30
DER KUNSTMARKT
BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
lieber die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteil dieser Nummer Näheres zu finden.
Dezemb.
2.-7.
Leipzig. *C. G. Boerner. Große Kupferstich-
Sammlung a. d. Besitz einer alten Leipziger
Buchhandlung: Blätter des 16.—19. Jahrh.
Dezemb.
Wien. Dorotheum. Orig.-Zeichgn.d. »Muskete«.
6.-7.
10.
Berlin. 7?. Lepke. Gemälde neuerer Meister.
2.-5.
Wien. Dorotheum. Kunstobjekte a. BurgVöttau.
11.—13.
Köln. Math. Lenipertz. Smlg. C. Röttgen-Bonn:
Möbel und Holzskulpturen d. 13.—17. Jahrh.
3.
Wien. E. Hirschler & Co. Smlg. Haunold.
Gern., Zeichgn. etc.
12.—13.
Wien. Dorotheum. Alte u. neue Meister.
3.
Berlin. * Gebrüder Heilbron. Orig.-Zeichnungen
der Münchener »Jugend«.
17.—21.
Berlin. *Gebr.Heilbron. Skulpt., Gemälde, Möb.
Dez.
München. Galerie Helbing. Smlg. Otto Bauer-
München: Moderne Meister u. and. Besitz.
3. u ff.
Berlin-. 7?. Lepke. Smlg. Gieldzinsky-Danzig:
Danziger Kunstgewerbe u. Mobiliar, 17.-19.Jh.
Dez.
München. Galerie Helbing. Bibliothek Kom-
merzienrat Bally-Säckingen u. aus and. Besitz.
6.
Berlin. * Gebrüder Heilbron. Gemäldesammlung
Bischof Dr. v. Lanyi. Miniaturen.
Dez.
München. Galerie Helbing. Antiquitätensmlg.
aus Stuttgarter Privatbesitz.
6.-7.
Berlin. Max Perl. Weltliteratur, Autographen.
Berlin. Im Herbst 1903 ist Friedrich Lippmann
gestorben. Jetzt steht sein Privatbesitz an Kunstsachen
am 26. u. 27. Nov. bei Lepke zum Verkauf. Bescheiden im
Umfang, aber anspruchsvoll in bezug auf die Qualität erscheint
diese Privatsammlung; den Katalog darüber leitet Max
J. Friedländer ein. Seinen Ausführungen sind die nach-
stehenden Angabenauszugsweise entnommen: Die seltenen
und kostbaren Monumente der deutschen Malerei des
15. Jahrhunderts sind zumeist namenlos. Erst im 16. Jahr-
hundert trieb weltlicher Künstlerstolz, der Gedanke an
Nachruhm viele Maler an, ihre Schöpfungen mit Signaturen
zu versehen. Nun hat die Kunstforschung eine ganze
Reihe von Persönlichkeiten entdeckt und hat ihnen Not-
namen gegeben, da die wirklichen Namen nicht zu finden
waren. Die gleichsam maskierten Gestalten sind im Zuge
der Maler des 15. Jahrhunderts zahlreicher als die mit
offenem Visiere, die wir mit ihren rechten Namen an-
sprechen. Gewiß ist die Persönlichkeit mehr als der Name.
Der Persönlichkeit aber fühlen wir uns erst sicher, wenn
wir auf ihre zweite Schöpfung stoßen, wenn wir ihre Art
wiedererkennen. Dieses Wiedererkennen und Entdecken
schöpferischer Individualitäten ist eine Aufgabe, die viele
Kunstkenner ganz in Anspruch nimmt. Schließlich aber
sagt es nichts gegen den Wert und die Qualität eines
Bildes, daß sein Autor nirgendwo wiedererkannt worden
ist. Ja, wenn die Sprache des Kunstwerkes eines markant
persönlichen Tons ermangelt, mag das als Fehler gelten
(immer übrigens nicht, da aus gewissen Perioden Schöp-
fungen höchster Qulität für unser Auge unpersönlich er-
scheinen), aber offenbar sind es oft ganz andere Ursachen,
als Mangel an individuellem Ausdrucke, die das Wieder-
erkennen des Autors verhindern oder bis jetzt verhindert
haben.
Kein Verständiger wird das charaktervolle Doppelbild-
nis (47) in der Lippmannschen Sammlung mit dem Datum
1490 gering achten, weil wir den süddeutschen Meister,
der gewiß für seine Zeit, seine Generation auf der Höhe
stand, nicht kennen, soweit nicht schon ein Werk seinen
Schöpfer kennen lehrt. Und die Wochenstube (49), die
offenbar um 1520 gemalt ist und mit der behaglichen
Schilderung eines traulichen bürgerlichen Wohnzimmers
erfreut, kann nicht an Wert verlieren, falls der vorge-
schlagene Meistername »Hans von Kulmbach« sich nicht
bewähren sollte.«
Die Anbetung der Könige (51) ist dem »Meister des
Heisterbacher Altars« zugeschrieben, der wohl aus der
Schule Meister Wilhelms von Köln stammt, aber schon
von der Formensprache Stephan Lochners berührt erscheint.
Die beiden unter Cranachs Namen katalogisierten
Tafeln gehören der früheren oder doch mittleren Zeit des
Meisters an, also der guten oder besseren Zeit. Für das
Studium der Cranachschen Kunst ist namentlich die Ge-
fangennahme Christi (50) ein bemerkenswertes Dokument,
einmal wegen des Datums (1515), dann wegen der unge-
wöhnlich konsequent durchgeführten Nächtlichkeit der
Szene.
Von den niederländischen Bildern ist wohl keines im
15. Jahrhundert entstanden, sie stammen sämtlich aus jener
kritischen, widerspruchsvollen und fruchtbaren Zeit zwischen
1500 und 1520. Höchstens die Anbetung der Könige von
Hieronymus Bosch (38) könnte noch gegen das Ende des
15. Jahrhunderts gemalt sein. Dieses Bild wird vielen
Kunstfreunden als die Überraschung der Sammlung er-
scheinen. Man hat im allgemeinen so wenig Aussicht,
diesen Meister zu finden, der ja selbst in der Londoner
National Gallery, im Louvre, in Dresden und in München
fehlt, der sich eigentlich nur im Eskurial offenbart. Ein
wunderlicher Geist, mehr abergläubisch als fromm, mit
scharfem Ton der Altarmalerei des 15. Jahrhunderts wider-
sprechend, sah Bosch die Welt bevölkert mit Bosheiten
und Teufeleien und dichtete selbst Szenen kirchlicher Re-
präsentation in bewegte Tragikomödien um. Das genre-
haft Menschliche und das geistreich erfundene Teuflische
glückt ihm besser als das Göttliche (umgekehrt wie bei Fra
Angelico). Man braucht die Anbetung der Könige in der
Lippmanschen Sammlung nach der Kompositionsweise, der
Farbe und den Typen nur mit der entsprechenden Dar-
stellung im Prado, dem oft kopierten Hauptwerk Boschs,
zu vergleichen und wird die Richtigkeit der Bestimmung
erkennen.
Cornelis Engelbrechtsen, dessen »Werk« die Stilkritik,
ausgehend von den beiden beglaubigten Altären im städ-
tischen Museum von Leiden, in den letzten Jahrzehnten
glücklich zusammengefügt hat, ist der Autor der Ver-
stoßung Hagars (37).
Den Namen »Dirk Vellert« wird man nicht ohne Ver-
wunderung in einem Gemäldekataloge finden. Dirk Vellert
ist niemand anders als der hochgeschätzte Kupferstecher
Dirk van Star, dessen richtigen Namen G. Glück vor
einigen Jahren entdeckt hat. Der stattliche Flügelaltar mit
der Anbetung der Könige im Mittelfelde, der aus der
Wiener Sammlung Stäche in Lippmanns Haus gekommen
ist, wurde als das erste Tafelgemälde dem aus Kupfer-
stichen und Zeichnungen bekannten Meister zugeschrieben.
Die Vorführung einer gefangenen Heiligen (46) ist ein
Werk des in Douai tätigen Jean Bellegambe.
DER KUNSTMARKT
BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
lieber die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteil dieser Nummer Näheres zu finden.
Dezemb.
2.-7.
Leipzig. *C. G. Boerner. Große Kupferstich-
Sammlung a. d. Besitz einer alten Leipziger
Buchhandlung: Blätter des 16.—19. Jahrh.
Dezemb.
Wien. Dorotheum. Orig.-Zeichgn.d. »Muskete«.
6.-7.
10.
Berlin. 7?. Lepke. Gemälde neuerer Meister.
2.-5.
Wien. Dorotheum. Kunstobjekte a. BurgVöttau.
11.—13.
Köln. Math. Lenipertz. Smlg. C. Röttgen-Bonn:
Möbel und Holzskulpturen d. 13.—17. Jahrh.
3.
Wien. E. Hirschler & Co. Smlg. Haunold.
Gern., Zeichgn. etc.
12.—13.
Wien. Dorotheum. Alte u. neue Meister.
3.
Berlin. * Gebrüder Heilbron. Orig.-Zeichnungen
der Münchener »Jugend«.
17.—21.
Berlin. *Gebr.Heilbron. Skulpt., Gemälde, Möb.
Dez.
München. Galerie Helbing. Smlg. Otto Bauer-
München: Moderne Meister u. and. Besitz.
3. u ff.
Berlin-. 7?. Lepke. Smlg. Gieldzinsky-Danzig:
Danziger Kunstgewerbe u. Mobiliar, 17.-19.Jh.
Dez.
München. Galerie Helbing. Bibliothek Kom-
merzienrat Bally-Säckingen u. aus and. Besitz.
6.
Berlin. * Gebrüder Heilbron. Gemäldesammlung
Bischof Dr. v. Lanyi. Miniaturen.
Dez.
München. Galerie Helbing. Antiquitätensmlg.
aus Stuttgarter Privatbesitz.
6.-7.
Berlin. Max Perl. Weltliteratur, Autographen.
Berlin. Im Herbst 1903 ist Friedrich Lippmann
gestorben. Jetzt steht sein Privatbesitz an Kunstsachen
am 26. u. 27. Nov. bei Lepke zum Verkauf. Bescheiden im
Umfang, aber anspruchsvoll in bezug auf die Qualität erscheint
diese Privatsammlung; den Katalog darüber leitet Max
J. Friedländer ein. Seinen Ausführungen sind die nach-
stehenden Angabenauszugsweise entnommen: Die seltenen
und kostbaren Monumente der deutschen Malerei des
15. Jahrhunderts sind zumeist namenlos. Erst im 16. Jahr-
hundert trieb weltlicher Künstlerstolz, der Gedanke an
Nachruhm viele Maler an, ihre Schöpfungen mit Signaturen
zu versehen. Nun hat die Kunstforschung eine ganze
Reihe von Persönlichkeiten entdeckt und hat ihnen Not-
namen gegeben, da die wirklichen Namen nicht zu finden
waren. Die gleichsam maskierten Gestalten sind im Zuge
der Maler des 15. Jahrhunderts zahlreicher als die mit
offenem Visiere, die wir mit ihren rechten Namen an-
sprechen. Gewiß ist die Persönlichkeit mehr als der Name.
Der Persönlichkeit aber fühlen wir uns erst sicher, wenn
wir auf ihre zweite Schöpfung stoßen, wenn wir ihre Art
wiedererkennen. Dieses Wiedererkennen und Entdecken
schöpferischer Individualitäten ist eine Aufgabe, die viele
Kunstkenner ganz in Anspruch nimmt. Schließlich aber
sagt es nichts gegen den Wert und die Qualität eines
Bildes, daß sein Autor nirgendwo wiedererkannt worden
ist. Ja, wenn die Sprache des Kunstwerkes eines markant
persönlichen Tons ermangelt, mag das als Fehler gelten
(immer übrigens nicht, da aus gewissen Perioden Schöp-
fungen höchster Qulität für unser Auge unpersönlich er-
scheinen), aber offenbar sind es oft ganz andere Ursachen,
als Mangel an individuellem Ausdrucke, die das Wieder-
erkennen des Autors verhindern oder bis jetzt verhindert
haben.
Kein Verständiger wird das charaktervolle Doppelbild-
nis (47) in der Lippmannschen Sammlung mit dem Datum
1490 gering achten, weil wir den süddeutschen Meister,
der gewiß für seine Zeit, seine Generation auf der Höhe
stand, nicht kennen, soweit nicht schon ein Werk seinen
Schöpfer kennen lehrt. Und die Wochenstube (49), die
offenbar um 1520 gemalt ist und mit der behaglichen
Schilderung eines traulichen bürgerlichen Wohnzimmers
erfreut, kann nicht an Wert verlieren, falls der vorge-
schlagene Meistername »Hans von Kulmbach« sich nicht
bewähren sollte.«
Die Anbetung der Könige (51) ist dem »Meister des
Heisterbacher Altars« zugeschrieben, der wohl aus der
Schule Meister Wilhelms von Köln stammt, aber schon
von der Formensprache Stephan Lochners berührt erscheint.
Die beiden unter Cranachs Namen katalogisierten
Tafeln gehören der früheren oder doch mittleren Zeit des
Meisters an, also der guten oder besseren Zeit. Für das
Studium der Cranachschen Kunst ist namentlich die Ge-
fangennahme Christi (50) ein bemerkenswertes Dokument,
einmal wegen des Datums (1515), dann wegen der unge-
wöhnlich konsequent durchgeführten Nächtlichkeit der
Szene.
Von den niederländischen Bildern ist wohl keines im
15. Jahrhundert entstanden, sie stammen sämtlich aus jener
kritischen, widerspruchsvollen und fruchtbaren Zeit zwischen
1500 und 1520. Höchstens die Anbetung der Könige von
Hieronymus Bosch (38) könnte noch gegen das Ende des
15. Jahrhunderts gemalt sein. Dieses Bild wird vielen
Kunstfreunden als die Überraschung der Sammlung er-
scheinen. Man hat im allgemeinen so wenig Aussicht,
diesen Meister zu finden, der ja selbst in der Londoner
National Gallery, im Louvre, in Dresden und in München
fehlt, der sich eigentlich nur im Eskurial offenbart. Ein
wunderlicher Geist, mehr abergläubisch als fromm, mit
scharfem Ton der Altarmalerei des 15. Jahrhunderts wider-
sprechend, sah Bosch die Welt bevölkert mit Bosheiten
und Teufeleien und dichtete selbst Szenen kirchlicher Re-
präsentation in bewegte Tragikomödien um. Das genre-
haft Menschliche und das geistreich erfundene Teuflische
glückt ihm besser als das Göttliche (umgekehrt wie bei Fra
Angelico). Man braucht die Anbetung der Könige in der
Lippmanschen Sammlung nach der Kompositionsweise, der
Farbe und den Typen nur mit der entsprechenden Dar-
stellung im Prado, dem oft kopierten Hauptwerk Boschs,
zu vergleichen und wird die Richtigkeit der Bestimmung
erkennen.
Cornelis Engelbrechtsen, dessen »Werk« die Stilkritik,
ausgehend von den beiden beglaubigten Altären im städ-
tischen Museum von Leiden, in den letzten Jahrzehnten
glücklich zusammengefügt hat, ist der Autor der Ver-
stoßung Hagars (37).
Den Namen »Dirk Vellert« wird man nicht ohne Ver-
wunderung in einem Gemäldekataloge finden. Dirk Vellert
ist niemand anders als der hochgeschätzte Kupferstecher
Dirk van Star, dessen richtigen Namen G. Glück vor
einigen Jahren entdeckt hat. Der stattliche Flügelaltar mit
der Anbetung der Könige im Mittelfelde, der aus der
Wiener Sammlung Stäche in Lippmanns Haus gekommen
ist, wurde als das erste Tafelgemälde dem aus Kupfer-
stichen und Zeichnungen bekannten Meister zugeschrieben.
Die Vorführung einer gefangenen Heiligen (46) ist ein
Werk des in Douai tätigen Jean Bellegambe.