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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 55.1919/​1920 (April-September)

DOI Heft:
Nr. 49 (3. September 1920)
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Rothacker, Erich: Der Begriff des Kunstwollens
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https://doi.org/10.11588/diglit.29587#0432

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952

DER BEGRIFF DES KUNSTWOLLBNS
j M vorletzten Heft der »ZeitfArift für Äfthetik und alfgemeine Kunftwiffen-
3 khaft« <XIV. Bd., 4. Heft, S. 321 ff.) erörtert Erwin Panofsky in be-
merkenswerter Weife den »Begriff des Kunftwoffens«. Es ift ein wahrer
Hexenkeffel von Problemen, der fiA da auftut. Hödifte Fragen nidit nur
der Kunftwiffenkhaft, fondern auA der Phifofopbie werden angekhnitten,
und die nicht immer dankbare Aufgabe, fofche rein theoretifAen Erwägungen
einem Publikum von Hiftorikern und Kennern nahe zu bringen, fäfft fchtieß-
fich dem Referenten zu, denn P. khreibt in einem wefentfiA phifofophikh
geriAteten Organ. Aber (Aon die Wahl des Themas zeigt, daß die äfthe-
tifAe Reflexion heute über ein Stadium vöffiger Entfremdung von einzeln
wiffenfAaftfiAen Probfemen gfüAfiA hinauskommt, und ihre fpezihfAen Me-
thoden auA da einzufetzen fernt, wo die der wirkfiAen Kunft zugewandten
WiffenfAaften Fragen offen fießen. — Afs Riegf 1893 den Begriff des Kunft-
woffens prägte, formufierte er in ihm zunäAft feine EinfiAt in die Auto-
nomie des Kunftwerkes gegenüber Auffaffungen, die über GebrauAszweA,
Zwang des Materiafs und der TeAnik den primär geiftigen Charakter der
Kunft verkannten. Aber auA heute noA erfüfft der Begriff des Kunftwoffens
neben einer bfoß hiftorikhen BetraAtung der Kunft, wefAe, gehe fie nun
inhafts= oder formgefAiAtfiA vor, das Kunftwerk immer nur afs BinzeF
erfAeinung mit andern ErfAeinungen in Beziehung fetzt, die Funktion, daran
zu erinnern, daß das Kunftwerk Kunftwerk ift, niAt ein befiebiges hifto-
rifAes Objekt.
Unter dem Titef des »Kunftwoffens« und der »künftferikhen AbfiAt«
kurfieren nun fehr verkhiedene Begriffe. Ihrer vortrefffiAen Charakteriftik
und Kritik bei P. möAte iA kurz folgen: Die erfte derartige Auffaffung des
Kunftwoffens ift die »künftferpfyAologikhe«. Sie identifiziert ein in einem
BinzeF oder Gefamtwerk manifeftiertes Kunftwoffen ohne weiteres mit der
AbfiAt des Künftfers, wie fie einft pfyAofogikh in ihm wirkfiA vorhanden
war. Daß diefe »Erklärung« einfaA im Zirkef herumfäuft und zudem auf einer
vöffig verkehrten AnfiAt über den GrundAarakter eines Kunftwerkes, wie über
die GrundtatfaAen des künftferikhen SAaffens beruht, ergibt fiA ohne weiteres.
Denn das in gewiffen Fäffen bewußt gewordene Woffen des Künftfers und
die wahre Tendenz feines SAaffens, auf die affes ankommt, deAen fiA in
den feftenften Fäffen. NatürfiA find Äußerungen von Künftfern über ihre Ab-
fiAten, eventueff ausführfiAe Theorien und Programme ihrer Tätigkeit — die
befonders da auftreten, wo zu einem naiv geübten und traditionellen Stif ein
neuer Stif gegenfätzfiA hinzutritt und eine wiffentfiAe Wahf notwendig maAt,
etwa zwikhen Renaiffanceideafen und traditioneffem gotifAem Empfinden —
afs Quellen ungemein intereffant, aber eben als Queffen eines Kunftwoffens,
 
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