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Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner u. Sammler — 10.1913

DOI issue:
Nr. 14 (3. Januar 1913)
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https://doi.org/10.11588/diglit.51755#0140

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130

DER KUNSTMARKT

die Bonn für 11700 M. erwarb. Ein ausdrucksgewaltiges
Stilgefühl, das, eine seltsame Erscheinung dieser frühen
Zeit, auf das Herbe, Häßliche, auf innerlichste Erschütte-
rungen seelischen Geschehens den einzigen Nachdruck legt.
Das zu Beulen verdickte, geronnene Blut der Wundmale,
der eingezogene Mund, die scharfe Nase, die kleinen, tief-
liegenden Augen haben mit Wirklichkeitsdarstellung nichts
zu tun. Hier spricht eine selbstschöpferische, künst-
lerische Persönlichkeit, die sich auf eigenen Wegen einen
neuen Stil geschaffen hat. In Einzelheiten, den ornamen-
tierten Gewandsäumen, den Stuckrosetten scheint die Ma-
donna mittelrheinischen Arbeiten, auch im Ornament einer
Pieta der Sammlung Schnütgen, verwandt. Es scheint nicht
ausgeschlossen, daß diese Gruppe, worauf Fr. Witte schon
hinwies, der Gegend von Boppard zuzuschreiben ist. Die
Adlerornamente auf den Mantelsäumen der beiden Pietä-
darstellungen lassen darauf schließen.
Eine kleine Standfigur einer Heiligen mit sehr schöner
alter Bemalung aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
kam für 5300 M. in eine Frankfurter Sammlung. Der
Kopfform nach scheint diese Figur kölnisch. Doch die
feine Behandlung des Nackten, die rein sinnliche Schönheit,
mit der Hände, Hals und Gesicht gebildet sind, die durch-
sichtige Klarheit der Gewandbehandlung lassen sich in
Köln in der Zeit nicht nachweisen. Ein kleiner Antwerpener
Prophet brachte 2400 M. Wie hervorragende technische
Eigenschaften auch vorhanden sind, über das Virtuosenhafte,
Gefühls- und Ausdruckslose dieser Massenerzeugnisse der
belgischen Schnitzwerkstätten täuscht selbst die Schönheit
dieser Figur nicht hinweg. Von niederrheinischen Arbeiten
sind vor allem noch drei Flachschnitzereien erwähnenswert,
von denen Bonn die Gruppe einer Grablegung Christi und
eine Himmelfahrt Christi für 3060 M. erwarb, während
das Kölner Kunstgewerbemuseum eine Abendmahlsgruppe
für 2700 M. sich sicherte. Die Abendmahlsgruppe, die
keineswegs mit nordniederländischen Arbeiten zusammen-
zubringen ist, interessiert durch die Verbindung holländischer
und niederrheinischer Formmerkmale. Ein im Katalog als
rheinisch bezeichneter Engel der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts weist in seiner Formensprache auf Westbelgien.
In der Einfachheit der Gewandbehandlung und der Ver-
nachlässigung der fühlbaren Wirkungsäußerungen des

Körpers lebt ein klar bestimmtes, stilbildendes Gefühl.
Verhältnismäßig besser waren die süd- und mittel-
deutschen Schulen. Sie enttäuschten weniger, weil ein gleich-
mäßiger Durchschnitt vorhanden war. Auch hier erwarb
Bonn mit der schwäbischen Figur der hl. Barbara für
2100 M. das künstlerisch reizvollste Stück. Die verschie-
denen Altarschreine, von denen ein thüringischer Flügel-
altar, bezeichnet 1480, 6900 M. und ein hessischer 7000 M.
brachte, waren im allgemeinen mittlere Durchschnittslei-
stungen. Stilgeschichtlich bieten sie kaum neue Aufschlüsse.
Die Möbel erzielten außerordentlich hohe Preise. Daß
gerade hier Erneuerungen und Ergänzungen in reichstem
Maße vorgenommen waren, ist kaum erstaunlich. Das
beste Stück, ein großer gotischer Kastenschrank des 15. Jahr-
hunderts mit einfachen senkrecht und wagerecht angeord-
neten Faltwerk-Ornament-Füllungen kam für den überaus
hohen Preis von 9000 M. nach Dortmund. Die anderen
gotischen Schränke erzielten zwischen 3500—4500 M. trotz
der häufig sehr merkbaren Ergänzungen. Ein rheinisches
Hängeschränkchen mit durchbrochenem Maßwerk, schön
in den Maßverhältnissen und in sehr gutem Erhaltungszu-
stand, erwarb das Kölner Kunstgewerbemuseum für 1750M.
Dasselbe Museum erwarb für 5000 M. ein 1751 bezeich-
netes schmiedeeisernes Altargitter aus dem Kloster Heister-
bach. Von den sonstigen Möbeln, Truhen, Chorstühlen,
die zum Teil hohe Preise erzielten, ist allein von Interesse
ein barockes Chorgestühl, das das germanische National-
museum in Nürnberg sich 6700 M. kosten ließ. Manche
Ergänzungen — es scheint, daß auch der mittlere Aufsatz
nicht ursprünglich ist — beeinträchtigen die Bedeutung
des an sich vortrefflich erhaltenen Werkes kaum. Den
höchsten Preis erzielte ein romanischer Kruzifixus in
Kupfer-Email mit vier Evangelistensymbolen, den ein Frank-
furter Händler für 10000 M. erwarb. Das Kreuz, das
dem 13. Jahrhundert angehört, scheint kölnische Arbeit
zu sein.
Leider kam die beste Arbeit der Sammlung, die in
Silber getriebene gotische Halbfigur eines Heiligen, von
der früher stets soviel Aufsehens gemacht wurde, nicht
zur Versteigerung. Bei der außerordentlichen Seltenheit
gotischer Silberfiguren wäre gerade für sie der Übergang
in festen Museumsbesitz wünschenswert gewesen.
G. E. Liithgen.

Verzeichnis der in der Auktion Roettgen erzielten Preise. (Die Bezeichnungen des Kataloges sind hier beibehalten)

Skulpturen.
a) Niederlande.
Kat.-Nr. Mark Kat.-Nr. Mark
1 .175
2 Auferstehungsgruppe. Niederrh.,
16. Jahrh.1450
3 Abendmahlsgruppe. Ende 15.Jh. 2700
4 Maria, Johannes, St. Leonard.
Nordniederl., 15. Jahrh. . . . 1450

5
950
14
. 335
6 .
560
15
. 260
7
600
16
. 270
8
340
17
. 170
9
300
18
. 275
10
250
19 .
. 235
11
200
20
. 140
12
275
21
. 95
13
235
22
. 85

23 Zwei Tafelbilder,Anbetung.Leg.
von Hubertus. Niederl., 16.Jh. 2400
24 Vielfigurige Gruppe: Tod der
Maria. 16. Jahrh.1050

25
Gruppe der Grablegung in zehn
Figuren
Niederl.,
16.
Jahrh.
1100
26
950
40
560
27
600
41
345
28
550
42
100
29
420
43
80
30
150
44
690
31
350
45
250
32
700
46
155
33
305
47
120
34
290
48
280
35
170
49
650
36
130
50
135
37
220
51
850
38
175
52
280
39
65
53
380
54
Kl. Standfigur einer
Passions-
gruppe.
Antwerpen
16. Jahrh.
2400
55
140
60
105
56
280
61
250
57
800
62
110
58
160
63
95
59
110
64
100

b) Rheinland- Westfalen.

65
. . 900
70 . .
700
66
. . 300
71 . .
205
67
. . 660
72 . .
245
68
. . 300
73 • .
185
69
. . 315
74
Engel mit Handorgel. Rheinisch,
15. Jahrh. . .
1620
75
. . 500
78 . .
250
76
. . 700
79 . .
190
77
. . 400
80
Heilige mit Buch.
15. Jahrh. . .
Niederrhein.,
5300
81
. . 235
83 . .
85
82
. . 330
84 . .
155
85
Reliquienbüste.
15. Jahrh.. .
1000
86
. . 190
92 . .
400
87
. . 170
93 . .
100
88
. . 400
94 . .
790
89
. . 255
95 . .
190
89a . . 310
96 . .
430
90
. . 50
97 . .
300
91
. . 205
98 . .
510
 
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