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Ausstellungen — Vermischtes — Anzeige
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sind, so muß man diese Stücke auf die Dauer doch als
fatal süßlich, als verzuckerte und verniedlichte »Erler« und
ihren Witz als zu schal, zu sehr nur auf kurze Betrach-
tung berechnet empfinden.
Im gleichen Haus hat Julius Wolfgang Schülein eine
größere Serie Hinterglasmalereien ausgestellt. Wird bei
Heine Biedermeier neu belebt, um nicht zu sagen ver-
fälscht, so bemüht sich Schülein um eine Wiederbelebung
der alten Bauernkunst, für die in der jüngsten Zeit mit
so viel Ekstase Tamtan geschlagen worden ist. Gewiß
weiß Schülein der Hinterglasmalerei Reize abzugewinnen,
gewiß ist vieles sehr nett, aber es ist doch an die Stelle
naiver Empfindung und kräftiger Volkskunst ein parfümiertes
Reffinement und eine Verbilligung größerer Kunst getreten,
deren man nicht recht froh werden kann. a. l. m.
Wien. Eine Ausstellung schwedischer Graphik
bei Halm und Goldmann bringt eine kleine, aber solide
Auswahl moderner nordischer Meister. Vertreten ist in
erster Linie der Altmeister schwedischer Radierung Anders
Zorn, dessen Porträt des Bildhauers Troubetzkoj mit dem
sondierend scharfen Blick des Künstlers, in Zorn nicht nur
den sicheren Beobachter der flimmernden Luft und der
im Licht vibrierenden Form zeigt, sondern auch — und in
dieser Hinsicht beansprucht noch das Selbstporträt des
alternden Künstlers besonderes Interesse — den feinen
psychologischen Zergliederer. Neben ihm wirken Egil
Schwabs Porträts, die die Form fester anpacken, manch-
mal etwas banal.
Anders steht es mit Axel Fridell und dem etwas
Verwandtes verratenden David Tagström. Auch Fridell hat
das rein Impressionistische Anders Zorns aufgegeben. Aber
bei der kühlen Knappheit und Durchsichtigkeit, die er
seinen Formen zu geben sucht, liegt immer etwas von der
Gespanntheit der schärfsten Psychologen.
Noch ein zweiter Künstler, den man wohl zu den Alt-
meistern schwedischer Kunst rechnen kann, Carl Larsson,
ist ebenfalls hier vertreten. Immer wieder ist es der heiter
lebendige, häusliche Kreis, der dem Künstler neuen Anlaß
zu seinen Sonnenpoesie-Einfällen gibt, denen sich auch der
leichte, spielende Strich, der den Aquarellisten verrät, voll-
kommen anpaßt. Und wenn nun schon von Poesie die
Rede ist, sollen auch gleich zwei andere Erzähler zu Worte
kommen, von denen der eine, Gerhard Hönning, in kleinen
reizvollen Blättern orientalische Liebes-Märchen mit kribbe-
ligem Strich festhält — nichts als anspruchslose Erzählungen —
und der zweite, John Bauer, in die Märchenwelt des Nordens
führt. Aus finsterem, drohendem Dunkel tauchen gutmütig
täppische Trollgestalten auf, jede Form verlebendigend und
letzten Grundes immer voll Humor, dessen selbst Huldran,
trotz ihres sphinxischen Lächelns, nicht entbehrt. — Bei
Gustaf Magnusson intressiert in erster Linie die Radierung mit
dem Geiger, das Nervendurchzuckte in den verlebten Formen.
Doch was das reine Ausdrucksnioment anbetrifft, ist wohl
Axel Torneman der stärkste. In dem »Dachredner« sind
alle Glieder wie in eine Ebene gezwungen, die leichte
Beweglichkeit der lockeren Gelenke, das Vergrößern des
Wichtigen (z. B. der Hände) läßt die reale Form ganz
hinter dem Ausdruckselement verschwinden. Ebenso bei
dem »Krüppel und Aeroplan«, der zuckend weite Himmel,
der freieste Bewegung gewährt, gegen das Eckigzer-
brochene und Gehemmte des Krüppels. Hier führt die
scharfe Beobachtung der Form zu einer Umwertung in
rein psychische Elemente, die Torneman andere Bahnen
führt, als die anderen Künstler. a. e. p.
Wien. Die Galerie Arnot bietet eine Kollektiv-Aus-
stellung von Zeichnungen Egon Schieies, die den Künstler
in ganz sicherem Weiterschreiten zeigen. Schiele hat in
diesen letzten Werken — es handelt sich fast ausschließ-
lich um Zeichnungen dieses Jahres — einen entscheidenden
Schritt über Früheres hinausgetan. Was zunächst auffällt,
ist die größere Breite, Ruhe und Harmonie dieser Zeich-
nungen. Das Suchen nach dem krankhaft Bizarren, das
über das Alltägliche hinausgeht, das Hervorholen des Ab-
sonderlichen aus einem Modell, das es von allen andern
trennt, hat aufghört, Form und Ausdruck erwächst aus dem
innersten Wesenskern des Organismus, den er vor sich
hat: sein Leben will er in höchster Potenz geben. Und
was des Künstlers Seele daran schafft, ist eben nur, daß
er ihm die aufs höchste konzentrierte Ausdrucksform ver-
leiht. Aber das etwas von vornherein Gesuchtes in das
Modell hinein interpretieren hat aufgehört. Damit ver-
schwindet auch das Dekadente, das so vielen seiner früheren
Arbeiten anhaftet. Die neuen Blätter wirken gesünder,
stärker und organischer. Wenn auch, gerade in der letzten
Hinsicht, ein festerer Bau manchmal erwünscht wäre, —
ein Mangel, der sich besonders in manchen Aktzeichnungen
äußert, — entschädigt in diesen Zeichnungen die Monu-
mentalität der psychischen Charakteristik, die man beson-
ders den Porträts von Paris Gütersloh, Franz Blei, Robert
Müller, einem Kinderdoppelporträt und dem Porträt einer
Dame nachsagen muß. Der breit gewordene Strich löst
mit voller Sicherheit die Formen heraus, bei strengster
Ökonomie der Mittel, die nie ein Zuviel oder ein Zuwenig
geben. a. e. p.
VERMISCHTES
Max Slevogt hat eine neue Folge von Lithographien
vollendet, Illustrationen zur Herodias-Novelle von Flaubert,
die in der Reihe der Reißschen Prospero-Drucke erscheinen
werden.
Erfahrener
Kunsthistoriker
der literarische Oewandheit und Ge-
schmack besitzt und auch Sinn für
moderne Druckausstattung hat, wird
in der Redaktion einer kunsthistor.
Zeitschrift bei gutem Gehalt gesucht.
Die Tätigkeit muß im Hauptamt aus-
geübt werden, aber wissenschaftliche
Nebenarbeit ist zulässig. Bewerbung,
unter R.W. a. d. Geschäftsstelle
dieses Blattes erbeten.
Inhalt: Die feindlichen Sezessionen. — Dresdner Brief. II. — Berliner Bildnisse 1848—1918 (Ausstellung; der Berliner Sezession). Von W. Kurth.
— Verzeichnis der kunstwissenschaftlichen Schriften von Ludwig Scheibler. Von C. — Bacchiacca und Dürer. — August Splitgerber t. —
Personalien. — Ausstellungen in München und Wien. — Max Slevogts neue Folge von Lithographien. — Anzeige.
Verantwortliche Redaktion: Oustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig
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sind, so muß man diese Stücke auf die Dauer doch als
fatal süßlich, als verzuckerte und verniedlichte »Erler« und
ihren Witz als zu schal, zu sehr nur auf kurze Betrach-
tung berechnet empfinden.
Im gleichen Haus hat Julius Wolfgang Schülein eine
größere Serie Hinterglasmalereien ausgestellt. Wird bei
Heine Biedermeier neu belebt, um nicht zu sagen ver-
fälscht, so bemüht sich Schülein um eine Wiederbelebung
der alten Bauernkunst, für die in der jüngsten Zeit mit
so viel Ekstase Tamtan geschlagen worden ist. Gewiß
weiß Schülein der Hinterglasmalerei Reize abzugewinnen,
gewiß ist vieles sehr nett, aber es ist doch an die Stelle
naiver Empfindung und kräftiger Volkskunst ein parfümiertes
Reffinement und eine Verbilligung größerer Kunst getreten,
deren man nicht recht froh werden kann. a. l. m.
Wien. Eine Ausstellung schwedischer Graphik
bei Halm und Goldmann bringt eine kleine, aber solide
Auswahl moderner nordischer Meister. Vertreten ist in
erster Linie der Altmeister schwedischer Radierung Anders
Zorn, dessen Porträt des Bildhauers Troubetzkoj mit dem
sondierend scharfen Blick des Künstlers, in Zorn nicht nur
den sicheren Beobachter der flimmernden Luft und der
im Licht vibrierenden Form zeigt, sondern auch — und in
dieser Hinsicht beansprucht noch das Selbstporträt des
alternden Künstlers besonderes Interesse — den feinen
psychologischen Zergliederer. Neben ihm wirken Egil
Schwabs Porträts, die die Form fester anpacken, manch-
mal etwas banal.
Anders steht es mit Axel Fridell und dem etwas
Verwandtes verratenden David Tagström. Auch Fridell hat
das rein Impressionistische Anders Zorns aufgegeben. Aber
bei der kühlen Knappheit und Durchsichtigkeit, die er
seinen Formen zu geben sucht, liegt immer etwas von der
Gespanntheit der schärfsten Psychologen.
Noch ein zweiter Künstler, den man wohl zu den Alt-
meistern schwedischer Kunst rechnen kann, Carl Larsson,
ist ebenfalls hier vertreten. Immer wieder ist es der heiter
lebendige, häusliche Kreis, der dem Künstler neuen Anlaß
zu seinen Sonnenpoesie-Einfällen gibt, denen sich auch der
leichte, spielende Strich, der den Aquarellisten verrät, voll-
kommen anpaßt. Und wenn nun schon von Poesie die
Rede ist, sollen auch gleich zwei andere Erzähler zu Worte
kommen, von denen der eine, Gerhard Hönning, in kleinen
reizvollen Blättern orientalische Liebes-Märchen mit kribbe-
ligem Strich festhält — nichts als anspruchslose Erzählungen —
und der zweite, John Bauer, in die Märchenwelt des Nordens
führt. Aus finsterem, drohendem Dunkel tauchen gutmütig
täppische Trollgestalten auf, jede Form verlebendigend und
letzten Grundes immer voll Humor, dessen selbst Huldran,
trotz ihres sphinxischen Lächelns, nicht entbehrt. — Bei
Gustaf Magnusson intressiert in erster Linie die Radierung mit
dem Geiger, das Nervendurchzuckte in den verlebten Formen.
Doch was das reine Ausdrucksnioment anbetrifft, ist wohl
Axel Torneman der stärkste. In dem »Dachredner« sind
alle Glieder wie in eine Ebene gezwungen, die leichte
Beweglichkeit der lockeren Gelenke, das Vergrößern des
Wichtigen (z. B. der Hände) läßt die reale Form ganz
hinter dem Ausdruckselement verschwinden. Ebenso bei
dem »Krüppel und Aeroplan«, der zuckend weite Himmel,
der freieste Bewegung gewährt, gegen das Eckigzer-
brochene und Gehemmte des Krüppels. Hier führt die
scharfe Beobachtung der Form zu einer Umwertung in
rein psychische Elemente, die Torneman andere Bahnen
führt, als die anderen Künstler. a. e. p.
Wien. Die Galerie Arnot bietet eine Kollektiv-Aus-
stellung von Zeichnungen Egon Schieies, die den Künstler
in ganz sicherem Weiterschreiten zeigen. Schiele hat in
diesen letzten Werken — es handelt sich fast ausschließ-
lich um Zeichnungen dieses Jahres — einen entscheidenden
Schritt über Früheres hinausgetan. Was zunächst auffällt,
ist die größere Breite, Ruhe und Harmonie dieser Zeich-
nungen. Das Suchen nach dem krankhaft Bizarren, das
über das Alltägliche hinausgeht, das Hervorholen des Ab-
sonderlichen aus einem Modell, das es von allen andern
trennt, hat aufghört, Form und Ausdruck erwächst aus dem
innersten Wesenskern des Organismus, den er vor sich
hat: sein Leben will er in höchster Potenz geben. Und
was des Künstlers Seele daran schafft, ist eben nur, daß
er ihm die aufs höchste konzentrierte Ausdrucksform ver-
leiht. Aber das etwas von vornherein Gesuchtes in das
Modell hinein interpretieren hat aufgehört. Damit ver-
schwindet auch das Dekadente, das so vielen seiner früheren
Arbeiten anhaftet. Die neuen Blätter wirken gesünder,
stärker und organischer. Wenn auch, gerade in der letzten
Hinsicht, ein festerer Bau manchmal erwünscht wäre, —
ein Mangel, der sich besonders in manchen Aktzeichnungen
äußert, — entschädigt in diesen Zeichnungen die Monu-
mentalität der psychischen Charakteristik, die man beson-
ders den Porträts von Paris Gütersloh, Franz Blei, Robert
Müller, einem Kinderdoppelporträt und dem Porträt einer
Dame nachsagen muß. Der breit gewordene Strich löst
mit voller Sicherheit die Formen heraus, bei strengster
Ökonomie der Mittel, die nie ein Zuviel oder ein Zuwenig
geben. a. e. p.
VERMISCHTES
Max Slevogt hat eine neue Folge von Lithographien
vollendet, Illustrationen zur Herodias-Novelle von Flaubert,
die in der Reihe der Reißschen Prospero-Drucke erscheinen
werden.
Erfahrener
Kunsthistoriker
der literarische Oewandheit und Ge-
schmack besitzt und auch Sinn für
moderne Druckausstattung hat, wird
in der Redaktion einer kunsthistor.
Zeitschrift bei gutem Gehalt gesucht.
Die Tätigkeit muß im Hauptamt aus-
geübt werden, aber wissenschaftliche
Nebenarbeit ist zulässig. Bewerbung,
unter R.W. a. d. Geschäftsstelle
dieses Blattes erbeten.
Inhalt: Die feindlichen Sezessionen. — Dresdner Brief. II. — Berliner Bildnisse 1848—1918 (Ausstellung; der Berliner Sezession). Von W. Kurth.
— Verzeichnis der kunstwissenschaftlichen Schriften von Ludwig Scheibler. Von C. — Bacchiacca und Dürer. — August Splitgerber t. —
Personalien. — Ausstellungen in München und Wien. — Max Slevogts neue Folge von Lithographien. — Anzeige.
Verantwortliche Redaktion: Oustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o.m.b.H., Leipzig