaltet emporgehobenen
Händen stehende Mädchen, an eine der schönsten Gestal-
ten in dem unter dem Namen u 8x»si-»o äi Sicilia be-
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