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Dreizehnter Tag für Denkmalpflege
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Arien, wie im gegenwärtigen großen Kriege, die
nacheinander eingezogen wurden: hauswirtschaftliche
Geräte, Dachkupfer, Zinn von Eß- und Trinkgeräten,
Glocken. Der Umfang dieser Maßnahmen ergibt sich
daraus, daß wir in Deutschland rund 19 Millionen
Haushaltungen und 43000 Kirchen und kirchliche
Gebäude haben. Alsbald regte sich naturgemäß
Heimatschutz und Denkmalschutz, und es entsteht die
Frage: was ist erreicht und was kann noch geschehen?
Im September 1915 wurden in Preußen Sachver-
ständige zur Prüfung der einlaufenden Gegenstände
eingesetzt, die dann auch in die Sammellager der
Kriegsmetall-A.-G. entsendet wurden. Für die Glocken
wurden seit Februar igi7 drei Klassen aufgestellt
A) die gleichgültigen, künstlerisch wertlosen glatten
(außer solchen aus dem hohen Mittelalter), die sofort
preisgegeben wurden; B) die mittelwertigen, von
mäßigem künstlerischen Werte, die zurückgestellt
wurden; C) die künstlerisch, wissenschaftlich und ge-
schichtlich hochwertigen, die geschützt wurden. Frei-
gegeben wurde eine Läuteglocke. Auch der musika-
lische Wert wurde berücksichtigt. Die Schmerzens-
kinder sind die Glocken der Klasse B, die noch einmal
gesichtet und in zwei Unterabteilungen in der Richtung
nach A und C geteilt werden müßten. Der nie da-
gewesene Umfang der Durchforschung ergab neue
Aufgaben für die Kunstgeschichte, die Musikwissen-
schaft und die Volkskunde: Glockensagen, Sprüche,
Inschriften werden gesammelt. Nun gilt es, Ersatz
zu beschaffen. Auf die Frage der gußeisernen Glocken
wollte der Redner nicht eingehen. Eisenbahnschienen
statt Glocken, auch Glasglocken sind unmöglich. Es
muß aber dafür gesorgt werden, daß die Gemeinden
wieder Glocken anschaffen können, und mit doppelten
Kräften dafür, daß das Erhaltene auch dauernd er-
halten bleibt. Daher ist dem Spekulantentum, der
Verschleppung und Auswanderung der Altertümer,
dem umfangreichen Schleichhandel mit Zinn und
Gold durch gesetzliche Bestimmungen entgegenzu-
arbeiten. Einrichtungsgegenstände wie Türklopfer und
Türbeschläge sollten besonders geschützt werden, und
ein besonders umstrittenes schwieriges und eigen-
artiges Gebiet sind die Denkmäler. Zu bedenken ist,
daß sie nicht allzuviel Metall liefern und daß jede
Generation die Werke der vorhergehenden ungerecht
beurteilt. Se. Maj. der Kaiser hat sich einverstanden
erklärt, daß Denkmäler eingezogen und eingeschmolzen
werden. Überall sind daher Beratungsausschüsse ein-
gesetzt worden, welche die Denkmäler zunächst einmal
aufgenommen haben. Mögen weitere Maßnahmen
durch den Frieden überholt werden! Soll es aber
sein, so gilt, was Fontane den alten Fritz zur Ent-
hüllung des Berliner Denkmals sagen läßt:
Wohl, angesichts von meinem Schloß,
Mag ich hier droben wohnen,
Doch gilts mein Volk — mit Mann und Roß
Einschmelzt mich zu Kanonen.
An zweiter Stelle berichtete Provinzialkonservator
Landesbaurat Hiecke-Halle: Von den Dachdeckungen
wurden erst die nach dem Jahre 1850 entstandenen
in Anspruch genommen, so daß eine Befreiung nur
in ganz seltenen Fällen gerechtfertigt schien. Die Be-
schlagnahme der Haus- und Küchengeräte von Kupfer,
Messing und Bronze griff dagegen tief in den alt-
ererbten Besitz der Familien an kulturgeschichtlich
und handwerklich wertvollem Hausrat ein. Neben
der Sichtung in den kleineren Sammellagern der
Gemeinden sichteten besonders bestellte Sachverständige
fortlaufend die Eingänge in den großen Kriegsmetall-
lagern. Es ergab sich, daß zwar Stücke von erheb-
lichem Kunst- oder Altertumswert bisher wohl kaum
in Verlust geraten sind, daß aber doch mit der Ver-
nichtung des überwiegenden Teiles der vorhandenen
Bestände an altüberliefertem, handwerklich tüchtigem
Hausrat gerechnet werden muß. Zumeist wird recht
Minderwertiges an die Stelle des Alten treten. Es er-
schien daher geboten, soweit die Rücksicht auf den
Kriegsbedarf es zuließ, auch von den schlichteren,
aber technisch und formal guten Geräten möglichst
viele guterhaltene Stücke als Vorbilder für spätere
Zeit einstweilen sicherzustellen. Soweit nicht die
Eigentümer zu ermitteln sind, was nur in verschwindend
wenig Fällen möglich ist, werden die für Volkskunde,
Heimatkunde, Kulturgeschichte wirkenden öffentlichen
Sammlungen, Fachschulen und andere Anstalten zu
versorgen sein. Unter den zurückgestellten Beständen,
die auch einige wenige kirchliche Geräte aufweisen,
nehmen die Mörser die erste Stelle ein; sie bilden in
ihrer mannigfaltigen Form, Profilierung und Aus-
schmückung eine sehr anziehende Typenreihe vom
Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; wie ein
Vergleich der verschiedenen Lager lehrt, treten dabei,
ebenso auch bei den Leuchtern, den Kuchen- und
Backformen und anderem Küchengerät, landschaftliche
Unterschiede wenig hervor, abgesehen von einigen
provinziellen Eigentümlichkeiten, wie den Grapen,
Kohlenbecken, Ofenstülpen des Küstenlandes. An
Zinngerät ist fast nichts von künstlerischem oder
handwerklichem Wert abgeliefert worden. Von den
zahlreichen, oft recht reizvollen Orgeln konnten im
allgemeinen nur wenige vor dem Verlust der Prospekt-
pfeifen bewahrt bleiben. Pfeifen mit Schmuckformen
fanden sich sehr selten; einige wenige Prospekte
wurden in Rücksicht auf ihr besonderes Alter und
ihren künstlerisch besonders hervorragenden Aufbau
trotz schlichter Form der Pfeifen geschützt, aus musika-
lisch-geschichtlichen Gründen auch eine Anzahl Silber-
mannscher Orgeln, sofern die Originalpfeifen noch
sich erhalten haben. Von der größten Bedeutung für
die Denkmalpflege ist jedenfalls die Beschlagnahme
der Glocken. Die Ermittlung und Einteilung des
gesamten Bestandes in drei Gruppen (sofort abzu-
liefernde, vorläufig und dauernd zu erhaltende) stellte,
namentlich bei der Kürze der Zeit, an die Sachver-
ständigen große Anforderungen. Bei der Bewertung
mußten natürlich in erster Reihe die — zumeist am
leichtesten zu ersetzenden — Glocken neuerer und
neuester Zeit für die erste Gruppe in Anspruch ge-
nommen werden, doch wurde eine Reihe musikalisch
hervorragender Geläute auf Grund musiksachver-
ständiger Prüfung geschützt. Überhaupt wurden bei
Dreizehnter Tag für Denkmalpflege
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Arien, wie im gegenwärtigen großen Kriege, die
nacheinander eingezogen wurden: hauswirtschaftliche
Geräte, Dachkupfer, Zinn von Eß- und Trinkgeräten,
Glocken. Der Umfang dieser Maßnahmen ergibt sich
daraus, daß wir in Deutschland rund 19 Millionen
Haushaltungen und 43000 Kirchen und kirchliche
Gebäude haben. Alsbald regte sich naturgemäß
Heimatschutz und Denkmalschutz, und es entsteht die
Frage: was ist erreicht und was kann noch geschehen?
Im September 1915 wurden in Preußen Sachver-
ständige zur Prüfung der einlaufenden Gegenstände
eingesetzt, die dann auch in die Sammellager der
Kriegsmetall-A.-G. entsendet wurden. Für die Glocken
wurden seit Februar igi7 drei Klassen aufgestellt
A) die gleichgültigen, künstlerisch wertlosen glatten
(außer solchen aus dem hohen Mittelalter), die sofort
preisgegeben wurden; B) die mittelwertigen, von
mäßigem künstlerischen Werte, die zurückgestellt
wurden; C) die künstlerisch, wissenschaftlich und ge-
schichtlich hochwertigen, die geschützt wurden. Frei-
gegeben wurde eine Läuteglocke. Auch der musika-
lische Wert wurde berücksichtigt. Die Schmerzens-
kinder sind die Glocken der Klasse B, die noch einmal
gesichtet und in zwei Unterabteilungen in der Richtung
nach A und C geteilt werden müßten. Der nie da-
gewesene Umfang der Durchforschung ergab neue
Aufgaben für die Kunstgeschichte, die Musikwissen-
schaft und die Volkskunde: Glockensagen, Sprüche,
Inschriften werden gesammelt. Nun gilt es, Ersatz
zu beschaffen. Auf die Frage der gußeisernen Glocken
wollte der Redner nicht eingehen. Eisenbahnschienen
statt Glocken, auch Glasglocken sind unmöglich. Es
muß aber dafür gesorgt werden, daß die Gemeinden
wieder Glocken anschaffen können, und mit doppelten
Kräften dafür, daß das Erhaltene auch dauernd er-
halten bleibt. Daher ist dem Spekulantentum, der
Verschleppung und Auswanderung der Altertümer,
dem umfangreichen Schleichhandel mit Zinn und
Gold durch gesetzliche Bestimmungen entgegenzu-
arbeiten. Einrichtungsgegenstände wie Türklopfer und
Türbeschläge sollten besonders geschützt werden, und
ein besonders umstrittenes schwieriges und eigen-
artiges Gebiet sind die Denkmäler. Zu bedenken ist,
daß sie nicht allzuviel Metall liefern und daß jede
Generation die Werke der vorhergehenden ungerecht
beurteilt. Se. Maj. der Kaiser hat sich einverstanden
erklärt, daß Denkmäler eingezogen und eingeschmolzen
werden. Überall sind daher Beratungsausschüsse ein-
gesetzt worden, welche die Denkmäler zunächst einmal
aufgenommen haben. Mögen weitere Maßnahmen
durch den Frieden überholt werden! Soll es aber
sein, so gilt, was Fontane den alten Fritz zur Ent-
hüllung des Berliner Denkmals sagen läßt:
Wohl, angesichts von meinem Schloß,
Mag ich hier droben wohnen,
Doch gilts mein Volk — mit Mann und Roß
Einschmelzt mich zu Kanonen.
An zweiter Stelle berichtete Provinzialkonservator
Landesbaurat Hiecke-Halle: Von den Dachdeckungen
wurden erst die nach dem Jahre 1850 entstandenen
in Anspruch genommen, so daß eine Befreiung nur
in ganz seltenen Fällen gerechtfertigt schien. Die Be-
schlagnahme der Haus- und Küchengeräte von Kupfer,
Messing und Bronze griff dagegen tief in den alt-
ererbten Besitz der Familien an kulturgeschichtlich
und handwerklich wertvollem Hausrat ein. Neben
der Sichtung in den kleineren Sammellagern der
Gemeinden sichteten besonders bestellte Sachverständige
fortlaufend die Eingänge in den großen Kriegsmetall-
lagern. Es ergab sich, daß zwar Stücke von erheb-
lichem Kunst- oder Altertumswert bisher wohl kaum
in Verlust geraten sind, daß aber doch mit der Ver-
nichtung des überwiegenden Teiles der vorhandenen
Bestände an altüberliefertem, handwerklich tüchtigem
Hausrat gerechnet werden muß. Zumeist wird recht
Minderwertiges an die Stelle des Alten treten. Es er-
schien daher geboten, soweit die Rücksicht auf den
Kriegsbedarf es zuließ, auch von den schlichteren,
aber technisch und formal guten Geräten möglichst
viele guterhaltene Stücke als Vorbilder für spätere
Zeit einstweilen sicherzustellen. Soweit nicht die
Eigentümer zu ermitteln sind, was nur in verschwindend
wenig Fällen möglich ist, werden die für Volkskunde,
Heimatkunde, Kulturgeschichte wirkenden öffentlichen
Sammlungen, Fachschulen und andere Anstalten zu
versorgen sein. Unter den zurückgestellten Beständen,
die auch einige wenige kirchliche Geräte aufweisen,
nehmen die Mörser die erste Stelle ein; sie bilden in
ihrer mannigfaltigen Form, Profilierung und Aus-
schmückung eine sehr anziehende Typenreihe vom
Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts; wie ein
Vergleich der verschiedenen Lager lehrt, treten dabei,
ebenso auch bei den Leuchtern, den Kuchen- und
Backformen und anderem Küchengerät, landschaftliche
Unterschiede wenig hervor, abgesehen von einigen
provinziellen Eigentümlichkeiten, wie den Grapen,
Kohlenbecken, Ofenstülpen des Küstenlandes. An
Zinngerät ist fast nichts von künstlerischem oder
handwerklichem Wert abgeliefert worden. Von den
zahlreichen, oft recht reizvollen Orgeln konnten im
allgemeinen nur wenige vor dem Verlust der Prospekt-
pfeifen bewahrt bleiben. Pfeifen mit Schmuckformen
fanden sich sehr selten; einige wenige Prospekte
wurden in Rücksicht auf ihr besonderes Alter und
ihren künstlerisch besonders hervorragenden Aufbau
trotz schlichter Form der Pfeifen geschützt, aus musika-
lisch-geschichtlichen Gründen auch eine Anzahl Silber-
mannscher Orgeln, sofern die Originalpfeifen noch
sich erhalten haben. Von der größten Bedeutung für
die Denkmalpflege ist jedenfalls die Beschlagnahme
der Glocken. Die Ermittlung und Einteilung des
gesamten Bestandes in drei Gruppen (sofort abzu-
liefernde, vorläufig und dauernd zu erhaltende) stellte,
namentlich bei der Kürze der Zeit, an die Sachver-
ständigen große Anforderungen. Bei der Bewertung
mußten natürlich in erster Reihe die — zumeist am
leichtesten zu ersetzenden — Glocken neuerer und
neuester Zeit für die erste Gruppe in Anspruch ge-
nommen werden, doch wurde eine Reihe musikalisch
hervorragender Geläute auf Grund musiksachver-
ständiger Prüfung geschützt. Überhaupt wurden bei