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Kunstchronik und Kunstliteratur — 65.1931/​1932

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Heft 5/6 (August-September 1931)
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https://doi.org/10.11588/diglit.61877#0058
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KUNSTCHRONIK UND KUNSTLITERATUR

Neben dem David aus dem Louvre finden sieh auf Tafel XXII
der Figdorsche Arion (Nr. 31) und der Bacchant des Wiener
Museums (32) abgebildet, voran geht der fackelhaltende weib-
liche Genius in Berlin (Nr. 30; Schubring bezeichnet diese
nackte Figur als „Engelmädchen“!). Planiscig hat (teils hier,
teils im Wiener Jahrbuch 1929) alle drei für sienesisch, den
Bacchanten mit Sicherheit, den weiblichen Genius mit Vor-
behalt für Francesco di Giorgio erklärt. Diese Zuschreibungen
gewinnen nicht an Vertrauenswürdigkeit dadurch, daß er
(a. a. O.) den Meister der Johannesstatuetten mit Francesco
di Giorgio identifiziert und den Bronzeputto bei Jakob Gold-
schmidt, eine Arbeit aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts,
noch nicht einmal sicher italienischen Ursprungs, „sienesisch
um 1500“ nennt. Der weibliche Genius, ein Wandleuchter,
ist in seiner hübschen naiven Frechheit, in seiner nicht über-
graziösen Flegelhaftigkeit allem Sienesischen gerade ent-
gegengesetzt, formal geht er aus dem Erbe Pollaiuolos und
Bertoldos hervor.
Der Arion ist heute noch ein völliges Rätsel, was Zeit
und Ort der Entstellung anlangt; der Bacchant, eine Antiken-
fälschung (daher die Haarbehandlung!), hat mit Francesco
di Giorgio nichts gemein; auch nicht mit seinem „Schatten“
Cozzarelli oder gar mit Neroccio oder Giovanni di Stefano;
er gehört in jene sentimentalische Verrocchio-Nachfolge, die
durch Ambrogio della Robbia sogar in Siena Eingang ge-
funden hat. (Wie florentinisch selbst Ambrogios Magdalena
noch ist, zeigt die sicher Horentinische Tonbüste eines alten
Weibes in der Maske der Magdalena [London]; sie hat zwar
mit dem Bacchanten nichts zu tun, gehört aber in die gleiche,
von Sentimentalität triefende Richtung, was schon aus Schu-
brings Charakterisierung hervorgeht: „Stolz in der Askese
einer sündige Liebe büßenden, aber unerschütterten Frau“
[Cicerone 1930, S. 549 ft'.]); dennoch wird der Bacchant eher
florentinisch sein. Wie dagegen Aktfiguren von Francesco
di Giorgio aussehen, wissen wir vom Dresdner Äskulap und
den Reliefs in London und Perugia.
Ich fasse mich kurz. Die Reitergruppe bei Foule, von Bode
dem Bertoldo gegeben, heißt hei Planiscig (Nr. 29) Rustici.
Damit ist nichts gebessert; man vergleiche die Nilpferdköpfe
von Rusticis Pferden mit diesem eleganten Werk der Spätrenais-
sance an der Grenze zum Barock! Der gefesselte Luzifer in
Belluno (Nr. 70) gehört als Vorstufe etwa der Hexe bei Delmar
(früher bei Heseltine) in die Mitte des Jahrhunderts (man
beachte die Flügel!); mit Riccio haben beide nichts mehr zu
tun. Ich übergehe eine ganze Anzahl teilweise alteingebür-
gerter, aber falscher Taufen auf Riccio (den Sebastian im
Louvre, Nr. 67, den Berliner Falkner, 71, die Venus der
Sammlung Frick, 93, die kniende Venus in Klosterneuburg,
138, wahrscheinlich sogar den Wasserträger dort, 140, und
in Berlin) und andere weniger wichtige Dinge, um desto ent-
schiedener der Zuteilung des Herkules der Sammlung Rohoncz
(321) an Bandinelli zu widersprechen. Der Verfertiger dieser
kaum mittelmäßigen Arbeit entstammt dem Umkreis Vin-
cenzo de’Rossis (dessen „Vulkan“ hier fehlt, ebenso wie die
meisten übrigen Studiolobronzen, trotzdem sie einen Schnitt-
punkt der Entwicklungslinien darstellen; aber Nicht-Vene-
zianisches erscheint in diesem Buche nur anhangsweise).
Wenn möglich noch gewagter ist die Zuschreibung von 7 Sta-
tuetten an Pierino da Vinci, die nicht nur mit diesem nichts
zu tun haben, sondern auch unter sich disparat sind, ja um
ein rundes Jahrhundert auseinanderliegen. Pierinos statua-
rische Kunst ist vor kurzem durch Zuweisung eines von
Vasari bezeugten Werkes sichergestellt worden in einem Auf-
satz, den Planiscig (und Kris; Pantheon 1929, III, S. 94) nicht
zu kennen scheint (Middeldorf: Burlington Mag. vol. 53,
1928, II, S. 299 ff.). Die Furie bei Stefan von Auspitz gehört
wie die schon erwähnte Hexe bei Delmar ins 17. Jahrhundert;
man spürt in dem schweren Pathos und in der Zerfaserung
aller greifbaren Form die Geistesrichtung etwa des Raffaele
Curradi; mit dem Ugolinorelief Pierinos besteht kaum die
oberflächlichste Zufallsähnlichkeit. Völlig fassungslos steht
man der Taufe der „Venus mit Amor“ (Sammlung Lederer)
auf Benvenuto Cellini gegenüber. Die Arbeit eines Giambo-
logna-Nachahmers (nicht Schülers!), schwerlich vor 1580 ent-

standen, von undefinierbarem barockem Stil. Dem Giam-
bologna selbst wird mit der Zuweisung der hölzernen Pieta
Nr. 35 wenig Ehre angetan.
Wir sind am Ende einer langen Liste. Es scheint nun
freilich leichter, festzustellen, was eine Sache nicht ist, als
Behaup tungen von großer Bestimmtheit über sie vorzubringen.
Aber Bestimmungen sind keine Angelegenheit der Bestimmt-
heit, mit der eine Meinung vorgetragen wird. Und was es
mit dieser scheinbaren Sicherheit auf sich hat, das kann
jeder feststellen, der sich die Mühe nimmt, nachzuprüfen,
wie ein und dieselbe Figur in Planiscigs verschiedenen Bü-
chern den Namen wechselt. So nannte Planiscig den Figdor-
schen Herkules, dem er jetzt (Nr. 327) die unmögliche Be-
zeichnung Pierino da Vinci gibt, 1921 „venezianisch Anfang
16. Jahrhundert“ (Venezianische Bildhauer, S. 295). So schien
ihm der schlanke Apollo mit der Leier, früher in der Wiener
Sammlung Strauß, damals die Arbeit eines flörentinischen
Nachahmers des Jacopo Sansovino um 1550, eine Bestim-
mung, die wohl bis auf den Zusatz „florentinisch“ das Rich-
tige trifft (a. a. O., S. 357). Jetzt ist daraus ein Maffeo Olivieri,
also etwas räumlich und zei tlich sehr Verschiedenes geworden
(Nr. 220). Nun läßt sich außer den beiden Leuchtern in
S. Marco schlechterdings nichts zuverlässig mit Olivieri ver-
binden (am wenigsten die bald als „Gärtnerbursche“, bald
als Tubalkain gedeutete Figur [Planiscig Nr. 229] in Berlin,
die R. Berliner jüngst [Belvedere, 1930, S. 110] in eine wesent-
lich spätere Zeit, durchaus überzeugend, und sogar nach
Deutschland versetzt hat; das Reh der Sammlung Foule, das
sich als Nr. 149 in Planiscigs Buch eingeschlichen hat, ist
übrigens eine sicher deutsche Arbeit). Dennoch könnten die
wundervollen Tänzerinnen im Cluny und Louvre, zu denen
hier eine (221) bei Lederer, Wien, hinzukommt, aus dieser
Quelle wenigstens abzuleiten sein. Unter keinen Umständen
aber darf man, wie Planiscig, die Tänzerinnen mit dem kalten,
noch ganz quattrocenteskcn Klassizismus des Paolo Savin
verbinden (schon Bode hat hier mit Recht widersprochen)
und dafür den eben erwähnten Apollo dem Olivieri geben.
Es handelt sich in diesem Falle um ein Problem, das sorg-
fältige und systematische Arbeit aufhellen wird. In vielen ande-
ren hier berührten Fällen wird man ers t Irrtümer und Willkür-
urteile aus dem Wege räumen müssen, ehe das eigentliche
Problem in Angriff genommen werden kann. Weinberger

Quellen zur Geschichte des Barock in Franken.
Herausgegeben von der Gesellschaft für Fränkische Ge-
schichte in Würzburg. Dr. Benno Filser Verlag, Augsburg
1931.
Nach dem Gesamtplan dieser Veröffentlichung aus den
Archiven der Schönbornschen Mäzenatenfamilie wird in drei
Bänden die künstlerische Korrespondenz des Kurfürsten zu
Mainz und Bischofs zu Bamberg Lothar Franz und die des
Fürsten Johann Philipp Franz, Bischofs von Würzburg und
Bamberg in Regestenform veröffentlicht werden, teils wört-
lich, teils auszugsweise und ergänzt durch Quellen aus an-
deren Archiven. In annähernder Vollständigkeit werden die
Briefe der Besteller und die Antworten der Beauftragten und
ausführenden Künstler mitgeteilt - ein unerschöpfliches Ma-
terial für den Kunst- und Kulturhistoriker nicht nur der
Barockzeit Frankens, sondern Deutschlands überhaupt. Unter
Mitwirkung von An ton Chroust legen P. Hugo Plantsch
und Andreas Scherf den ersten Halbband einer wissen-
schaftlich einwandfreien Arbeit vor, die die Zeit des Erz-
bischofs Lothar Franz und des Bischofs Johann Philipp
Franz von Schoenborn 1693-1729 umfaßt. Aus den ohne
subjektive Stellungnahme mitgeteilten Akten gewinnen wir
einen vollständigen Einblick in die Baugeschichte der Bam-
berger Residenz, der Schlösser Seehof und Pommersfelden.
Die Tätigkeit der Dienzenhofer, Nikolaus Loysons und des
Lukas von Hildebrandt kann deutlich verfolgt werden, und
über die Pommersfeldener Gartenarchitektur und die Ent-
stehung der berühmten Kunstsammlungen werden wir aus-
führlich unterrichtet. Eine Menge Maler und Bildhauer,
 
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