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Kunstchronik und Kunstliteratur — 65.1931/​1932

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Heft 2 (Mai 1931)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61877#0017
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KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
HERAUSGEBER: PROFESSOR DR. GRAUL / SCHRIFTLEITER: DR. NACHOD
Heft a Mai ig>i

EINE VERKÜNDIGUNGSMADONNA VON CARLO CRIVELLI

VON FRANZ DREY

Im 1 hieme-Beckerschen Künstlerlexikon ist in der
Abhandlung über Carlo Crivelli (VIII, S. 131) eine
Verkündigungsmadonna erwähnt, welche sich damals
im Besitze von Ulrich Thieme in Leipzig befand.
Eine mangelhafte Abbildung im Archiv für Kunst-
geschichte (Leipzig 1913, III, 48) verführte mich dazu,
dieses Gemälde in meinem Buch über den Meister
(München I927, S. 157) unter die zweifelhaften Werke
aufzunehmen. Ich freue mich, heute vor dem Ori-
ginal diesen Irrtum rektifizieren und dadurch das in
geringer Zahl auf uns überkommene Opus des Vene-
zianers um ein reizvolles Werk erweitern zu können.
Die Farbenaufnahme der kleinen Tafel (Tempera auf
Pappelholz, 58,5x35 cm) macht eine Beschreibung
der Komposition und der koloristi-
schen Werte unnötig. Äußerlich
befremdet anfangs die merkwür-
dige geschweifte Form des Bild-
chens und doch ist dieselbe unter
den kleinen Werken Crivellis nicht
vereinzelt. Ähnlich findet sich
diese Form in der sog. „Aufersteh-
ung Northbrook“ (Drey, a. a. 0.,
Taf. XII) und in den beiden Ver-
kündigungstafeln desStaedelschen
Kunstinstituts, Frankfurt (Drey,
Taf. LI). Zweifellos dienten diese
kleinen Kompositionen zur oberen
Ausschmückung des bei den Ve-
nezianern und besonders bei Bar-
tolomeo Vivarini und Carlo Cri-
velli beliebten, reichen Rahmen-
werkes. Bereits bei dem frühesten
datierbaren Werk Crivellis, dem
Polyptychon in Massa Fermana
(1468, Drey, Taf. III—V), welches
in seinen vollständigen Bestand-
teilen auf uns überkommen ist,
sehen wir als obersten Abschluß
die Darstellung der Verkündigung
und dazwischen den Ecce Homo
und zwar in nach oben spitz zu-
laufender Form. So läßt sich auch
hier mit Sicherheit annehmen, daß
zu den beiden Gegenstücken, von
welchen sich eines nun bei J. Goud-

Mittelstück eine Pieta oder auch eine Auferstehungs-
szene den Oberteil des Rahmens zierte. Die von
Bernath (Archiv für Kunstgeschichte) als Original
und aus demselben Stück wie die Tafel erwähnte
Umrahmung wurde entfernt, da sie sich als moderne
Zutat erwies.
Auch der Datierung Bernaths, 1480—1490, kann
ich nicht zustimmen. Es wäre dies die Zeit der Frank-
furter Verkündigung und der Pieta Panciatichi (1485),
jetzt im Museum in Boston (Drey, Taf. LIV), in
welcher Crivellis Stil schon seine volle Freiheit der
Bewegung gefunden hat und in welcher er seine
Kompositionen bereits mit einer Überfülle spieleri-
scher Details belastet. In der vorliegenden Madonna


stikker, Amsterdam, befindet, als

Crivelli, Verkündigung (Ausschnitt)

London, British Museum

Z. f. b. K. Beilage
 
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