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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1897)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0018

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Stimmung im Beschauer erweckte. Man kam also wieder auf die
Prinzipien der alten Meister, die nun, da man sie nicht mehr nachahmte,
nicht nur ungefährlich, sondern zu den besten Führern wurden. Dabei
entdeckte man Farbenharmonien, die noch nie gemalt worden waren.
Auf dem Gebiet der Staffeleikunst gewann dann eine malerische Stim-
mungslhrik die Vorherrschaft. Jn der Raumku n st bildeten sich Ansätze
zu einem neuen Stil: es gibt moderne Wandgemälde, die etwas von
der starren und dabei graziösen Größe moderner Eisenbauten haben. Jn
der Jllustration brach gleichfalls ein neues Leben, wenigstens wo
es frei von Gigerltum und Altertümelei blieb, (mit sehr erfreulichen
Blüten) auf. Unsre heutige Buchausstattung steht in ihren besten
künstlerischen Leistungen sehr hoch. Das kleine Gebiet der Bücherzeichen
ist jetzt erst nach Jahrhunderten wieder, das der Plakate überhaupt zum
ersten Male der deutschen Kunst gewonnen worden.

Und hier, wie bei allen malenden und zeichnenden Künsten,
überrascht der Reichtum an juugen Talenten. Der Kunstwart
hat Recht behalten, wenn er von Anfang au ermahnte, den Naturalis-
mus nicht nach seinen Bildern an sich, sondern als eine vorzügliche
Schulung der latenten Kräfte zu beurteilen. Jn der That hat die
Pleinairperiode mit ihrem ernsten Arbeitszwang unmittelbar vor der
Natur die jungen Maler in einer Weise gebildet, „trainiert", die gar
nicht hoch genug geschätzt werden kann. Das ist geblieben. Was im
Naturalismus nur Mode war, ist überwunden. Eine außerordentliche
Mannigfaltigkeit der künstlerischen Bestrebungen aber gibt uun den
jungen Talenten mehr Möglichkeiten, das erworbene Können in der
ihnen „liegenden" Richtung zu bethätigen. Und so tritt es durch glück-
liche Verhältnisse wenigstens auf diesem Gebiete einmal zu Tage, welche
Fülle von künstlerischen Begabungen in unscrm Volke, meist unent-
wickelt, liegt.

(Schluß folgt.)

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