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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 10.1913

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Nr. 8 (22. November 1912)
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https://doi.org/10.11588/diglit.51755#0094

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84 DER KUNSTMARKT

nende Giftigkeit und die ziemlich bedeutende Feuer-
gefährlichkeit an.
Oft sind aber die Schnitzereien ganz und gar
in ihrem Holzkern zerfressen, nur die Grundierung
und eine dünne Holzhaut umschließen das Wurm-
mehl, die Schnitzereien kann man ganz bequem zer-
drücken.
Früher konnte man mit derartig zerstörten Gegen-
ständen nichts anfangen. Dann begann man, die
Figuren mit heißem Leimwasser zu tränken und die
letzte Leimung mit Chromalaun zu härten. Versuche,
wie weit die Leimung in das Wurmmehl eindränge,
zeigten, daß dies nur ganz wenig der Fall sei, da
das Wurmmehl nur ganz wenig Leim wasser annimmt,
dann erhärtet und nichts mehr durchläßt. Der Kern
war demnach nicht behandelt, und die Zerbrechlich-
keit nicht vermindert. Ein ideales Erhaltungsmittel
stellt das Verfahren demnach nicht dar.
Es gibt aber ein vorzügliches, nicht zu über-
treffendes Mittel, den Sachen wieder Stand und Festig-
keit zu geben; erforderlich ist als Hauptbedingung,
daß das Wurmmehl nicht herausgeblasen wird, da
es zur Erhaltung der Schnitzerei unbedingt notwendig ist.
Siedend heißes Leinöl dringt gierig in das Mehl
ein, wird aber andererseits nicht so schnell hart, daß
es nicht späteres Öl noch aufnähme, so daß also der
ganze Körper der Schnitzerei sich vollsaugt. Die in
der Schnitzerei enthaltene Luft wird durch das heiße
Öl verdrängt und entweicht durch die Wurmlöcher.
Die bedeutende Wärme des Öles tötet den Wurm und
die Eier. Sollte wider Erwarten das Öl nicht bis in
den innersten Kern dringen, so müßen, da das er-
erhärtete umgebende Wurmmehl luftdicht abschließt,
die Würmer an Luftmangel eingehen. Zur Sicherung
setze ich dem siedenden Öle ein wenig flüssige Karbol-
säure zu, unter Beobachtung einiger Vorsicht, da die
Karbolsäure das Öl zum Überschießen bringt.
Da das Leinöl ebenso wie das heiße Wachs die
Leimfarbe ganz verändern muß, ist es unbedingt
notwendig, alle Leimfarbe vor der Leinölbehandlung
wiederholt mit heißem Leimwasser zu behandeln, genau
wie beim Wachsverfahren.
Sind abgebrochene größere Stellen vorhanden, so
benutzt man diese zum Einfüllen des Öles; andern-
falls läßt man dieses in das Hirnholz einlaufen. Noch
besser ist es, an der Rückseite der Figuren mit einem
scharfen Stecheisen die gesunde Holzhaut stellen-
weise zu entfernen, um möglichst viele Wurmgänge
bloßzulegen und dadurch an vielen Stellen zugleich
heißes Öl hineingießen zu können. Kleinere Schnitze-
reien taucht man in das Öl ein.
Gierig saugt das Wurmmehl das Öl auf. Ist der
erste Auftrag trocken oder vielmehr eingesogen, so
läßt man einen zweiten folgen und so weiter, bis
man am Nichtmehreindringen des Öles und an der
zunehmenden Schwere feststellen kann, daß die Schnit-
zerei ganz durchtränkt ist.
Schwer, sehr schwer werden die mit Öl behandel-
ten Schnitzereien, doch ist dies ja kein Fehler.

Die Figuren brauchen nun längere Zeit zum
Austrocknen. Sind die Figuren ausgetrocknet, so kann
man sägen, kann zur Ergänzung abgebrochener Teile
frisches Holz ansetzen, die Leimung hält vorzüglich.
Auch mit Kreidegrund lassen sich die Schnitzereien
bearbeiten, nur ist es hierzu unbedingt erforderlich,
daß das Öl vollständig getrocknet ist, da andernfalls
das Öl durchschlägt, der Grund nicht hält, und dann
das Polieren nicht möglich ist.
Noch einige Worte über das Erhalten der Holz-
tafeln, die, mit leichter Grundierung von Kreide ver-
sehen, bemalt wurden.
Ist das Holz gesund, nur gesprungen und die
einzelnen Bretter krumm gelaufen, so hat man diese
erst möglichst zu strecken. Dann werden sie ver-
leimt, um danach abgehobelt zu werden. Ein Rost
von trockenem, möglichst schlichtem, hartem Holze
verhindert ein erneutes Krummlaufen.
In der Längsrichtung des Holzes werden die un-
gefähr 3 cm breiten, 2x/2 cm dicken Stäbe aufgeleimt;
die schwächeren, 5 cm breiten reichlich 1 cm dicken,
in der Querrichtung in Ausklinkungen der Längsstäbe
gehenden Stäbe werden nicht aufgeleimt, um dem
Holze die Möglichkeit zu lassen, sich zu bewegen.
Ist das Holz vom Wurm befallen, so rauht man
die Rückseite auf und gießt die Tafel mit heißem
Öl aus, das alle Wurmgänge ausfüllt und durch seine
Schwere die etwa vorhandenen, von vorn eingesun-
kenen oder eingedrückten Stellen ebnet.
Umständlicher ist die Behandlung beiderseitig be-
malter Tafeln. Man behandelte früher solche Tafeln
in einem Kasten, den man mit Schwefelkohlenstoff be-
schickte. Die Dämpfe töteten wohl die Würmer, doch
war keine Gewähr gegeben, daß nicht später doch
noch der Wurm in die Tafeln eindrang, da ja der
Schwefelkohlenstoff sich verflüchtigt. Es ist unbe-
dingt erforderlich, solche Tafeln, nachdem man die
Bildseiten mit einer Schutzdecke versehen hat, aufzu-
schneiden, dann die Teile mit Öl zu behandeln. Da-
nach kann man jede Tafel für sich entweder mit einer
leichten Holzdecke, deren Wuchs quer zur Bildtafel
geht, oder besser mit einem Rost versehen. Der
Sicherheit halber tränke man Holz wie Rost mit
heißem Öl.
Auch ist es angängig, die behandelten Tafeln
wieder zu verleimen, wenn ich auch nicht dazu raten
möchte.
Hat man Altarflügel zu behandeln, deren Außen-
seiten in Leim- oder Temperafarben gemalt sind, so
ist es unerläßlich, diese Seiten vorher mit Leimwasser
zu härten. Das durch die Wurmlöcher und Haarrisse
der Grundierung durchdringende Öl kann die Farben
nicht verändern.
Irgend eine schädliche Einwirkung des Öles auf
die Farben habe ich noch nicht beobachtet, das Wurm-
mehl und die Grundierung saugen das Öl ja auf,
vorn durchgedrungenes Öl wird bei der später fol-
genden Behandlung der Bildschicht entfernt.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h., “Leipzig
 
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