KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
HERAUSGEBER: PROFESSOR DR. GRAUL / SCHRIFTLEITER: DR. NACHOD
Heft 7/8 Oktober-November I93I
EIN FRÜHWERK HANS HOLBEINS DES JÜNGEREN
VON LUDWIG BALDASS
Während das in den letzten Jahrzehnten stets
zunehmende Interesse für altdeutsche Kunst
unsere Materialkenntnis vom gemalten Werk eines
Cranach, Altdorfer, Baldung, ja selbst eines Grüne-
wald erheblich bereichert hat, sind von Ilans Holbein
dem Jüngeren, ebenso wie von Dürer, nur verhältnis-
mäßig wenige der Kritik wirklich standhaltende Ge-
mälde neu aufgetaucht. Namentlich für die Baseler
Frühzeit des großen Augsburger Meisters bedeutet
daher jeder neue Fund eine wirkliche Bereicherung
unserer Vorstellung von seiner Kunstübung und
ihrem Werdegang.
In einer vornehmen Wiener Privatsammlung, die
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusam-
mengebracht worden ist, befindet sich das kleine
Brustbild eines jungen Mannes in roter Kappe vor
hellblauem Grund. Das ausgezeichnete Werk, das
kürzlich von alten Firnisflecken befreit worden ist,
wobei ein am Halsausschnitt früher sichtbares Stück
Unterhemd als spätere Zutat entfernt wurde, galt in
der Sammlung als Werk des Ambrosius Holbein. In
der Tat zeigt das Bildnis vor allem im Kostümlichen
eine nahe Verwandtschaft mit dieses Meisters signier-
tem Jünglingsporträt von 1518 in der Ermitage
von Leningrad. Der Ausdruck des Kopfes hat aber
nichts von der schläfrigen Haltung der Bildnisse des
Ambrosius. Ebensowenig zeigt die Farbenbehandlung
des ausgezeichnet erhaltenen Werkes seine trockene
Pinselführung. Vor allem aber ist das Bildnis so
meisterhaft in den Rahmen gestellt und von einer
Hans Holbein d. J.
Vor der Restaurierung
Jünglingsbildnis
Wien, Privatbesitz
Nach der Restaurierung
Z. f. b. K. Beilage
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BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
HERAUSGEBER: PROFESSOR DR. GRAUL / SCHRIFTLEITER: DR. NACHOD
Heft 7/8 Oktober-November I93I
EIN FRÜHWERK HANS HOLBEINS DES JÜNGEREN
VON LUDWIG BALDASS
Während das in den letzten Jahrzehnten stets
zunehmende Interesse für altdeutsche Kunst
unsere Materialkenntnis vom gemalten Werk eines
Cranach, Altdorfer, Baldung, ja selbst eines Grüne-
wald erheblich bereichert hat, sind von Ilans Holbein
dem Jüngeren, ebenso wie von Dürer, nur verhältnis-
mäßig wenige der Kritik wirklich standhaltende Ge-
mälde neu aufgetaucht. Namentlich für die Baseler
Frühzeit des großen Augsburger Meisters bedeutet
daher jeder neue Fund eine wirkliche Bereicherung
unserer Vorstellung von seiner Kunstübung und
ihrem Werdegang.
In einer vornehmen Wiener Privatsammlung, die
in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zusam-
mengebracht worden ist, befindet sich das kleine
Brustbild eines jungen Mannes in roter Kappe vor
hellblauem Grund. Das ausgezeichnete Werk, das
kürzlich von alten Firnisflecken befreit worden ist,
wobei ein am Halsausschnitt früher sichtbares Stück
Unterhemd als spätere Zutat entfernt wurde, galt in
der Sammlung als Werk des Ambrosius Holbein. In
der Tat zeigt das Bildnis vor allem im Kostümlichen
eine nahe Verwandtschaft mit dieses Meisters signier-
tem Jünglingsporträt von 1518 in der Ermitage
von Leningrad. Der Ausdruck des Kopfes hat aber
nichts von der schläfrigen Haltung der Bildnisse des
Ambrosius. Ebensowenig zeigt die Farbenbehandlung
des ausgezeichnet erhaltenen Werkes seine trockene
Pinselführung. Vor allem aber ist das Bildnis so
meisterhaft in den Rahmen gestellt und von einer
Hans Holbein d. J.
Vor der Restaurierung
Jünglingsbildnis
Wien, Privatbesitz
Nach der Restaurierung
Z. f. b. K. Beilage
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