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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 29.1918

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https://doi.org/10.11588/diglit.6188#0030

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Literatur — Forschungen

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An Dürer-Zeichnungen ist die Bremer Sammlung reich
und mag an vierter Stelle stehen hinter Wien, Berlin und
London, vor dem Louvre und der Bonnat-Sammlung. Als
Lippmann für seine große Publikation die Auswahl traf,
war er, wenigstens vor dem Bestand in Bremen, allzu
ängstlich und kritisch, so daß er mehrere Stücke ausge-
lassen hat, die zu Ehren zu bringen für Pauli eine erfreu-
liche Aufgabe geworden ist. Die Mappe von 1916 bringt
drei Dürer-Zeichnungen, von denen eine freilich erst auf
der Lanna-Versteigerung für Bremen erworben worden ist,
nämlich eine ziemlich unbedeutende, schlecht erhaltene
Visierung zu einem Olasgemälde in der Lorenzer Kirche
mit dem hl. Laurentius vor dem Kaiser Valerian (III 2).
Das, wie ich glaube, um 1500 entstandene Blatt gehört zu
einem besser erhaltenen in Berlin, das bei Lippmann unter
Nr. 32 nachgebildet ist.

Bedeutender ist die Metallstiftzeichnung einer lächeln-
den Frau (III 1), die Pauli gegen Lippmann mit Recht
verteidigt. Das von Ephrussi und Thausing erwähnte Blatt
ist vor Anzweiflung schon durch die Signatur (mit dem
Datum 1503) geschützt, deren Form genau übereinstimmt
mit der Form der Signatur in mehreren gleichzeitigen un-
bezweifelten Stücken. Zu vergleichen ist außer dem Männer-
kopf (L. 99) namentlich der in Schönbrunners Albertina-
Publikation (Nr. 961) reproduzierte Frauenkopf aus der
Liphart-Sammlung, der in den Besitz des Fürsten Liechten-
stein gekommen ist. Die Bremer Zeichnung scheint als
eine Art Vorstudie in Verbindung zu stehen mit dem
Gemälde in Wien, der Madonna von 1503. Namentlich der
lächelnde Mund ist hier und dort ähnlich gestaltet. Das
Blatt gehört zu der Grünling-Sammlung, deren Stempel in
der Lichtdruckwiedergabe getilgt ist.

Nicht so positiv urteile ich über die in Farben ange-
legte Federzeichnung »Das ungleiche Liebespaar«, dem die
Signatur (mit dem Datum 1515) nicht zugute kommt —
auch Pauli traut dieser Bezeichnung nicht — und die gar
zu gefühllos und derb aussieht (III 3). Ein ähnliches Blatt
in Mailand sieht etwas besser aus.

Mit gesteigerter Aufmerksamkeit prüfen wir jedes
niederländische Blatt aus dem 15. Jahrhundert, wie hier
die Anbetung der Könige (III 11), zu der Pauli bemerkt:
erinnert an den Kupferstecher J. A. van Zwolle. Einen
Anklang an die Manier dieses Stechers vermag ich nicht
wahrzunehmen. Die Zeichnung gehört zu einer Gruppe,
aus der ich vorläufig drei andere, z. T. sehr gute Arbeiten
notiere: eine stehende hl. Frau, bei Sir Edw. Poynter
(Vasari soc. V 17), die hl. Magdalena (Berlin, Kupferslich-
kabinett, früher bei R. Kann und abgebildet im Katalog
der Kann-Sammlung), kniende Frau mit hohem Kopfputz
(New York, bei P. Morgan, früher bei F. Murray, abgebildet
im Katalog der Murray-Sammlung, Nr. 227).

Von altdeutschen Arbeiten enthält die Mappe noch
eine richtig bestimmte Studie mit Gottvater in Halbfigur
von Hans von Kulmbach (III 4). Diese Zeichnung gehört
zu der Sammlung Dr. H. Schmidts, die 1909 der Kunsthalle
geschenkt worden ist und die hauptsächlich an holländischen
Zeichnungen reich ist. Die Holländer aus dieser Zuwendung
und aus der schon 1896 erworbenen Sammlung J. H. Albers
überwiegen in unserer Publikation. Mit Beispielen ver-
treten sind folgende Meister: Bega (eine ungewöhnlich freie

Rötelstudie, III 12), Berchem (III 13), Buytevech (zwei
Studien mit stark bewegten Figuren, eine davon mit Namens-
beischrift, III 14, 15), Huysum (eine Landschaft im Ge-
schmacke Claudes, die auf Grund einer alten Inschrift be-
stimmt ist, III 20), Willem van Mieris (III 21), Pieter Molijn
(III 23), Adriaen v. Ostade mit einem derben Blatt (III 24),
R. Roghman (III 29) und Jacob Ruisdael mit einem aus-
nehmend bedeutenden und schönen Stück, einer Ruine
(III 28). Daß der »Stall« (III 30) von Adr. v. d. Velde her-
rühre, glaube ich nicht. Weder die Komposition noch die
Vortragsmanier sind für ihn charakteristisch. Auch neben
den Namen J. M. Molenaer (Soldateska mit ,'einem Weib,
III 22) möchte ich ein Fragezeichen stellen. Die drei Zeich-
nungen unter Rembrandts Namen sind wohl echt, auch die
in ihren Schattenflächen etwas ungewöhnliche Studie zu
dem großen Gemälde des Fabius Maximus (III 25 = Hof-
stede 193; III 26= H. 194; III 27 nicht bei H.)

Beachtenswert für die Rembrandt-Forschung nament-
lich im Sinne der Bemühung, das Werk des Meisters von
Nachahmungen zu reinigen, ist die Bildnisstudie einer
jungen Frau, die auf Grund eines Monogramms Abraham
van Dyck genannt ist (III 16). Bredius hat diesem aus-
gezeichneten Meister, der seinem Vorbild Rembrandt oft
sehr nahe kommt, seit vielen Jahren Aufmerksamkeit ge-
widmet. Von den wenigen signierten Gemälden ist eines
in Berlin, bei Herrn P. v. Schwabach. Die Zeichnung in
Bremen steht etwa zwischen Maes und Rembrandt.

Von den vlämischen Meistern finden wir drei Studien
von A. v. Dyck mit in der Mappe (III 17—19).

Unter den späten Italienern wird das wirkungsvolle
Blatt von Salvator Rosa, das im Motiv und in der Mache
charakteristisch ist, mehr interessieren als die Zeichnungen
von Francois Millet (III 7, echt signiert), Luca Giordano
(III 8, ob richtig benannt?) und Guercino (III 9). Wenig
ergiebig sind die beiden Franzosen (III 5, ein braver
»Boissieu« und III 6 »Lancret?«). m. j. Frudländer.

Das Altberliner Grabmal. Architekt Wolfgang Schütz
wird eine Sammlung Altberliner Grabmäler, die er auf
Berliner Friedhöfen aufgenommen und gemessen hat, mit
einem Vorwort von Professor Mackowsky im Verlage von
Bruno Cassirer herausgeben.

FORSCHUNGEN
Neues über Phidias. Professor Wilhelm Klein ver-
öffentlicht in den »Jahresheften des österreichischen archäolo-
gischen Institutes« neue erfolgreiche Untersuchungen über
die Frühwerke des Phidias. Er hat den schönen Epheben-
kopf der Sammlung Barracco der sogenannten Matheischen
Amazone im Vatikan aufgesetzt und glaubt in dieser Re-
konstruktion die lang gesuchte Amazone des Phidias wieder-
gefunden zu haben. Durch diese Untersuchung wird auch
die Ansicht Petersens gestützt, daß man in der Appollo-
statue des Thermenmuseums in Rom eine Kopie des del-
phischen Appollo von Phidias, gleichfalls eines Jugend-
werkes des Meisters, vor sich habe. An gleicher Stelle
spricht Professor Franz Winter die Meinung aus, daß der
olympische Zeus vor der Athena Parthenos entstanden sei,
also die Überlieferung von der Flucht des Künstlers von
Athen nach Olympia wegen seiner Verurteilung irrig sei.

Inhalt: Neues vom Kaiser-Friedrich-Museura. Von W. K. — Anton Bucheggerf, James Weale f ; Paul Bender t. — Personalien. — Auftauchung
einer bisher unbekannten Dürer-Zeichnung in London. Aufdeckung eines mittelalterlichen Schnitzaltars in Lübeck. — Ausstellungen in
Wien und Düsseldorf. — Der Graudenzer Altar in der Marienburg. Erwerbung eines Gemäldes von Hodler für die Stadt Basel. — Neue
Arbeiten von Adolf Hildebrand und Max Slevogt. — Eine Stifiung zur Hebung der Freskomalerei. — Veröffentlichung der Prestel-Oesell-
schaft für das Jahr 1916 (Zeichnungen in Bremen, III. Teil). Das Altberliner Grabmal. — Neues über Phidias.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., G.m.b.H., Leipzig
 
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