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Kunstchronik und Kunstliteratur — 65.1931/​1932

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Heft 9/10 (Dezember-Januar 1931/32)
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KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR
BEILAGE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR BILDENDE KUNST
HERAUSGEBER: PROFESSOR DR. GRAUL / SCHRIFTLEITER: DR. NACHOD
Heft 9/10 Dezember-Januar 1931/32

DIE KONFERENZ DES INTERNATIONALEN MUSEUMSAMTES IN ATHEN
21.-30. OKTOBER 1931
VON RICHARD GRAUL

Auf der vorjährigen Konferenz des Internationalen
Museumsamtes des Völkerbundes in Rom (Kunst-
chronik 1930/31, S. 61) war beschlossen worden, die
nächste Tagung der Denkmalpflege an Werken der
Architektur zu widmen. Dank einer Einladung der
griechischen Regierung konnte die Tagung in Athen
stattfinden. Damit war den Teilnehmern an der
Konferenz: Denkmalpflegern, Architekten, Archäo-
logen, Museumsleitern willkommene Gelegenheit ge-
boten, die Wiederherstellungsarbeiten auf der Akro-
polis und die Ausgrabungen in Eleusis, Epidaurus,
Mykenä, Tiryns, in Kreta (Knossos, Phaistos) und auf
Delos kennenzulernen.
Leider hat die wirtschaftliche Notlage die Ent-
sendung deutscher und großbritannischer Delegierter
verhindert; aber der Leiter des deutschen archäolo-
gischen Institutes in Athen, Georg Karo, nahm auf-
tragsgemäß an der Konferenz teil und wurde zum
Leiter einer Abteilung gewählt. Abgesehen von den
Gastgebern stellten die Franzosen und die Italiener die
größten Aufgebote hervorragender Fachleute — ins-
gesamt vertraten etwa 130 Teilnehmer 23 Staaten.
Die Konferenz darf mit dem Ergebnis fünftägiger
Verhandlungen zufrieden sein. Aufgabe des Inter-
nationalen Museumsamtes wird es aber sein, in der Zu-
sammenarbeit mit den nationalen Kommissionen für
geistige Zusammenarbeit das Programm künftiger
Konferenzen mehr zu präzisieren, durch bestimmte
Fachreferenten die Diskussion der Experten hervor-
zurufen und alle noch so interessanten Mitteilungen
allgemeinen Charakters und lokaler Bedeutung ab-
zulehnen. Auch die Athener Tagung, die der ehe-
malige belgische Minister Jules Destree präsidierte,
wurde durch solche oft mit rhetorischem Schwung
vorgetragenen Berichte in ihrer dankenswerten posi-
tiven Arbeit aufgehalten.
Das Programm hatte die Behandlung rechtlicher
Fragen der Gesetzgebung über Denkmalschutz an
die Spitze gestellt. Man hörte die verschiedenen
Resumes, wie zu erwarten war, ohne Diskussion an
und beauftragte das Museumsamt, eine vergleichende
Übersicht über die bestehenden Gesetze ausarbeiten
Z. f. b. K. Beilage

zu lassen und fortlaufend zu ergänzen. Aus den Richt-
linien, die in den verschiedenen Ländern für die
Restauration architektonischer Denkmäler maßge-
bend sind, entnahm man die allgemeine Tendenz,
daß bei der Erhaltung von Ruinen noch vorhandene
Elemente aufzurichten seien, wobei die zur Ergän-
zung notwendigen Materialien kenntlich zu machen
sind. Wo die Wiederaufrichtung unmöglich ist, soll
es bei wissenschaftlichen graphischen Aufnahmen
sein Bewenden haben. Beachtenswerte Mitteilungen
wurden über die Umgebung von Kunstdenkmälern
und die Sicherung einer Respektzone gemacht.
Die wichtige Frage nach den für die Wiederher-
stellung oder Sicherung verwendbaren neuen Materi-
alien führte nach langer Diskussion zu der Erkennt-
nis, daß alle Mittel der modernen Technik, beson-
ders auch Eisenbeton, zulässig sind, wenn die mit
diesen Hilfsmitteln hergestellten Ergänzungen nicht
stören und den Charakter des Monumentes verfäl-
schen. Wie ein künstlerisch feinfühliger und archäo-
logisch durchgebildeter Architekt dabei zu Werke
geht, hat Balanos bei der Wiederaufrichtung (Anasty-
lose) der Säulen auf der Akropolis in meisterhafter
Weise gezeigt. In der von Karo geleiteten Diskussion
über diese wichtigen Fragen angesichts der Bauwerke
erläuterte der Grieche die technischen Verfahren,
die er in jahrzehntelanger Prüfung als die zuver-
lässigsten erkannt hat.
In der Sitzung am 30. Oktober hat der Direktions-
ausschuß des Museumsamtes das Ergebnis der Ta-
gung formuliert, das mit dem Protokoll über die
Sitzungen in seinem Organ, dem „Museion“, ver-
öffentlicht werden wird. Alle Nationen, die Kunst-
güter zu hüten haben, sind an diesen Veranstaltungen
des Museumsamtes interessiert, und es ist dringend
zu wünschen, daß die deutschen Fachgenossen in
diesem Konzert der Kulturmächte in Zukunft nicht
fehlen, zumal sie gerade den Arbeiten der Denkmal-
pflege und den Ausgrabungen antiker Monumente mit
vorbildlicher Gründlichkeit obliegen, wie das wieder-
holt von ausländischen Sachkennern während der
Studienreise im Archipel hervorgehoben worden ist.
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