Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0070
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Heft 2 (2. Oktoberheft 1897)
DOI article:Lose Blätter
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Pubertät ein Sicgesgeschrei anstimmen wie die Frösche in der Mainacht, —
jetzt wählen Sie, wer gefüllt Jhnen am besten?
„Alt" nnd „jung", das sind Fremdwörter siir die Poesie. Weder das
Alter noch die Jugend sind im mindesten ein Verdisnst, noch ein Vorzug, ja
nicht einmal eine Eigenschaft, sondern einfach ein Zustand. Man ist jung oder
alt, so wie man gesund odcr krank ist und so wie man einst tot sein wird.
Nicht der dieses und jcner das, sondern jeder dieses und das. Was in aller
Welt hat die Kunst damit zu schaffen? Genau soviel, alS ob du Zahnschmerzen
hast oder keinc. Her mit euren Werken! Und zwar, bitte, jeder mit den seinigen
besonders! Keine Stangenschen Neisegesellschaften durch den Geist der Zeitl
Nämlich, es stcht cin Tourniquet vor dem Schalter, und Ermäßigungen für
Schulen und Vereine gewährt der Ruhm nicht.
Was sind das überhaupt sür kleine Sehwinkel, die nicht einmal über das
eigene kurze Leben den Blick in die nächste Ewigkeit spannen! Wenn du nach
deinem Tode ein bleibcndeS Werk wirst hinterlasseu habcn, dann wirst du an-
sangen, jung zu werden, wo nicht, so warst du alt geborcn, alt wie ein Leder-
apfel, trotz all deinem Dulich und Gemauser. Oder wird vielleicht gerade
darum so unverschämt gebalzt, weil man spürt, morgcn wird Hallali ge-
blasen?
Du bist heutc grüu oder ivenigstens grünlich. Jch gratulierc von Herzen.
Allein nicht grün, sondern immergrün ist die Farbe des Ruhmes. Also, so
über die Maßen genial braucht man sich deswegen nicht zu geberden. Denn
ob es auch ein Vorzug ist, so ist es doch gottlob kein seltener. Man teilt ihn
mit Millionen von Mitmenschen, ja mit Milliarden von andern minder zwei-
beinigen Geschöpfen, die darum nicht den Anspruch erheben, Genie zu sein.
Schließlich cin Geheimnis im Vertrauen. Mit der Jugend, wissen Sie,
geht es wie mit dem Karoussel: sie rennt herum. Kaum hat ciner angefangen,
der Jüngste zu sein, so reitet ihm schon ein noch jüngerer auf den Fersen. Und
während er cben geradc im besten Zug ist, seinen Vordcrmann „wackliger
Greis" zu schmähen, kichert es bcreits hinter ihm „alter Geck". Hören Sie es
nicht? So schauen Sie doch nur in den Spiegel! Man sieht ja wahrhaftig
schon drei anmutige Fältlein links und rcchts ncbcn den Augen! Das sind
junge hoffnungsvolle Rünzelchen, mein Bester. Und wenn diese Rünzelchen
werden Runzeln geworden sein, dann wird eine freche Bandc mannbarer Buben
Sie verhöhnen, so wie jetzt Sie dic Alten verhöhnen. Amen, das geschehe!
jetzt wählen Sie, wer gefüllt Jhnen am besten?
„Alt" nnd „jung", das sind Fremdwörter siir die Poesie. Weder das
Alter noch die Jugend sind im mindesten ein Verdisnst, noch ein Vorzug, ja
nicht einmal eine Eigenschaft, sondern einfach ein Zustand. Man ist jung oder
alt, so wie man gesund odcr krank ist und so wie man einst tot sein wird.
Nicht der dieses und jcner das, sondern jeder dieses und das. Was in aller
Welt hat die Kunst damit zu schaffen? Genau soviel, alS ob du Zahnschmerzen
hast oder keinc. Her mit euren Werken! Und zwar, bitte, jeder mit den seinigen
besonders! Keine Stangenschen Neisegesellschaften durch den Geist der Zeitl
Nämlich, es stcht cin Tourniquet vor dem Schalter, und Ermäßigungen für
Schulen und Vereine gewährt der Ruhm nicht.
Was sind das überhaupt sür kleine Sehwinkel, die nicht einmal über das
eigene kurze Leben den Blick in die nächste Ewigkeit spannen! Wenn du nach
deinem Tode ein bleibcndeS Werk wirst hinterlasseu habcn, dann wirst du an-
sangen, jung zu werden, wo nicht, so warst du alt geborcn, alt wie ein Leder-
apfel, trotz all deinem Dulich und Gemauser. Oder wird vielleicht gerade
darum so unverschämt gebalzt, weil man spürt, morgcn wird Hallali ge-
blasen?
Du bist heutc grüu oder ivenigstens grünlich. Jch gratulierc von Herzen.
Allein nicht grün, sondern immergrün ist die Farbe des Ruhmes. Also, so
über die Maßen genial braucht man sich deswegen nicht zu geberden. Denn
ob es auch ein Vorzug ist, so ist es doch gottlob kein seltener. Man teilt ihn
mit Millionen von Mitmenschen, ja mit Milliarden von andern minder zwei-
beinigen Geschöpfen, die darum nicht den Anspruch erheben, Genie zu sein.
Schließlich cin Geheimnis im Vertrauen. Mit der Jugend, wissen Sie,
geht es wie mit dem Karoussel: sie rennt herum. Kaum hat ciner angefangen,
der Jüngste zu sein, so reitet ihm schon ein noch jüngerer auf den Fersen. Und
während er cben geradc im besten Zug ist, seinen Vordcrmann „wackliger
Greis" zu schmähen, kichert es bcreits hinter ihm „alter Geck". Hören Sie es
nicht? So schauen Sie doch nur in den Spiegel! Man sieht ja wahrhaftig
schon drei anmutige Fältlein links und rcchts ncbcn den Augen! Das sind
junge hoffnungsvolle Rünzelchen, mein Bester. Und wenn diese Rünzelchen
werden Runzeln geworden sein, dann wird eine freche Bandc mannbarer Buben
Sie verhöhnen, so wie jetzt Sie dic Alten verhöhnen. Amen, das geschehe!