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4-4

hie Werke seiner Schule von den Sparern nie wieder er-
reicht werden. Dieser Behauptung, welcher die herr-
lichen Arbeiten des Grabstichels von Edelink bis auf die
neuesten feiten laut zu widersprechen scheinen, ist nun
das Wort zu fübren. Zwar ist durchaus nur behauptet
worden, daß Mark Anton seine Kunst im Wesent-
lichen erschöpft habe, und daß es der, den Werken sei-
ner Schule eingepragte klassische Knn stcharakter
sev, was von den Später» nicht mehr erreicht wurde.
Welches ist nun aber der wesentliche Werth und Zweck
der Kunst des Grabstichels, als: nachzubilden? und
welche Nachbildung ist die vorzüglichste? Gewiß nur
jene, welche dem Vorbilde am nächsten kömmt. Welchen
der Vorzüge eines Malerwerkes kann sich aber der Grab-
stichel besser und vollständiger aneigucn, als die Zeich-
nung? und von welchem Kupferstecher ist wohl je Mark
Anton im Zeichnen übertroffen worden, er, dem Rafael
selbst die Hand geleitet, und seine Umrisse corrigirt hat.
Besteht nicht ferner jener klassische Kunstcharakter, der
den Werken seiner Schüler ihren Vorzug gibt, gerade (
darin, daß jene tüchtigen Männer sich den Sinn und
Geist ihrer Vorbilder anzueignen und ihn wiederzugeben
haben? Hiezu werden aber zwep Hanptbedingnngen vor-
ausgesezt; fürs erste, daß überhaupt nur klassische Vor-
bilder gewählt werden; und fürs zweyte — woran cs spä-
terhin wohl am meisten gefehlt hat — daß der Nachbild-
ner sich mit seinem ganzen Wollen und Bestreben dem
Vorbilde unterordne. Wenn in dem Augenblicke, wo sich
der Kupferstecher mit seiner Fertigkeit auf Kosten des
Vorbildes geltend macht, (und das ist wohl die Erbsünde
der spätern Leistungen in diesem Fache) ist es um den
Hauptzweck und Werth seiner Kunst, um die getreue
und charakteristische Nachbildung geschehen.

Wir wollen es versuchen, uns die Hauptvorzüge
jener alten Blätter — die noch immer mit so vollem
Rechte der Stolz der Sammlungen sind — und welche
hier als mitwirkend zu dem Ruhme und zur Ausbrei-
tung des Kunstgeschmackes der römischen Schule einge-
führt worden — näher zu bezeichnen, und zugleich ver-
gleichende Blicke auf die spatern Leistungen in die-
sem Fache hinzufügen. Es läßt sich aber fast alles,
was zu dem Lobe dieser Blätter zu sagen ist, in dem
Satze zusammenfassen: daß sie in dem Geiste ihrer
Vorbilder gefertigt sind. So wie es nun jenen
Malern selbst, bei) ihren umfassenden Werken, immer
so ganz vorzüglich um die Hauptsache, um den Zweck
zu thun war: poetisch ergriffene Ansichten des Lebens
auf eine sinn - und geistvolle Weise darzustellen; so wie

sie selbst immer alles weise unterordneten, was bep einem
so lebendigen und kräftigen Wirken ins Große sich
nothwendig nur als Nebensache geltend machen konnte,
so folgten auch unsere Nachbildner diesem bedeutenden
Winke — stets bedacht, mit der frischesten Kraft ihrer
Kunst sich der Hauptsache zuzuwenden, und das, was
den Geist und das Herz der Freunde des Schönen am
meisten befriedigt und erfreut, rein und selbstständig vor
das Auge zu bringen. Jene Blatter haben also schon
einmal den großen Vorzug, nur bedeutende Kunstschöpfun-
gen, und zwar in einem großen Cbarakter darznstellcn.
Aber nicht blos in einem bedeutenden Charakter über-
haupt, sondern auch in dem eigenthümlichen Cbarakter
der individuellen Vorbilder sind diese Arbeiten vollendet.
Und das ist jenen Künstlern auf dem einfachen Wege
gelungen, daß sie—durchaus nichts fremdartiges in ihre
Darstellung inischend — das Vorbild in ieiner reinen
Wesenheit wiedergeben. Hierin liegt aber wieder ein
doppeltes Verdienst dieser Blätter. Einmal, daß sie in
ihrer Zeit selbst schon zur Aufrechthalcung und Verbrei-
tung des klassischen römischen Kunstgeschmackes unendlich
Vieles beptrugen; fürs zweyte aber, daß sie noch heut-
zutage für uns den unschätzbaren Werth haben, als
Werke gelten zu dürfen, welche uns den Geist und das
Wirken dieser großen Schule auf das Lebendigste reprä-
sentiren. In dieser lezten Beziehung ist für uns gerade
das negative Verdienst jener Kupferstecher: nichts dem
Vorbilde fremdartiges in ihre Blätter aufgenommen zu
haben, von einer großen Wichtigkeit. Denn da in die-
sen Blättern so viele Entwürfe und Zeichnungen großer
Maler gerettet wurden, deren Urbilder längst unterge-
gangen sind, so ist es um so erfreulicher, den Nachbil-
dungen volles Zutrauen schenken und sich der Ueberzeu-
gung hingeben zu dürfen, daß sie den Geist und Cha-
rakter der Originale ausspreckcn. Aber gerade, weil sie
das vermögen, haben sie zugleich einen so entschiedenen
Anspruch auf absoluten inner» Kunstgchalt, und stehen
in dieser Beziehung weit über den neuern Werken, von
welchen sie doch an technischer Vollendung so weit über-
troffen werden. Denn es ist unmöglich, das, was ein
Rafael, Iulio, Primaticcio gegeben hat, diesen Charakter
der Formen, die Nüancirungen der Umrisse, diesen
Sinn des Ausdrucks und Geist der Bewegungen, kurz
ihren ganzen Styl, mit so wenig Mitteln, so bezeich-
nend und treffend überzutragcn, und wiederzugeben, ohne
recht innig mit ihrem Wesen vertraut und dabey selbst
ein recht tüchtiger Künstler zu seyn.

(Der Beschluß folgt.)
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