Springer=Ost>orns »Kunlt von 1800 bis zur Gegenwart«
223
AntonSpringer, DieKunItvonl800
bis zur Gegenwart. 7. Auflage, be-
arbeitet von Max Osborn. Leipzig,
Verlag Alfred Kröner, 1920.
Die letzte Auflage des bekannten HancL
budis der Kunltgefdiidite ilt um einen
größeren Abldtnitt bereichert worden, der
den Beginn des zwanziglten Jahrhunderts
fkizziert. Die Aktualität des Gegenfiandes:
Expreffionismus, Futurismus ufw. bringt
es mit fich, daß der Ton hier lebendiger,
perfönlicher erklingt, als in den früheren,
fafi ausfchiießlich referierenden Kapiteln,-
warme Anerkennung wird Cezanne, van
Gogh, abgefchwächt auch Mundi zuteil.
Doch ift es charakteriftifch, daß nur die
mit dem Impreffionismus noch organifch
einfi Verbundenen freundlich befprochen
werden,- — den Späteren, eigentlichen Ex-
preffionifien, gegenüber verfagt die innere
Anteilnahme. Wenn es von den neuen
Gedanken heißt, daß fchließlidi auch der
von ihnen fortgerilfen wird, der ihnen
eine Zeitlang ablehnend gegenüberfiand,
fo gilt das auch wohl von Ösborn felbft,
der dies letzte Kapitel mit einer längeren,
übrigens nur teilweife gerechtfertigten Ver-
teidigung der impreffioniftifchen Kunftauf-
falfung beginnt, um erft fpäter der neueren
Kunft gegenüber entgegenkommende W orte
voll Einfchränkung zu fuchen. — Was in
den vorhergehenden Kapiteln fdimerzlichft
vermißt wird: architektonifdier Aufbau
großer Zufammenhänge, findet fich hier
wenigftens angedeutet. Es wird zunächft
eine Gruppe von fechs Meiftern als Bafis
der neuen Bewegung formuliert und ein-
gehender behandelt, Cezanne, van Gogh,
Gauguin, Munch, Hodler, Matilfe. Aber
fchon das Übergehen der italienifchen Futu-
riften, die abgefondert von der Nachfolge
jener Maler ihr Werk vollbrachten, bringt
eine Unklarheit in das ganze Bild. Es
handelt fidi hierbei nicht um eine neben-
fädiliche Angelegenheit,- die Italiener find
nur der erfte Ausbrudi des revolutionären
Vulkans, defien Lavafluten aus unkulti-
vierten Tiefen fprudeln. Und es zerfafert
fich die Darftellung fogleich wieder in der
Nennung von Namen und Einzelheiten,
die kein großes, überfichtliches Bild ge-
währen. Selbft die fo überaus lehrreiche
Entwiddung des deutfchen Stoßtrupps des
Expreffionismus, der »Brüdce«, wird in viel
zu kurzen Worten geftreift. Und doch
haben wir es hier mit klaren Entwidc»
lungslinien zu tun, die offen zutage liegen.
Daß diefe Entwiddung fich mit größter
Eile vollzog, follte aber die Erkenntnis
nicht hindern, daß wir vor Tatfadhen ftehen,
an denen fich nicht rütteln läßt: der ganzen
Kunftwelt Europas ift ein neues Geficht
geprägt worden, — zweddos fcheint es heut-
zutage: vor »Gefahren der jungen Kunft-
gedanken« nodt warnen zu wollen, da fie
doch alle Vorwärtsftrebenden Europas
mehr oder minder ftark beherrfchen, — fo
fehr beherrfchen, daß fchon wieder eine
rüddäufige Bewegung zum Idyllifchen,
Naturhafteren hin begonnen hat. Durdi
die Streichung der nun überflüffig ge-
wordenen Polemik hätte bedeutender Platz
für die Darftellung und Wertung der
deutfchen Expreffioniften, vor allemNoldes,
Kirchners, Schmidt = Rottluffs, gewonnen
werden können, die in unverdienter Kürze
neben den Ausländern nur eben geftreift
werden!
Zufammenfaflend kann man fagen, daß
manche Teile der Darftellung einzelner
Perfönlichkelten in fidi gut gelungen find,
— daß aber der Gefamtumriß nicht ge-
lang. — Die Abbildungen enttäulchen in
diefem letzten Kapitel nicht fo ftark, wie
in den früheren diefes Bandes, da die
Linienhaftigkeit der Expreffioniften auch
bei fdilechtem Druck noch fichtbar und
einigermaßen wirkungsreich bleibt. Aber
auch vor milder Beurteilung können
Reproduktionen wie die von Nolde,
Kirchner, Heckel, Marc, Madte u. a.
keineEntfthuldigung finden. — Wünfchens-
wert wäre ein kurzer Hinweis auf die
einfchlägige Literatur gewefen, wie ihn
Waetzold feiner »Deutfchen Malerei von
1870 . . .« angefügt hat.
E. v. Sytfow.
223
AntonSpringer, DieKunItvonl800
bis zur Gegenwart. 7. Auflage, be-
arbeitet von Max Osborn. Leipzig,
Verlag Alfred Kröner, 1920.
Die letzte Auflage des bekannten HancL
budis der Kunltgefdiidite ilt um einen
größeren Abldtnitt bereichert worden, der
den Beginn des zwanziglten Jahrhunderts
fkizziert. Die Aktualität des Gegenfiandes:
Expreffionismus, Futurismus ufw. bringt
es mit fich, daß der Ton hier lebendiger,
perfönlicher erklingt, als in den früheren,
fafi ausfchiießlich referierenden Kapiteln,-
warme Anerkennung wird Cezanne, van
Gogh, abgefchwächt auch Mundi zuteil.
Doch ift es charakteriftifch, daß nur die
mit dem Impreffionismus noch organifch
einfi Verbundenen freundlich befprochen
werden,- — den Späteren, eigentlichen Ex-
preffionifien, gegenüber verfagt die innere
Anteilnahme. Wenn es von den neuen
Gedanken heißt, daß fchließlidi auch der
von ihnen fortgerilfen wird, der ihnen
eine Zeitlang ablehnend gegenüberfiand,
fo gilt das auch wohl von Ösborn felbft,
der dies letzte Kapitel mit einer längeren,
übrigens nur teilweife gerechtfertigten Ver-
teidigung der impreffioniftifchen Kunftauf-
falfung beginnt, um erft fpäter der neueren
Kunft gegenüber entgegenkommende W orte
voll Einfchränkung zu fuchen. — Was in
den vorhergehenden Kapiteln fdimerzlichft
vermißt wird: architektonifdier Aufbau
großer Zufammenhänge, findet fich hier
wenigftens angedeutet. Es wird zunächft
eine Gruppe von fechs Meiftern als Bafis
der neuen Bewegung formuliert und ein-
gehender behandelt, Cezanne, van Gogh,
Gauguin, Munch, Hodler, Matilfe. Aber
fchon das Übergehen der italienifchen Futu-
riften, die abgefondert von der Nachfolge
jener Maler ihr Werk vollbrachten, bringt
eine Unklarheit in das ganze Bild. Es
handelt fidi hierbei nicht um eine neben-
fädiliche Angelegenheit,- die Italiener find
nur der erfte Ausbrudi des revolutionären
Vulkans, defien Lavafluten aus unkulti-
vierten Tiefen fprudeln. Und es zerfafert
fich die Darftellung fogleich wieder in der
Nennung von Namen und Einzelheiten,
die kein großes, überfichtliches Bild ge-
währen. Selbft die fo überaus lehrreiche
Entwiddung des deutfchen Stoßtrupps des
Expreffionismus, der »Brüdce«, wird in viel
zu kurzen Worten geftreift. Und doch
haben wir es hier mit klaren Entwidc»
lungslinien zu tun, die offen zutage liegen.
Daß diefe Entwiddung fich mit größter
Eile vollzog, follte aber die Erkenntnis
nicht hindern, daß wir vor Tatfadhen ftehen,
an denen fich nicht rütteln läßt: der ganzen
Kunftwelt Europas ift ein neues Geficht
geprägt worden, — zweddos fcheint es heut-
zutage: vor »Gefahren der jungen Kunft-
gedanken« nodt warnen zu wollen, da fie
doch alle Vorwärtsftrebenden Europas
mehr oder minder ftark beherrfchen, — fo
fehr beherrfchen, daß fchon wieder eine
rüddäufige Bewegung zum Idyllifchen,
Naturhafteren hin begonnen hat. Durdi
die Streichung der nun überflüffig ge-
wordenen Polemik hätte bedeutender Platz
für die Darftellung und Wertung der
deutfchen Expreffioniften, vor allemNoldes,
Kirchners, Schmidt = Rottluffs, gewonnen
werden können, die in unverdienter Kürze
neben den Ausländern nur eben geftreift
werden!
Zufammenfaflend kann man fagen, daß
manche Teile der Darftellung einzelner
Perfönlichkelten in fidi gut gelungen find,
— daß aber der Gefamtumriß nicht ge-
lang. — Die Abbildungen enttäulchen in
diefem letzten Kapitel nicht fo ftark, wie
in den früheren diefes Bandes, da die
Linienhaftigkeit der Expreffioniften auch
bei fdilechtem Druck noch fichtbar und
einigermaßen wirkungsreich bleibt. Aber
auch vor milder Beurteilung können
Reproduktionen wie die von Nolde,
Kirchner, Heckel, Marc, Madte u. a.
keineEntfthuldigung finden. — Wünfchens-
wert wäre ein kurzer Hinweis auf die
einfchlägige Literatur gewefen, wie ihn
Waetzold feiner »Deutfchen Malerei von
1870 . . .« angefügt hat.
E. v. Sytfow.